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GastroGuide-User: Shaneymac
Shaneymac hat Bräustüberl in 82467 Garmisch-Partenkirchen bewertet.
vor 7 Jahren
"Weißblaue Tellergeschichten – von krachenden Schwarte-Bergen und dampfenden Käse-Seen"
Verifiziert

Geschrieben am 02.09.2017 | Aktualisiert am 02.09.2017
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Besucht am 22.08.2017 Besuchszeit: Abendessen 4 Personen Rechnungsbetrag: 125 EUR
Seufz, eine abermals in jeder erdenklichen Beziehung zauberhafte Woche in Garmisch liegt hinter uns und mit leichter Wehmut habe ich just die Fotos und Videos gesichtet und geordnet, die in jener entstanden und helfen werden, die schönen Erinnerungen aufrecht zu erhalten.

Bei einem Urlaub in heimischen Gefilden ist das Wetter erfahrungsgemäß ein nicht zu unterschätzender Faktor, auch dann wenn man nicht gerade mit vier pubertierenden Sprösslingen mit ADHS Syndrom einen Campingurlaub plant: eine Woche Nieselregen bei 14 Grad hat im Urlaub schon sonnigste Gemüter zu denkbar unchristlichen Flüchen beim morgendlichen Blick aus dem Fenster verleitet.
 
Um es kurz zu machen, ein jeder Tag war sonnendurchflutet und dabei nicht so unfassbar heiß wie im letzten Jahr, als selbst die Almkühe auf dem Wank gewerkschaftlich nach Sonnenschirmen und Planschbecken verlangten.

Ein kleiner Eindruck in Sachen Wetter soll reichen bevor wir uns der Kulinarik widmen, dieses Foto entstand nach einer meiner zahlreichen, eindrucksvollen hochalpinistischen Großleistungen beim elegant gemeisterten Talflug mit meinem neu angeschafften Wingsuit *räusper*:

Blick vom Osterfelderkopf auf Garmisch-Partenkirchen
 
Auch kulinarisch war die Woche wieder gespickt mit sonnigen Erfreulichkeiten, einige mehr als verschmerzbare Schönwetterwolken inklusive, aber die Tipps von Obacht! waren wieder eine mehr als sichere Bank.

Schon am ersten Abend sollte es ein Highlight geben: ein Besuch im regional-gehoben kochenden „Koch`s“ stand an, das ich schon im letzten Jahr mit positivem Resümee bedacht hatte und das auch diesmal nicht enttäuschte.

Am zweiten Abend aber freuten wir uns fast noch mehr auf das gemeinsame Abendessen, denn traditioneller konnte es schon laut Obachts Beschreibung dieses von ihr gerne besuchten Platzhirsches kaum werden, sei es im Ambiente oder auf der Karte.

Das stimmungsvoll illuminierte Gebäude atmet schon äußerlich Historie, der Außenbereich unter den tagsüber schattenspendenden Kastanien und Markisen machte auch zur abendlichen Stunde einen einladenden Eindruck.

abendliche Ansicht

Nah der Kirche liegt es, das Gasthaus aus dem 17. Jhd., so wie es früher üblich war, nicht nur, um zur „Leich“ kurze Wege zu gewährleisten, die Loisach fließt nur einen Steinwurf entfernt vorbei, eine Szene wie aus einer kitschigen Modelleisenbahn-Anlage, einfach herrlich.

Das alles gefiel uns so gut, daß wir das Bräustüberl zwei Tage später erneut alleine aufsuchten, daher hier eine Zusammenfassung beider Besuche.

Obacht hatte am Dienstag in der Stube reserviert, diese empfing uns mit schummrig-schöner Grundstimmung, einem prächtigen alten Ofen, Wandmalereien und lokalhistorischen Gemälden und Fotografien.

Die Stube

Das alles mutet nicht einen Hauch touristisch an, auch wenn es sicher das ist, was viele Touristen suchen und schätzen, aber es ist real und authentisch, da hängt eine kleine Sammlung Alt-Garmischer Bieretiketten neben Fotos von Trachtengruppen aus den 60er, 70er und 80er Jahren (laut Herrn Obacht die jeweiligen Wehrdienstleistenden des Jahrganges) und schafft ein stimmungsvolles Gesamtbild mit einem Hauch Heimatmuseum.

