Restaurant Jägerruh
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Schwerter Straße 67, 58099 Hagen
Restaurant Biergarten Partyservice
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GastroGuide-User: Shaneymac
Shaneymac hat Restaurant Jägerruh in 58099 Hagen bewertet.
vor 9 Jahren
"Tempic miscet tristitia laetic – Licht und Schatten bei alteingesessenem Balkan-Restaurant"
Verifiziert

Geschrieben am 26.07.2015 | Aktualisiert am 26.07.2015
Besucht am 23.07.2015
…und damit herzlich willkommen zu einer durch und durch Bernie kompatiblen Mittagspause in Hagen!

Da Temperatur und Luftfeuchtigkeit an diesem Donnerstag subtropische Dimensionen zur Abwechslung wieder verlassen hatten, regte sich bei mir Appetit nach ungesunden, mit positiven Erinnerungen besetzten Dingen aus Pfanne und Fritteuse.

„Richtig gut essen ist bei uns schwer, aber ein paar gute Jugoslawen gibt’s!“ ist eine Aussage, die ich in den vergangenen zwölf Monaten nicht nur einmal von Hagenern vernehmen durfte, höchste Zeit also, diese Aussage einmal selbstlos zu überprüfen.

Am „Haus Jägerruh“ bin ich schon oft in der Mittagszeit vorbeigefahren, was mir dabei bisweilen auffiel war, daß ich recht häufig Gesellschaften am Restaurant bei der An- oder Abfahrt beobachten konnte, unter ihnen Trauerfeiern als auch Hochzeiten, womit ich nun auch endlich einen ersten thematischen Bezug zum wie immer bemüht witzigen Titel dieser Kritik herstellen kann. Das Lokal liegt an einer langgezogenen Kurve der Schwerter Straße, sieht man vom gelegentlichen Verkehrslärm ab ist die Lage fast schon ruhig und grün zu nennen, aber das ist in Hagen fast überall der Fall, sollte man sich abseits des absurd hässlichen Stadtzentrums bewegen.
 
Das Parken ist tiefenentspannt zu erledigen, vor dem Restaurant gibt es ca. 10 Plätze und auf der anderen Straßenseite einen weiteren dem Lokal zugehörigen Stellplatz mit sicher nochmals 30-50 Plätzen, sicher ein großer Pluspunkt für viele ältere Semester die lange Fußwege oder nerviges Rangieren in Seitenstraßen wenig schätzen.

Ich erklomm die Stufen zur Terrasse auf der linken Seite des Gebäudes und erblickte zur Rechten einen hübsch gemachten Eingangsbereich mit Blumenarrangement, einen blitzblanken Standaschenbecher und helle Farben – ich war überrascht, normalerweise erschlagen einen die Rundbogen-Jugoslawen ja schon im Entrée mit Gelsenkirchener Barock und Eiche rustikal.

Aufgrund der schönen Witterung entschied ich mich aber für ein Plätzchen auf der Veranda, obwohl ich die an einigen Stellen mannshoch aufgetürmten Sitzkissen wenig schön fand, vielleicht lästig aber wenn man die Außengastronomie für Gäste öffnet sollte man diese auch nett herrichten und die Kissen ihrer Bestimmung zuführen - ansonsten war auch dieser Bereich gut gepflegt.Ich okkupierte einen Tisch auf der der Straße zugewandten Seite unter einer hölzernen schattenspendenden Bedachung und wurde umgehend von einem in schwarze Hose und weißes Hemd mit Fliege gekleideten Kellner um die dreißig bemerkt und mit der Karte versorgt.

In diesen Häusern hat das ja oft Tradition, die klassische Kellnertracht des Service und ein je nach Location in Loriot-hafte Dimensionen gleitender Habitus von weltmännisch-devoter KuK Service-Kultur der als mein persönliches Highlight gerne darin gipfelt, die Grillplatten vertilgenden Teutonen mit „Madame und Monsieur“ anzusprechen - vielleicht auch ein Zugeständnis an die in diesen Häusern unvermeidliche Rubrik "internationale Gerichte" in der Karte.
 
Monsieur S. stand also vor der schwierigen Entscheidung, entweder etwas von der Mittagskarte zu wählen und in den Genuss der in diesen Lokalen dabei üblichen Vorsuppen, Beilagensalate und Desserts zu kommen, oder die Standardkarte zu bemühen.

