Zurück zu Zur Rose
GastroGuide-User: marcO74
marcO74 hat Zur Rose in 76761 Rülzheim bewertet.
vor 6 Jahren
"Fleischlastiger, vom Aussterben bedrohter Gastro-Anachronismus mit zarten Rumpsteaks zu zivilen Preisen"

Geschrieben am 09.06.2018
Besucht am 25.05.2018 Besuchszeit: Abendessen 2 Personen Rechnungsbetrag: 54 EUR
Ungefähr ein Jahr nach der familiären Schnitzelschlacht in der benachbarten Traditionsgastwirtschaft „Zur Krone“, folgte nun der Besuch im zweiten Haus am Platze, welches keine 250 Meter davon entfernt liegt. An der Rülzheimer Rose bin ich sicherlich schon gefühlte tausendmal vorbeigefahren. Aufgefallen ist mir dieser Prototyp einer gutbürgerlichen Dorfwirtschaft eigentlich nie. Unscheinbar liegt das Gasthaus an der belebten Hauptstraße (die man hier „Neue Landstraße“ nennt) im Ortskern von Rülzheim und macht von außen den Eindruck eines bereits seit längerer Zeit geschlossenen Lokals. Würde da nicht das Bellheimer-Bier-Logo über dem breiten Treppenaufgang thronen, niemand würde in dem hellblau gestrichenen Anwesen gastronomische Tätigkeiten vermuten.
 
Mein Kollege, ein erklärter Rumpsteak-Spezi und Gerstensaft affiner Freund deftiger Fleischküche, hatte an diesem Freitagabend für uns beide reserviert, was in der Rose generell zu empfehlen ist, da die Hütte brummt. Die geschätzten 100 Sitzplätze verteilen sich auf zwei Gasträume und ein Nebenzimmer für größere Gesellschaften. Hat man die Treppe erklommen, biegt man links in einen nicht gerade freundlich illuminierten Flurbereich. Der Muff der 70er Jahre strömt einem in Anbetracht der mit dunklem Holz verkleideten Wände entgegen. Hat man den ersten Gastraum zur Linken erfolgreich passiert, stößt man geradewegs auf den Thekenbereich, an dem das frisch gezapfte Bellheimer Bier am liebsten schoppenweise ausgeschenkt wird – so jedenfalls mein erster Eindruck. Hier befand sich übrigens auch der Stammtisch, wo nach guter alter Sitte eine sechsköpfige Männerrunde einen gepflegten Schafkopf spielte.
 
Selten habe ich schneller die gastronomische Zeitreise in die Vergangenheit angetreten wie im Inneren der Rülzheimer Rose. Links vom Tresen schloss sich Gastraum Nummer zwei an. Etwas größer als der erste und nahezu komplett belegt. Ich fürchtete schon um einen Platz, aber mein Kollege hatte es sich bereits an einem etwas versteckt liegenden, „romantischen“ Zweiertisch in direkter Thekennähe gemütlich gemacht. Um einer drohenden Verdurstung vorzubeugen, hatte er schon präventiv einer ersten „Halben“ aus dem Schoppenglas zugesprochen. Bier aus Gläsern zu trinken, aus denen normalerweise die Riesling-Schorle halbliterweise gezecht wird, schien mir anfangs etwas befremdlich, aber der pichelnde Mensch wird ja mit zunehmendem Alkoholpegel immer flexibler – zumal dem aus Bellheimer Silberpils und süßem Zitronensprudel gemixten Radler ganz hervorragende Attribute im Bereich des Durstlöschens zugestanden werden.
   
Das Innere des Gastraums transpirierte den nostalgischen Dunst längst vergangener Tage. Anscheinend wusste mein Gegenüber mein ungläubiges Staunen über die überholte Aufmachung fachmännisch einzuordnen. „Feinster Rumänen-Barock“ so das knappe Urteil meines Kollegen über die in die Jahre gekommene Inneneinrichtung, der es etwas an Helligkeit mangelte. Kein Wunder, gesellte sich zum dunklen Fliesenboden die noch dunklere Holzverkleidung an den Wänden. Die zur Straßenseite hinzeigenden Fenster wurden von einer weißen Gardine verdeckt. Die etwas gedämpften Lichtverhältnisse trugen jedoch zur Gemütlichkeit bei. Wäre der Gastraum leer gewesen, hätte die Atmosphäre leicht in Richtung Tristesse kippen können. So aber herrschte eine bierselige Betriebsamkeit, die auf altmodischen Polsterstühlen ausgesessen wurde. Ein paar Wandfunzeln mussten brannten unnütz vor sich hin. Die Speisenkarten lagen hinter uns auf dem Tresen. An diesem Abend schien die Servicechefin den Laden alleine zu schmeißen und das bei fast ausverkauftem Haus. Da half nur Eigeninitiative, um an das nachlesbare Speisenangebot zu gelangen.
 
