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GastroGuide-User: marcO74
marcO74 hat Zur Krone in 76777 Neupotz bewertet.
vor 6 Jahren
"Delikates Neupotz Teil 1: ein kulinarischer Dreier ohne Steuerfrau geht auf Geschmacksreise"

Geschrieben am 20.06.2018 | Aktualisiert am 20.06.2018
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Besucht am 04.05.2018 Besuchszeit: Abendessen 3 Personen Rechnungsbetrag: 224 EUR
Als Anfang Mai der Bremer Genussadel einen Zwischenstopp in der Pfalz einlegte, um der zuvor genossenen Pariser Sterneküche kulinarisch noch einen drauf zu setzen, geriet der diese Zeilen zu verantwortende Pfälzer Food-Local etwas ins Grübeln, wo es denn hingehen sollte. Nichts Altbewährtes sollte die norddeutschen Feingaumen verwöhnen. Innovativ und inspirierend sollte es zugehen, ohne dabei die Bodenhaftung zu verlieren. Eine zeitraubende Fahrt kam aufgrund der Kürze des Aufenthalts auch nicht in Frage, weshalb wir den Intense-Besuch aufschoben. Warum nicht nach Neupotz? So der rettende Gedanke. Das kleine Örtchen liegt keine Viertelstunde mit dem Auto entfernt und beherbergt mittlerweile drei Bib-Gourmand-Restaurants. Wahrscheinlich hat es damit das höchste Bib-Pro-Kopf-Vorkommen weit und breit.
 
Das neue Konzept im jüngsten Bib-Lokal „Zur Krone“ hatte schon lange mein Interesse geweckt. Neben dem mit Bedacht zusammengestellten, übersichtlichen Speisenangebot (vier Vor-, vier Hauptspeisen, zwei Desserts, that’s it!), steht neuerdings ein quer durch die Karte führendes Tasting-Menü für Entdecker bereit. Welch gute Möglichkeit, sich einmal quer durchs Programm zu futtern! Der Zeitpunkt schien der richtige, um es mit Genießern vom Fach einmal genauer unter Messer und Gabel zu nehmen. Da sich meine bessere Hälfte an jenem Wochenende in Belgien aufhielt, begaben wir uns als kulinarischer Dreier ohne Steuerfrau auf eine eindrucksvolle Geschmacksreise.
 
Um meine beiden Freunde von der Weser wieder sicher in ihren Steinweilerer Heimathafen, der sich in einem kurz vorm VDP-Eintritt befindenden, nicht weiter genannten Kultweingut in Ortsmitte befand, zurückzubringen, beschränkte ich meinen Weinkonsum an jenem Abend drastisch und verabreichte mir den Rebsaft in homöopathischen Dosen. Was natürlich nicht bedeutete, dass sich Kollege Borgfelder asketisch loyal zeigte. Nun, liebe Community, ihr kennt ihn ja…
 
Über das Interieur des Lokals berichtete ich bereits in meiner letzten Rezension vom April 2017 ausführlichst. Im Servicebereich erfuhr die Krone mit Herrn Fischer, der früher im Neupotzer Hardtwald arbeitete, eine klare Aufwertung. Um es kurz zu machen, Herr Fischer trug mit seiner freundlich kompetenten und vor allem humorvollen Art nicht unerheblich zum Gelingen des Abends bei. Dafür sei ihm an dieser Stelle nochmals ganz herzlich gedankt.
 
Doch jetzt mal Kokosfett bei die Fische, wie der hippe Prenzlauer Bergwanderer mit Rauschebart, Jutebeutel und Dutt auf dem Kopf zu sagen pflegt. Wir entschieden uns alle drei für das sechsgängige Tasting-Menü, das uns einmal quer durch den kulinarischen Kosmos von Chefkoch Faycal Bettioui führte. Zusätzlich wurden uns an diesem Abend noch zwei Überraschungszwischengänge oben drauf gepackt bzw. eingeschoben. Mit zwei Amuses Gueules vorweg war das für 59 Euro derart wohlwollend kalkuliert, dass wir uns schon fragen mussten, wie sich das eigentlich wirtschaftlich rechnen konnte. Der Bremer Nose-to-Tail-Vernichter sprach danach gar von 6 GG-Sternen (von maximal 5??), die er dem PLV zugeschrieben hätte. Spätestens da zeigte der süffige Weißburgunder von Matthias Kleinmann aus Birkweiler seine Wirkung. Der trocken ausgebaute Weiße namens „6° Celsius“ war gut gelaunter Sommerwein, der uns für 24 Euro die Flasche wohlwollend durchs Menü begleitete.
 
