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GastroGuide-User: DerBorgfelder
DerBorgfelder hat Lisette im Hotel Bornmühle in 17094 Groß Nemerow bewertet.
vor 6 Jahren
"Fast noch Lisette"
Verifiziert

Geschrieben am 24.07.2018 | Aktualisiert am 11.09.2018
Besucht am 15.05.2018 Besuchszeit: Abendessen 1 Personen Rechnungsbetrag: 124 EUR
„Da sindse wieder!“ Bewährte Mecklenburger Freundlichkeit schlug mir entgegen, als Frau K. mich zum zweiten Mal im hellen Wintergarten

des Landhotels Bornmühle begrüßte. Beim ersten Versuch hatte ich des abnehmenden Lichts wegen um einen anderen Tisch gebeten, was eher missmutig zur Prüfung angenommen worden war. Ich verzog mich darob zunächst auf mein sehr kleines Zimmer.
Letztlich durfte ich dann an die Fensterseite des Wintergartens mit schönem Blick über die Wiesen hinunter zum Tollensesee sitzen.

Und auch Frau K. drehte mit der Zeit auf und schmiss den „Kritischer-Genießer-Turbo“ an, bis hin zur neuen Serviette, die zur Fingerschale mit geschälter(!) Zitrone gereicht wurde. Ich freue mich immer, wenn ich Menschen im Service erlebe, deren gute Ausbildung anscheinend von vielen Gästen weder erwartet, noch überhaupt zur Kenntnis genommen wird. Aber die sich dann wie beim Aufwachen nach und nach wieder ihrer Fähigkeiten entsinnen und mit Freude und Können für den Gast arbeiten. 

Nach dem zunehmend irritierten Blick durch die Karte setzte es auf Nachfrage aber erst einmal den nächsten Dämpfer: Nein, das Gourmet-Restaurant Lisette gebe es seit mehreren Monaten nicht mehr! Man behelfe sich mit einem etwas anspruchsvolleren Menü. Vielleicht werde nach dem Umbau wieder etwas im Gourmetbereich gemacht. (Neu aufgepolsterte Stühle wären übrigens mein persönlicher Favorit!) Auch andere Gäste waren davon ohrenscheinlich überrascht. Damit fiel der Grund für meinen Besuch der Bornmühle eigentlich weg. Aber wat willste machen, jetzt saß ich nun mal hier in der zugegeben hübschen „Pampa“. Also: Augen zu - Mund auf!

Leider wird wohl auch die alte Weinkarte ausgetauscht. Viel zu vieles war „ausgetrunken“, Ersatz noch nicht in Sicht. „Eigentlich hätten wir schon eine neue Lieferung bekommen sollen.“ Nee, is klar. Die empfohlene Weißwein-Cuvee aus Valencia mit 70% der mir unbekannten Verdil-Traube hatte klare Holz-Töne und war ein guter Kompromiss zu meiner recht sprunghaften Wahl zwischen Menü und à la carte. Die auf dem Etikett suggerierte Euphorie

konnte ich allerdings nicht gänzlich teilen. Noch weiter sank die Begeisterung, als ein kurzer Blick ins Netz aufdeckte, dass die Flasche mit 35€ mit dem Faktor 5 (i.W. fünf) kalkuliert war. Pfui! Auf der Rechnung fand sie sich aber auch nicht. Bravo!

Darauf erst einmal (wenig) Campari mit (viel) frisch gepresstem Orangensaft (8€)

und einen Blick in die Runde: Während der blau und goldfarben dominierte (Frühstücks-)Innenbereich mit seinen Topfpflanzen für meinen Geschmack zu sehr ins möbelhauswohnzimmerhafte abrutscht

geht es im fast vollständig verglasten Wintergarten eher nüchtern zu

Immerhin wird die Beleuchtung als eye-catcher genutzt

Die sicher zur Förderung der Sozialkontakte recht eng gestellten dunklen Holztische waren mit einem breite Läufer bedeckt und mit nur wenig Deko versehen. 

Grüßte die Küche? Leider nein, sie lachte mir quasi ins Gesicht: Im Rustikalität vortäuschenden Stoffbeutel Baguette in der „Qualität“ von Supermarkt-Aufbackware. Aber in den ausliegenden Flyern vom guten Landbäckerbrot zum Frühstück schwärmen... Jetzt hatte ich aber die Faxen dicke! Nach einer mehr als deutlichen Ansage kam dann auch ordentlicher Ersatz

zusammen mit aufgeschlagener Salzbutter, die nur deutlich zu kalt war.

Mit dem zweiten Gruß konnte ich mich dann endlich entspannen.
Die gebackene Praline

war mit dreierlei saftiger Fischfarce gefüllt, innen saftig und außen knusprig. Dazu etwas Safranmayo und feiner Rotkohl, dessen Süße gut passte. 

Der zuerst georderte Salat

gefiel mit frischem, jungem Spinat und einem kräftigen Bärlauchpesto. Dazu kamen Parmesanhobel und ein festes Wachtelei. Zweiter Hauptdarsteller war ein regionaler Lammschinken, der einen interessanten, neuen Geschmack brachte, mir aber etwas zu dominant schien. Trotzdem alles passend. Warum nun aber südliche Paprika einen Gewinn für den Salat sein sollten, erschloss sich nicht ganz. Vielleicht eine süße Note, die mir aber nicht gefehlt hatte. Eher schon etwas Crunch, z.B. durch eine Rettich oder Radieschen.

