Ole Deele
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Heinrich-Wöhler-Str. 14, 30938 Burgwedel
Restaurant Hotel Sternerestaurant
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GastroGuide-User: tischnotizen
tischnotizen hat Ole Deele in 30938 Burgwedel bewertet.
vor 5 Jahren
"Alles, nur kein Leerlauf"

Geschrieben am 27.12.2018
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Besucht am 20.10.2018 Besuchszeit: Abendessen 2 Personen
Über lange Jahre waren Hannover und die nähere Umgebung Michelinstern-freie Zone. Wollte man vom roten Guide ausgezeichnete Küche genießen, musste man wahlweise nach Riepen ins Schaumburger Land oder nach Celle fahren. Aber auch dort sind die Sterne mittlerweile erloschen.

Dass sie in und um die Landeshauptstadt herum überhaupt wieder leuchten, ist eng mit der rasanten Küchenentwicklung in der „Ole Deele“ in Burgwedel verbunden, wo mit Andreas Tuffentsammer 2011 der erste Stern wieder in die Region kam. Nachdem er 2013 das Haus verließ, konnte Tony Hohlfeld, bis dahin bereits im Team gewesen, ihn verteidigen, ehe er sich mit seiner Partnerin Mona Schrader nach Hannover in die Selbständigkeit aufmachte und im „Jante“ nun auch dort einen Stern hält.

Elfrun Kühn, die Eigentümerin des schmucken Fachwerkhauses, das auch ein Hotel beherbergt, musste also erneut nach einem Ersatz Ausschau halten und sie ist gar nicht so weit entfernt fündig geworden. Aus dem Schlosshotel Münchhausen in Aerzen verpflichtete sie Benjamin Gallein, Sous-Chef unter Achim Schwekendiek und zuvor schon mit Stationen in 18 Punkte / 2 Sterne-Häusern wie dem Falco in Leipzig und dem Palais Coburg in Wien. Oliver Fabris, den Restaurantleiter auf Münchhausen, konnte sie ebenfalls für Burgwedel begeistern und seit 2015 hat das Team, das noch um Nico Kuckenburg als Pâtissier ergänzt wird, so mächtig Fahrt aufgenommen, dass der Gault Millau für 2019 mal stolze 18 Punkte hat springen lassen.

Außenansicht

Burgwedel ist eigentlich nicht weit von Hannover, unserem Wohnort, entfernt. Aber mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist es vor allem abends ein mittleres Ding der Unmöglichkeit. Und mit dem Taxi dann eben doch auch wieder ein gutes Stück weg. Vielleicht ist das der Grund, warum wir seit der Zeit von Tony Hohlfeld noch nicht wieder hier waren. Gewiss keine wirklich stichhaltige Ausrede, wenn man ansonsten quer durch Deutschland und darüber hinaus auch sonst keine Wege scheut, die manchmal abgelegensten Restaurants zu besuchen. Im Nachhinein betrachtet also eigentlich unverzeihlich.

Seit unserem letzten Besuch hat das Restaurant ein dezentes Facelift in Form von eleganteren Sesseln erhalten, die dem schönen Raum deutlich besser zu Gesicht stehen als die etwas biederen Polsterstühle, die ich in Erinnerung hatte.

Interieur (abends mit Tischwäsche)

Als Teil unseres Arrangements nehmen wir die ersten Grüße und den Apéritif in der Küche. Es startet mit einem Rote Bete Macaron und im Gefäß darunter mit Muscheln, einem Tom Ka Gai-Eis und einer schaumigen Sauce Nantaise. Beides lässt schon einmal aufhorchen, denn es ist bildschön gearbeitet und originell kombiniert. Eigentlich ist mir jetzt schon klar, dass dies kein schlechter Abend werden kann.