Und wäre bei unserem ersten Besuch nicht anfänglich ein lärmender Tisch Amerikaner anwesend gewesen, die mit ihrem nervigen, kaugummibreiten Akzent („I told ya the foood is aaaaaawesome!!!“) die akustische Lufthoheit behaupteten, hätte es auch ein Moment vor hundert Jahren sein können wenn man die Atmosphäre des Raumes entspannt in sich aufsog.

Zum allgemeinen Ambiente sagen meine Bilder hoffentlich mehr als 50 Zeilen über die Farben der verwendeten Hölzer, auch der beim zweiten Besuch auf der Flucht vor einem kurzen Hitzegewitter genutzte Saal im Untergeschoß wartete mit einem wunderschönen Ofen auf, war allerdings naturgemäß nicht ganz so gemütlich wie die urige Stube auf der andere Seite des Flures.

Der Saal

Der Service überzeugte an beiden Abenden auf ganzer Linie, eine bildhübsche junge Dame im Dirndl meisterte ihn souverän am ersten Abend, wir wurden rundum bestens versorgt, leere Gläser wurden sofort bemerkt, die Zufriedenheit unaufdringlich und freundlich erfragt, immer gab es ein natürliches Lächeln dazu.

Am zweiten Abend wurde diese Leistung aber nochmals übertroffen, ein Herr mit leichtem südosteuropäischem Akzent war mit Abstand das freundlichste, aufmerksamste und professionellste was mir in dieser Kombination jemals in einer touristisch geprägten Gegend in gut frequentierter Gastronomie begegnet ist.

Sei es das mehrfache Umsetzen auf der Terrasse auf seinen Vorschlag („Ist besser unter der Markise, der Regen kommt sicher gleich“), sein Hinterherräumen von Besteck, das Bemerken von leeren Tellern und Gläsern, besser kann man es nicht handhaben und mit Schaudern dachte ich an den Durchschnittskellner im heimischen Bergischen Land… 

Die online verfügbare Karte des Bräustüberls rekrutiert sich in erster Linie aus oberbayrischen Wirthausklassikern, affinen Fleischgerichten, eine Forelle blau oder Müllerin Art sind die einzigen Fischgerichte. Jedoch gibt es ständig wechselndes saisonales auf einer Wochenkarte, insgesamt sehr ansprechend und preislich in einem sehr, sehr zivilen Rahmen - zumal angesichts der gebotenen Qualität und handwerklichen Exzellenz:

http://www.braeustueberl-garmisch.de/index.php/speisenundgetraenke

Die Website kündet auch stolz von dem ein oder anderen Gastronomiepreis, was ich im Nachhinein mehr als nachvollziehen kann – und das bringt mich schnurstracks zu den verkosteten Köstlichkeiten:

Pfannkuchensuppe – 4,20 €

Pfannkuchensuppe

Ohne diese Suppe wäre Obacht! sicher nicht mehr unter uns, man munkelt in ihren Adern fließe Rinderbrühe mit Pfannkucheneinlage, was nach dem Genuss dieses alpenländlichen Grundnahrungsmittels im Bräustüberl auch mehr als verständlich ist.

Ich habe in dieser Woche in zwei anderen Restaurants Suppen gegessen, auf einer Alm in Österreich die gleiche, in einem anderen eine Leberspätzle Suppe und habe somit gewisse aktuelle Vergleichsmöglichkeiten.

Das Bräustüberl hat sie alle pulverisiert, alleine der Gedanke an den Duft dieser Suppe lässt mir das Wasser im Munde zusammenlaufen.

Die traditionell hergestellte Brühe wurde vorbildlich geklärt, keine Trübstoffe oder Fett störten das Auge, etwas feiner Schnittlauch erfreute es hingegen.

Schon ein erster Löffel lässt die Geschmacksnerven jubeln, diese salzig-herzhafte Intensität haben sie nicht erwartet, für an Tütensuppen gewöhnte Städter dürfte so eine Ausnahme-Brühe fast schon zu viel des Guten sein, aber wen kümmern schon Zeitgenossen mit industriell verkrüppelten Geschmacksnerven.

Die Pfannkuchenstreifen mussten sich optisch wie geschmacklich nicht verstecken, goldbraun gebräunt, fluffig und locker in der Konsistenz, im Gegensatz zur verkosteten Alm-Version in Österreich im Teig ohne frische Kräuter, was der Sache aber nicht den Hauch eines Abbruches tat.