Die folgende Leberterrine vom Kaninchen erinnerte mich in der Präsentation etwas an die Geometriestunde im Ambiente in Ludwigslust

Der Geschmack kräftiger als beim üblichen Geflügel, nur vom versprochenen Trüffel war nichts zu spüren. Dazu frisch geröstetes Brioche, da kann schon mal nicht soviel schief gehen, zumal das begleitende Birnen-Ingwer-Kompott mal eine neue Idee war. Eine erfrischende weniger, dazu hätte es mehr Mut bei der Schärfe gebraucht. Ganz daneben die sehr sauren Kräuterseitlinge, nur mit der wenigen Portweinsauce erträglich.

Die nächsten Teller kamen aus dem Menü - und hatten in der Tat deutlich mehr Klasse.

Der in Gin marinierte perfekte Beelitzer Spargel wurde von Müritz-Zander begleitet, dessen festes Fleisch durch rosa Pfeffer ganz leicht pikant schmeckte. Kaviar von Hecht und Maräne brachten leichte Salzigkeit und verschiedene Kräuter und Blüten eine angenehme Ätherik, die das Gin-Thema elegant aufnahm. Dazu erneut die süffige Safranmayonnaise.

Ein ganz fein überlegter und ausgeführter Teller, der das Beste aus heimischen Feldern und Seen auch optisch beeindruckend darbot. Chapeau, so macht mir regional großen Spaß!

Eigentlich als alternative Vorspeise hatte das Menü Strelitzer Maibock im Angebot. Nach dem guten  Einstand mit Spargel und Fisch wollte ich aber auf einen Leckerbissen aus den Wäldern nicht verzichten.
„Und wir wurden nicht enttäuscht!“
Das feine Reh-Filet gut angebraten, rosa, dazu zart im Geschmack und zwischen den Zähnen. Toller Wildgenuss. 

Ebenso die kräftig geröstete Petersilienwurzel, weich und süß, sehr lecker. Auch hier erzeugten Schnittlauchblüten eine leichte Schärfe. Die dunkle Morchelessenz vielleicht eine Spur zu salzig nach der Reduktion, aber ein ebenso wunderbarer Frühlingsbote wie der sautierte Spinat. Ebenfalls ein Teller, der der Küche Ehre machte!

Durch meine Freestyle-Bestellungen hatte ich die Doppelung mancher Produkte natürlich selbst zu verantworten. Und auch die rasanten Wendungen in der Menü-Folge.
So ging es dann gleichsam vom Strelitzer Wald wieder zurück an die Müritz, aus deren klaren Tiefen der Aal auf den Tisch kam.
Die Präsentation des Tellers erneut farbenfroh und detailverliebt.

Natürlich braucht man das alles nicht, selbst wenn man kein Purist ist, aber mal ehrlich: Macht doch gute Laune!
Der Aal wurde zunächst in Wurzelsud gar gezogen, dann geschichtet, paniert und ausgebacken. Das ergab ein knuspriges, saftiges, zunächst gar nicht mal so fettiges Umami-Vergnügen, das durch einige Stücke Räucheraal und natürlich die Avocadoscheiben mit rosa Pfeffer nicht magerer wurde. Die nun schon bekannte Safranmayo und Paprikapüree ergaben leckere Kombinationen, genauso gut der frische Limettenabrieb.

Um evtl. Beschwerden vorzubeugen legte ich nun ein Päus-chen ein und orderte einen Pimm‘s Cup No.1 (8€), der mit viel Minze, Gurke und getrockneter Orange eine sehr leckere Medizin war. Prävention geht vor!

Und auch der eigentliche Fleischgang überzeugte. 

Diesmal von der Weide waren sowohl das kurzgebratene Kalbsfilet als auch die offenbar stundenlang geschmorten Bäckchen unvorstellbar zart. Erste Sahne, ein Traum für Fleischliebhaber!
Die in Brösel gewendeten und ausgebackenen Kartoffeln verschmähte ich low-carb-mäßig weitgehend.
Nicht die Zuckerschoten, den Lauch und hübsch tournierte Mairübchen mit etwas Kräuterpesto: So geht Frühling und bestes „altmodisches“ Handwerk!

Nach den vielen, durchaus reichlich bemessenen Tellern war ein Dessert natürlich nicht mehr drin. Stattdessen der gebackene Ziegenkäse

mit einer tatsächlich mal knusprigen Decke mit karamellisiertem Honig und einem schön fluffigen Inneren. Der Thymian machte sich deutlich bemerkbar. Gehäutete Feigen und Walnüsse - frisch und „schwarz“ - waren gute Begleiter. Das war zum Abschluss noch einmal ein ganz feiner Teller. Dazu eine Auslese (7,9€), die ich mangels Notizen leider nicht mehr rekapitulieren kann.

Den Abschluss bildete ein zehnjähriger Port von Taylor‘s (5,5€), der mir das Dessert ersetzte.

Fazit:
Die Küche kann was, wirklich was. Ein klarer Schwerpunkt auf heimischen Produkten, erstklassig verarbeitet und mit Sinn für einen frischen Twist. Wohlfühlküche für Genießer und Genießerinnen mit Anspruch. Bei einem weiteren Besuch würde ich konsequenter auf das Menü setzen.

Aber ebenso klar ist für mich, dass Inhaber/Management die Bornmühle - Restaurant wie auch Hotel - konsequent auf Ertrag trimmen. Dabei ist leider vergessen worden, dies auch der Kundschaft mitzuteilen (meine Reservierung ausdrücklich für das Lisette wurde völlig schmerzfrei bestätigt) oder gar, das Preisniveau anzupassen. Für den sympathischen, ambitioniert arbeitenden Chef Torsten Räth, der sich am Ende des Abends unkompliziert zu mir setzte (und von der inzwischen zur Hochform aufgelaufenen Frau K. ungefragt seinen Feierabend-Espresso bekam) und sein Team tut es mir Leid. Dass er dieser Tage nicht der Einzige ist, den die Gesellschafter hängen lassen, tröstet wenig.
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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