Apéro: Rote Bete Macaron

Apéro: Muscheln, Sauce Nantaise, Tom Ka Gai-Eis

Es ist Samstag Abend, das Haus ist voll besetzt, in der Küche ist es heiß, die Mannschaft voll beschäftigt und da wir nicht unnötig im Weg stehen wollen, wechseln wir jetzt an unseren Tisch, wo mit einem kleinen Arrangement aus Gänseleber, Rotkohl, Fichte und Brioche schon bald der nächste Gruß folgt.
Die Gänseleber wird hier in einen erfreulich herzhaften Kontext gesetzt, was ihr sehr gut bekommt.

Amuse Bouche: Gänseleber, Rotkohl, Fichte, Brioche

Weiter geht es mit einer in einen goldfarbenen Mantel gearbeiteten Rehpraline, Wacholder und Aroniabeere. Das überrascht mit einer kühlen Frische und außergewöhnlichen Intensität.

Amuse Bouche: Rehpraline, Wacholder, Aroniabeere

Den Abschluss der Küchengrüße markiert eine hochgradig ungewöhnliche Komposition um eine pochierte Jakobsmuschel und Krabben. Sanddorn liefert säuerliche Akzente, ein Eis aus Schafmilch, Joghurt und Alge klingt wilder als es ist, Algenspitzen steuern jodige Noten bei. Angegossen wird ein Sud auf Basis von Ostfriesentee. Wir haben hier neben der Jakobsmuschel gewissermaßen einmal den Norden mit urtypischen Produkten verarbeitet und es geht verblüffend gut auf.
Spätestens jetzt wird deutlich, dass hier ein Koch zu Werke geht, der sich traut, mutig und klug zu kombinieren.

Amuse Bouche: Jakobsmuschel. Sanddorn, Schafmilch-Joghurt-Algen-Eis

Bevor es mit dem eigentlichen Menü beginnt, gibt es zum selbstgebackenen Brot noch eine weitere Köstlichkeit zum Knabbern. Frisch gebackene Churros, in der herzhaften Version, sind heiß, fettig und schlichtweg wunderbar.

Brot, Churros, Butter, Brottrunk

Der erste Gang ist eine verspielte Variation des Themas „Hausfrauen Art“ zur Forelle aus der Wedemark. Gurke im Sud, Kartoffel als Eis und eine angenehme Kräutrigkeit lassen in der Tat alle Elemente dieses Klassikers der gutbürgerlichen Küche deutlich erkennen. Das ist originell umgesetzt und ein starker Einstieg ins Menü.

Wedemark-Forelle "Hausfrauen-Art"

Der nächste Teller setzt Kürbis in diversen Konsistenzen in Szene. Ein flüssiges Eigelb unterstreicht die Cremigkeit, die Shiso-Sauce bleibt etwas zurückhaltend und auch der Gruyère macht sich nicht recht bemerkbar. Insgesamt gerät das etwas süß und eindimensional, wenngleich durchgehend harmonisch und wohlschmeckend. Dass man dazu als Extra Caviar von Prunier bestellen kann, macht durchaus Sinn, denn der steuert dezente salzige Noten dagegen.

Kürbis / Eigelb / Gruyere / Shiso

Supplément: Prunier Caviar

Spannender wird es mit dem folgenden Gericht, einer Tranche vom Steinbutt mit RAF Tomate, einer besonders intensiven, auf salzigen Böden kultivierten Sorte. Lauch ist in der ausgezeichneten Sauce verarbeitet. Diese Elemente sind ganz klar und deutlich erkennbar, während die zusätzlichen erdigen Komponenten etwas indifferent bleiben. Ich bin mir unklar, ob es die gebraucht hätte. Handwerklich ist das aber top gemacht und schmecken tut es auch.

Steinbutt / RAF Tomate / Sonnenblume / Lauch

Die Kombination aus Krustentier und Schwein ist schwer angesagt, aber oft gelingt es nur halbherzig. Hier haben wir es mit einem Prachtexemplar von Carabinero und einem Schweinebauch mit super krosser Kruste und BBQ-Aroma zu tun. Das alleine könnte mir schon genügen, aber damit gibt sich Gallein nicht zufrieden. Pimientos, eine Maisvariation sowie Polenta, in der ich etwas Trüffelaroma ausmache sowie eine Schwarzbiersauce runden den Teller ab. Das ist deftiges, großes Geschmackskino. Da passt sogar die halbe, grüne Erdbeere für den Säurekick. Fabelhaft!