Auch Madame war begeistert, zufrieden inhalierten wir schlürfend unsere Terrinen und genossen nach Kräften; dazu schmeckte ein regionales Kellerbier im eisgekühlten Steinkrug, der halbe Liter zu 3,40€.
 
Krustenbraten – 10,90 €

Der Schweinebraten kommt klassisch mit Blaukraut, aber das erinnert mich stets an Weihnachten und so bestellte ich auch dank der sommerlichen Temperaturen einen Speckkrautsalat dazu, was ohne Aufpreis möglich war und meine diesbezügliche Bitte wurde mit „aber gerne, selbstverständlich mein Herr“ beantwortet.

Was hätte ich in Solingen oder gar Hagen gehört? Entweder wortloses Nicken mit runtergezogenen Mundwinkeln à la Kanzlerin oder ein lustloses Grunzen gefolgt von der genervten Nennung eines Aufpreises für diese unfassbar impertinente Störung des Betriebsablaufes…

Speckkrautsalat

Der Salat kam vorab und mundete hervorragend, säuerlich süßer Grundgeschmack, der Speck nicht zu dominant mit schöner Rauchnote, dazu der obligatorische Kümmel in ebenfalls idealer Dosierung, so schmeckt Bayern.

Unsere rustikalen Hauptgerichte kamen gleichzeitig auf den Tisch – auf hervorragend vorgewärmten Tellern wohlgemerkt – und alleine der Anblick der separat vom Fleisch unter dem Salamander aufgeknusperten Schwarte  meines Bratens ließ mein Karnivoren-Herz spontan höher schlagen.

Krustenbraten
 
Wer gerade nicht an akuter Unterzuckerung leidet, kann anhand meines kleinen Videos hier gerne nachvollziehen, wie eine solche Kruste klingen kann und sollte, ich habe selbstlos den Anschnitt gefilmt und für euch hochgeladen (bitte laut machen!):

https://youtu.be/yYQf9WCxSKM

Das Fleisch war für einen Krustenbraten geradezu butterzart und zusammen mit der kräftigen, in der Konsistenz bratensoßentypisch etwas dünnen Sauce ein absoluter Hochgenuss, in der Sauce neben Aromen von Wurzelgemüse und mit der Schale angebräunten Zwiebeln auch hier etwas Kümmel im Spiel, ein Hauch von Senf summte im Hintergrund mit. 

Ich bin kein Kloßfan und werde daher von Obacht! mitunter misstrauisch beäugt, diesen mit Nussbutter übergossenen Kartoffelkloß hier habe ich mit Wonne und großem Appetit verschlungen, die Konsistenz war einfach wie aus dem Bilderbuch, nämlich locker luftig - nicht schleimig oder pappig wie der NRW-Standard- Gastrotrauerkloß.

Madame war der Sinn nach Leberkäse und war ebenso begeistert von ihrer ebenfalls „filigran“ auf den Teller gezauberten bayrischen Cusine in Reinform: Gebräunter Leberkäs unter dem Spiegelei mit lauwarmem Kartoffelsalat auf Bratensauce.

Gebräunter Leberkäse 
 
Cordon Bleu – 14,90€

Nicht gerade traditionell aber für mich ein ganz persönlicher Alpenklassiker! Denn wenn ich an hiesige Urlaube in der Kindheit denke, dann war dies eines der Gerichte, das aus einem schönen Tag einen noch schöneren zauberte - die Kombination aus kräftigem Bergkäse, gutem Schinken und zartem Fleisch von Kalb oder Schwein war schon immer einer meiner Allzeit-Klassiker.

Zum blauen Band orderte ich noch einen kleinen gemischten Beilagensalat, der mit 3,90€ zu Buche schlug und dafür mit bemerkenswerter Frische überzeugte. Seine Zusammenstellung überraschte nicht, etwas Feld- und Eichblattsalat, etwas Rot-….Pardon, BLAUkraut, ein Stück Gurke und Tomate, dazu eine mir persönlich etwas zu lieblich anmutende Vinaigrette.

Das bald darauf servierte Cordon Bleu aus der Schweinelende wird hier mit Pommes Frites gereicht, jene verströmten einen appetitlichen Duft dank wahrscheinlich täglich gewechseltem Fett.

Der Teller war auch in diesem Fall sehr gewissenhaft vorgewärmt worden und das sorgte dafür, daß die „Sättigungsbeilage“ auch nach einiger Zeit noch warm und appetitlich war – warum machen das nur noch so wenig Lokale???