Noch bevor der erste Gang uns in Verzückung versetzte, grüßte Faycal Bettioui aus der Küche mit einem etwas breiteren Fingergut aus Brikteig, der mit Lachstatar, Crème fraiche  und rotem Forellenkaviar gefüllt war. Salzig und leicht jodig, cremig und kross – so der Eindruck am Gaumen. Dass eine kleine Fischpraline so viele Geschmackskomponenten haben konnte überraschte nicht nur mich am Tisch. Dieser Umstand wurde ihr jedoch zum Verhängnis und sie verschwand viel zu schnell vom Anrichte-Bett aus getrockneten Kichererbsen und landete am Ort ihrer Bestimmung.
 
Auf die Lachs-Preziosen folgten als weiteres Amuse drei bretonische Austern, die auf grauen Kieselsteinen ästhetisch angerichtet waren. Diese waren mit etwas Essig-Vinaigrette in Form kleiner Kügelchen und einem Blättchen Austernkraut verfeinert. Mein Ding war das wabbelige, mit Meerwasser getränkte Innere des Weichtieres eigentlich noch nie, aber vor Borgi und sin Fru wollte ich mir dann doch keine Blöße geben und schlürfte das gallertartige Etwas unter Vortäuschung reinster Sinnenfreude hinunter.
 
Die Pflicht war geschafft, ich freute mich auf die Kür. Und die begann ausgerechnet mit Spargel. Früher hätte ich den ersten Gang keines Bissens gewürdigt, da mir das Königsgemüse zuwider war. Zeiten ändern sich, Geschmäcker manchmal auch. Die Ware kam saisonfrisch aus Neupotz und wurde vom Küchenchef fein in Szene gesetzt. Von einer delikat abgeschmeckten Spargelmousse überdeckt, hatten die Spargelstücke im Inneren noch leichten Biss. Leicht süßliche Noten verströmten die fein gehackten Morcheln. Das wachsweiche 63°-Ei aus dem Onsenbad thronte von Heringskaviar getoppt auf der vor umami strotzenden Masse. Keine Frage war dieser Teller ein erstes kulinarisches Ausrufezeichen.  
 
Das Tasting-Menü nahm langsam Fahrt auf. Zu frisch gebackenen Brötchen gab es mit schwarzem Himalaya-Salz bestreute Butter, wohl als kleiner Resetbutton für den Gaumen gedacht. Der musste nämlich für den zweiten Gang neu justiert werden. „Thunfisch-Tatar – Miso – Foie Gras“, so der unsere Neugierde weckende Titel im Kleingedruckten der Karte. Bei diesem Gang setzte der Maître brutal auf Optik, indem er das rote Thunfischklein mit gehobelter, vorher gefriergetrockneter Foie Gras betreute, das Ganze mit ein paar Tupfern Miso-Crème verzierte und zudem ein crunchiges Reispapiersegel hisste. Der wunderbare Parmesan-Effekt der im Mund schmelzenden Foie-Gras-Raspel sorgte zusammen mit dem Miso und dem erstklassigen Tatar für ganz großes „U“ am Gaumen. In der Karte steht das Gericht mit gerade mal 13 Euro. Wir waren sprachlos.
 
Im Anschluss daran wurde uns ein Überraschungsgang serviert. Ein saftiges Stückchen Kalbsbries wurde von einer kräftigen Jus und einer Nocke Sellerie-Püree begleitet. Eher schlicht in der Anrichtung, aber mit enorm viel Kraft und Geschmack. Vor allem die Sellerie-Crème hatte ordentlich Substanz und harmonierte mit der kräftigen Jus hervorragend. Die Konsistenz der gebratenen Thymusdrüse war für mich etwas gewöhnungsbedürftig. Seinem eher neutralen Geschmack wurde mit etwas Algen-Tatar on Top nachgeholfen. Für Genießer mit offenem Visier für neue Entdeckungen wie uns war das eine durchweg positive Überraschung.
 
Bei Gang Nr. 3 wurde es dann wieder fischiger. Die mit Erbsen und Seeigelsabayon kombinierten Jakobsmuscheln sind ja mittlerweile fast schon sowas wie ein „signature dish“ in der Neupotzer Krone. Die beiden ansehnlichen, perfekt gebratenen Vertreter der Gattung der Pecten zeigten uns beim Anschnitt ihr glasig-weißes Muskelfleisch. Ihr leicht nussiges Aroma wurde vom latent bissfest gegarten Erbsengemüse gut eingefangen. Der leicht moussierenden Seeigelsabayon hätte dagegen etwas mehr Geschmackstiefe gut getan. Schon allein um dem Gericht insgesamt etwas mehr (Pi)Kante zu verleihen. Aber wollen wir mal den Apple Store im Dorf lassen: auch dieser Gang war ein von hoher Produktqualität geprägtes Vergnügen, das mit Substanz und Einfallsreichtum zu punkten vermochte.
 