Gleich auf der ersten Seite stand geschrieben, dass Familie Wagner die Rülzheimer Rose führt. Ich denke, sie tut das schon seit etlichen Jahren und das Programm, das sich in dem mit Klarsichthüllen bestückten Ringbuch namens Speisenkarte nachlesen ließ, hätte gutbürgerlicher gar nicht sein können. Zwar habe ich kein Schild mit der Aufschrift „Vegetarier müssen draußen bleiben!“ am Eingang hängen sehen, aber dieser kulinarischen Randgruppe zeigt man hier ganz eindeutig die ausgestreckte Rinderzunge (in Madeirasauce). Lediglich der gemischte Salatteller mit Ei (6 Euro) stand für den fleischlos agierenden Pflanzenfresser bereit. Frohlockungen wie Rumpsteak, Schnitzel, Burgunderbraten, Schweinelendchen und Pfälzer Schweinereien (Bratwurst und Leberknödel) versprachen dagegen sättigende, recht üppig portionierte Fleischrationen, wie die Teller am Nachbartisch verrieten. Ein rustikales Carnivorenidyll wie es sich jeder Beef-Bazi wünschen würde. Und das zu Preisen, die keineswegs unverschämt daher kamen.
 
Natürlich hatte ich mich schon im Vorfeld über das Speisenangebot der „Rose“ informiert. Einer der fachkundigsten Fleischschmecker und Steakvernichter der Südpfalz riet mir spontan zum Rumpsteak, das sie hier ganz besonders gut hinbekommen würden. In sechs verschiedenen Ausführungen war es in der Karte vertreten. Neben Pommes Frites, Kroketten und Nudeln komplettierten hausgemachte Kartoffelknödel das Beilagensortiment. Diese waren im Preis genauso enthalten wie der gemischte Salatteller vorweg. Die Preise bewegten sich zwischen 18,90 Euro (entweder mit schwarzer Pfeffersauce, Zwiebelschmorsauce, Kräuterbutter oder Knoblauchsahnesauce) und 20,50 Euro (mit Pfifferlingsauce). Ich entschied mich für die Variante mit Champignons (19,50 Euro) und wählte als Beilage Kroketten. So wie damals bei meiner Kommunionsfeier in der Herxheimer Bahnhofsgaststätte. Mein Kollege, der mit dem Rumpsteak „nach Art des Hauses“ bislang gute Erfahrungen gemacht hatte, blieb seiner Soße treu und orderte schwarz und pfeffrig.
 
Da zeitgleich mit unserem Erscheinen eine größere Gruppe den Saal für Gesellschaften bevölkerte, stellten wir uns auf eine längere Wartezeit beim Essen ein. Frau Wagner und ihre beiden jüngeren Servicegehilfen mussten Vollgas geben, denn der Andrang war groß – wie an fast jedem Abend, wie mir die etwas spröde wirkende Chefin in einem kurzen Plausch am Tisch verriet. Der Gerstensaft stammte aus der in der Nähe gelegenen Bellheimer Brauerei und war mit 3,20 Euro für den halben Liter äußerst fair bepreist. Der Radler kostete übrigens das gleiche. Ein Viertel trockener Pfalz-Riesling schlug mit 3 Euro zu Buche. Das Nachbestellen der Getränke dauerte manchmal etwas länger, da Frau Wagner meist im Nebenraum zu Gange war und der junge Mann am Ausschanktresen Glas um Glas füllte.
 
Die Befürchtung, dass sich die Zubereitung unseres Essens wegen der zu versorgenden Meute nebenan in die Länge ziehen würde, bestätigte sich jedoch nicht. Bald schon hatten wir die ansehnlichen Beilagensalate auf dem Tisch stehen. Das Essig-Öl-Dressing fiel herrlich oldschool aus. Die grünen Salatblätter genossen sichtlich ihr Bad in der säuerlich angemachten Menge. Was die Ingredienzien anbelangt wurde hier kein Innovationspreis angestrebt, aber guter Standard mit frischen Zutaten lass ich mir auch gerne schmecken.
 
Nun zu den beiden Hauptgründen unserer kulinarischen Zusammenkunft an diesem Abend, den beiden Prachtkerlen, die mit ordentlich Sauce bedeckt und zwei rechtschaffenen Krokettenkörbchen (solide TK-Ware) den Weg zu uns fanden. Gute 300 Gramm Verzehrgewicht brachten die medium gebratenen Tranchen vom Rinderrücken sicherlich auf die Waage. Wir waren uns ihrer Herkunft nicht sicher, denn bei deutscher Ware fällt der Cut gemeinhin etwas dünner aus. Die Zartheit des Fleisches ließ mich an Südamerika denken. Beim Anblick der Dosen-Champignons in meiner Pilzsauce kam mir GG-Genosse Daueresser in den Sinn. Denn dieser favorisiert ja bekanntlich die Dosenware auf Pizzen.
 
Vom ersten Anschnitt meines Rumpsteaks bis zur letzten Krokette war das ein in sich stimmiger Teller gutbürgerlichster Hausmannskost. Sowohl die Pilzsauce als auch die schwarz glänzende Pfeffertunke meines Kollegen zeugten von einwandfreiem Küchenhandwerk, bei dem sich der Umgang mit Pülverchen anscheinend in Grenzen hielt. Wahrscheinlich schmeckte hier die braune Grundsoße schon vor 30 Jahren so. Kein Wunder, dass sie mich in die Zeit meiner ersten Gasthausbesuche versetzte. Neue Geschmackserlebnisse hatten wir in der Rülzheimer Rose auch nicht erwartet, sondern eine herzhafte Erinnerungsküche, wie sie heutzutage nur noch selten anzutreffen ist. Wenn sie dann noch so schmackhaft wie hier daher kommt, wird selbst dem gemeinen Gourmand ganz „retro-rustikal“ zu Mute.
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


kgsbus und 23 andere finden diese Bewertung hilfreich.

Pepperoni und 25 andere finden diese Bewertung gut geschrieben.