Ein beherzter Schnitt durch den Hauptdarsteller sorgte für eine wahre Sintflut an geschmolzenem Käse und der Geruch, der dem darob ekstatisch beglückten Kritiker dabei in die Nase strömte war - um es vorsichtig zu formulieren - „hinreichend appetitanregend“.

Cordon Bleu

Hoch zufrieden kämpfte ich mich selig durch das Gericht, dazu wieder das süffige, eiskalte Kellerbier aus der Brauerei Kaltenberg, wie trällerte unlängst einer der deutschen Plastik-Pop-Poeten: „wer friert uns diesen Moment ein?“

Ich finde, ein gutes Cordon Bleu bei aller Einfachheit gar nicht so trivial, gute Zutaten garantieren keine solche Zubereitung und wie oft erhält man staubtrockene Klumpen mit geschmacksneutraler Füllung, gerne ist der Käse noch fest, es gibt viele Fallstricke die hier alle umschifft wurden.
 
Apfelkücherl mit Vanillerahmeis – 6,50€

Apfelkücherl

Das ich mir nicht viel aus Desserts mache und im Tausch gegen einen vollreifen Epoisses jedem Koch seine Valrhona Schoko Fantasie wieder als Frisbee in die Küche zurücksende erwähne ich ja mit stoischer Penetranz in jeder zweiten Rezension.

Aber für alles mit Teig, Apfel und Zimt im warmen Zustand würde ich morden, ein Apple-Crumble mit Vanille-Eis oder Custard ist einer meiner absoluten Winter-Dessert-Lieblinge.

Der Duft den die Küchlein beim Servieren verströmen nötigten Madame neben der ohnehin hübschen Anrichtung ein respektzollendes Raunen ab.

Die im tiefen Fett – ich nehme an Butterschmalz - ausgebackenen Küchlein hatten eine schöne goldbraune Farbe und die dabei entstandene Kruste hatte eine leicht knusprigen Konsistenz, der Teig selber war locker und nicht übersüßt.

Die gewählten Äpfel hatten eine schöne, spürbare Säure und zusammen mit dem Vanille-Rahmeis und der erfreulich steifen Sahne war jeder Bissen ein gut ausbalancierter Hochgenuss, ich mag es nicht wenn alles in Zucker untergeht.

Die kleine Deko-Garnitur aus bemerkenswert frischen Beeren war ein willkommener farblicher und auch geschmacklicher Akzent, eine Erdbeere war der Schlussakkord in einem bayrischen Traditionsmarsch erster Güte und ich war an einem Punkt, an dem ich mich fühlte wie Monty Python’s Mr. Creosote; sehr glücklich wohlgemerkt.
 
Fazit

Professionell geführtes Traditionslokal mit höchst anständiger Küchenleistung, die man so zu diesem Preis lange suchen muss. Die Küche hat mich mehr als überzeugt, ich werde hier gerne jederzeit meine bajuwarischen Teller-Gelüste befriedigen, wenn ich wieder im Ort bin.

Der Service stand der soliden Küche in Nichts nach und trotz allem Tourismus hatte man nie das Gefühl, wie ein lästiger Einmalgast behandelt zu werden – wobei sicher erwähnt werden muss, daß ich meine Metal-Fan-Shirts im Schrank ließ, ich hörte auf dieser Website, dies könne problematisch sein in Bayern. :-D

Das Ambiente, ja mei, scheh woars do herinnen, uns hat es sehr gut gefallen, sei es in der Stube, im Saal, oder unter Kastanienbäumen vor dem Haus. Der Gedanke, daß hier schon vor 200 Jahren Menschen saßen, tranken und feierten gefiel mir gut und mit Grausen dachte ich bei der Gelegenheit an das Erlebnis in einem Mettmanner Industriegebiet, das ich in meinem letzten Machwerk verewigt habe.

Das Preis-Leistungsverhältnis möchte ich mit viereinhalb Sternen bewerten, weil ich den kleinen Beilagensalat mit vier Euro im Verhältnis zu den restlichen Preisen einen Hauch zu teuer fand, aber das ist wirklich fast Haarspalterei.

Klare Empfehlung, hier macht man nichts falsch und die Tatsache, daß viele Einheimische unter den Gästen waren spricht sicher auch für sich.
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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