Auch beim vierten Gang fand sich ein gutes Produkt, fachlich fundiert zubereitet auf dem Teller. Zum kulinarischen Hauptdarsteller, dem saftig gebratenen, sowie dezent gewürzten Seeteufel, gesellten sich seidiges Pastinakenpüree, eine vollmundige Hummerbisque, eine mit Piment Espelette verfeinerte Rieslingschaumsauce und etwas Bärlauch-Öl. All dies waren köstliche Farbtupfer, bei denen Faycal Bettioui nicht nur Gespür für harmonierende Aromen, sondern eben auch für angenehme Proportionen bewies. Beides zusammen sorgte für einen perfekt ausbalancierten Fischteller, dessen vegetabile Note von knackigem Stängelkohl und wunderbar bissfest gekochten Möhren herrührte.
 
Zum fünften Gang, der mir zwei rosa gebratene Stücke vom Lammrücken inklusive einer supersaftigen Tranche vom Lammbauch bescherte (beim Kollegen gegenüber schien der perfekte Gargrad schon leicht überschritten), kam der Maestro selbst aus der Küche und löffelte uns eine intensiv-würzige Lamm-Jus vom Allerfeinsten auf die Keramik. Zur akkurat mit Sojabohnen gefüllten Artischocke, die geschmacklich etwas eindimensional wirkte, gesellte sich ein Tupfer „verkohltes“ Auberginenpüree, das der prägnanten Jus rauchig-erdige Akzente entgegensetzte und dem nordafrikanisch angehauchten Gericht ein authentisches, aromensattes Geleit anbot. Die hervorragende Qualität des vor Saft strotzenden Lammfleisches wäre schon für sich genommen ein beeindruckendes Erlebnis am Gaumen gewesen. Mediterrane Einflüsse wurden hier geschickt um nahöstliche ergänzt. Das zeugte einmal mehr vom kompositorischen Verständnis und Feingespür des Herdverantwortlichen. Nicht zu vergessen das herrlich fluffige Pommes-dauphine-Bällchen, das diesen Teller schlüssig komplettierte und von dem es ruhig noch ein paar mehr hätten sein dürfen. Jus zum Tunken war ja genug da.
 
Einen weiteren Überraschungsgang stellte das spontan eingeschobene Pre-Dessert dar. Eine Nocke vom hausgemachten Rhabarber-Sorbet thronte auf einer fruchtigen Basis marinierter Erdbeer- und Rhabarberstückchen. Eine kleine, wohl der der Saison geschuldete Aufmerksamkeit, die Süßes und Saures passend kombinierte und unsere Geschmacksnerven für das eigentliche Dessert vorbereitete.
 
Das bestand aus einer hübsch in Szene gesetzten Salz-Karamell-Crème-brulée, die von Mirabellen-Sorbet (und –coulis), Mandel-Crumble und schwarzen Gelierkügelchen, die nach Kaffee schmeckten („Kaffee-Gelée-Kaviar“), umringt war. Für mich stellte es einen äußerst gelungenen Abschluss des Menüs dar. Fruchtig, leicht salzig, etwas herb und vor allem nicht allzu süß fiel dieses Finale aus. Und es kam – genau wie die anderen Teller zuvor – sehr geschmackvoll angerichtet aus der Küche. Das Viertel Gewürztraminer von Nicole Gräber aus Edenkoben (7,50 Euro), das man dem Bukettsortensympathisanten gegenüber von mir kredenzte, schien kein Fehlgriff gewesen zu sein.   
 
Verabschiedet wurden wir mit fluffigen Mini-Zitronen-Tartes, die von geflämmter Baisermasse gekrönt waren. Beim netten Plausch mit Serviceleiter Thomas Fischer erfuhren wir von den verheißungsvollen Zukunftsplänen, die der Krone recht bald ein paar Neuerungen beim Interieur (Stühle) sowie einen modernisierten Thekenbereich bescheren würden. Schön, dass man sich auch hier um Weiterentwicklung bemüht und das Innere dem hohen Niveau der Küche sukzessive anpassen möchte.
 
Wir haben uns an diesem Abend jedenfalls tierisch wohl gefühlt, hatten richtig viel Spaß am Tisch und hätten infolge der ausgezeichneten Küchenleistung den „Wermut dahoam“ gar nicht mehr gebraucht. Aber was tut man nicht alles der kulinarischen Kumpanei zu Liebe.
 
Danke Herr Fischer für den unterhaltsamen Abend. Danke Faycal fürs Mitnehmen auf diese sehr spannende Geschmacksreise. Gerne wieder – gerne bald!
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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