Carabinero / Schweinebauch / Mais / Pimentos

Der Rehrücken im Hauptgang ist perfekt gegart und mit Pflaume, Steckrübe als Linguine und einer Sauce Rouennaise, in der Leber und Blut verarbeitet ist, für sich genommen schon wunderbar. Separat reicht Gallein dazu noch ein Hasenragout mit einem ganz dezent säuerlichen Schaum, was eine hervorragende Ergänzung darstellt. Viel herbstlicher kann es nicht mehr werden.

Rehrücken / Steckrübe / Pflaume / Marone

Die süße Abteilung startet im Pré-Dessert mit eingelegter Quitte, einem Quitten-Jus mit Tapioka und etwas Schokolade sowie einem Zuckerrüben-Eis. Das ist unkompliziert und einfach nur lecker.

Pré-Dessert: Quitte / Zuckerrüben-Eis

Das eigentliche Dessert ist eine dekonstruierte Version des Kaiserschmarrns. Eine Kuchencreme lässt Assoziationen an abgeschleckte Rührbesen aufkommen, Zitrone findet sich kandiert und in Blätterform, der Schmarrn als saftiger Teig, Butterkeks als Eis und Rumrosinen fehlen auch nicht. Das ist ein sehr abwechslungsreiches, leckeres Dessert, in dem ein sehr klassisches Geschmacksbild zeitgemäß interpretiert wird. Und das mal ganz ohne Kräuter.

Kaiserschmarrn / Rum / Rosine / Zitrone

Nico Kuckenburg schickt dann noch ein Butterkucheneis mit Heidelbeeren, Madeleines und Kürbis-Macaron als Petits Fours und auch die sind einfach nur gut.

Butterkeks-Eis

Madeleines

Kürbis-Macaron

Was für ein Auftritt! Benjamin Gallein hat hier eine Performance hingelegt, die sich in der Tat nicht hinter den Besten verstecken muss. Sein Küchenstil ist modern, zeitgemäß und mit Liebe für Details. Gleichzeitig fußt aber alles auf einem soliden Handwerk, das seine klassischen Wurzeln nicht verhehlt. Gallein kombiniert beherzt, geschmacksstark, aber nicht verkopft, sondern immer leicht zugänglich. Und das ist ein Stil, der mir ausgesprochen sympathisch ist.


Oliver Fabris begleitet diese Aromenreise mit einer sehr passenden Weinauswahl von Franken über Österreich, den Kaiserstuhl, das Roussillon, Spanien und Mosel mit für uns interessanten Neuentdeckungen und mit souveränem, lockeren Charme. Dass er dabei zu eher kräftigen Weinen greift, kommt unseren Vorlieben sehr entgegen. Und wenn es zwischen zwei Gängen mal etwas länger dauert (was uns gar nicht so aufgefallen ist), sorgt er dafür, dass im Glas kein Leerlauf entsteht.

Weinbegleitung

Nein, Leerlauf herrscht in der „Ole Deele“ wahrlich nicht. Die Küche läuft hochtourig und scheint noch nicht am Ende ihrer Entwicklung angekommen. Die Aufwertung des Gault Millau auf 18 Punkte kam zwar überraschend, aber ist in der Betrachtung dieses Abends durchaus vertretbar. Nun bleibt abzuwarten, wie die übrigen Guides reagieren. Ich glaube, hier kann noch einiges passieren. Zu hoffen bleibt allerdings, dass Benjamin Gallein es nicht seinen Vorgängern gleich tut und noch eine ganze Weile bleibt. Ich verspreche im Gegenzug, dass es nicht mehr Jahre dauert, bis ich wieder komme.


Bericht und sämtliche Bilder auch auf tischnotizen.de/ole-deele-burgwedel/
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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