Da ich im Vorfeld eine Art Grillteller-Tunnelblick entwickelt hatte und die kleine Mittagskarte mit vier Positionen u.a. 2x Schwein mit Jägersoße und einmal Muckalicazu bieten hatte, fragte ich ob Suppe und Dessert auch bei einer Wahl aus der Abendkarte inkludiert wären was man freundlich und fast schon entrüstet bejahte - als ob man mich Mittags ohne Vorsuppe bekochen würde, welch ein abwegiger Gedanke. :-) In Gedanken an Bernie wählte ich das bewährte „Halb und Halb“, das man auch als „Pola pola“ auch hierzulande auf den meisten einschlägigen Karten finden kann - vier Cevapcici und ein Ražnjići sollten einen guten Eindruck der Küche vermitteln können.

Dazu ein Bitter Lemon (0,2l zu € 2,20), das nach wenigen Minuten gut gekühlt in der 0,2l Flasche vor mir stand, der Kellner schenkte in das mit einem frischen Zitronenachtel bestückte Glas ein und verschwand mit einer leichten Verbeugung wieder im Gebäude.

Am Nachbartisch hatte sich derweil eine überaus betagte Dame mit ihrem Sohn zum Essen eingefunden, witziger Weise passten ihre lebendigen Schilderungen aus ihrer Kindheit in den zwanziger Jahren irgendwie zum leicht anachronistischem Gebaren und Erscheinungsbild des Service.
 
Nur wenige Minuten nach meiner Bestellung schwebte auch schon meine

| Vorsuppe |

heran, etwas unschön empfand ich hierbei auf den ersten Blick die doch mit deutlichen Gebrauchs- und Abnutzungsspuren versehene Suppentasse, es wäre schön gewesen wenn sich die Nostalgie nicht auf das Geschirr übertragen hätte.Die angenehm heiß servierte Suppe selbst entpuppte sich als Broccoli-Cremesüppchen und roch entsprechend dumpf-gemüsig-brühig. Ein paar selbstgemachte Croutons hätten das Ganze sicher noch etwas aufgewertet, denn geschmacklich täuschten die olfaktorischen Eindrücke mitnichten: salzige Brühenoten, das recht eindimensionale Gemüse kam durch, das war es dann aber auch.

Man muß allerdings positiv erwähnen, dass die Suppe definitiv hausgemacht war und die Tatsache, daß ich nicht nachwürzen musste ist in einem Restaurant mit vielen älteren Gästen auch ein großes Plus.

 | Salat |

Da das Mittagsangebot vollmundig als „4 Gang Menü“ übertitelt wird, serviert man den Salat vor dem Hauptgericht, ein genialer Schachzug! :-)

Dieser könnte rein optisch in ein Lehrbuch für alle Balkanrestaurants der Republik Einzug halten: sehr milder Krautsalat, etwas Karotte, ein gechopter Blattsalatmix, etwas Tomate und Gurke als dekorativer Farbklecks, obenauf Joghurt Dressing. Letzteres war geschmacklich zwar sehr unauffällig, aber auch hier ist positiv zu vermelden, daß es nicht aus dem Glas stammt, so zuckerarm ist kein Convenience Dressing und auch die Emulsion wäre aufgrund von industriellen Wundermitteln stabiler gewesen.

| Hauptgericht |

„Halb und Halb – 4 Cevapcici, 1 Spieß, Djuvec Reis und Pommes frites“ – 10,50 €

Der in Ehren ergraute, identisch gekleidete Kollege meines jungen Kellners servierte nicht minder galant meinen zeitlosen Teutonentraum aus den fetten Jahren der Nation und ich möchte wetten, daß sich unter den Herren der Schöpfung kaum einer findet, der zu bestimmten Gelegenheiten bei einem solchen Anblick nicht entzückt die ein oder andere Augenbraue hebt.

Einen Holzkohle-Grill hat man nicht, allerdings roch das Grillgut auch so recht gut, wenn auch schon jetzt von den Pommes Frites eine gewisse „maritime Note“ ausging. Da ich zunächst immer separat probiere, waren die Cevapcici zuerst fällig, diese waren gut gegart und schmackhaft, dabei angenehm in der Konsistenz, hätten aber gerne mutiger gewürzt sein dürfen.

Die Sättigungsbeilage hatte leider tatsächlich einen ganz leichten Fischgeschmack, was auch zur Abwertung führen wird, schade denn ansonsten waren es in jeder Beziehung wirklich gute Pommes Frites.

Der Djuvec Reis hat mir nicht gut gefallen, auch wenn man ihn natürlich nicht gerade mit Arborio zubereitet, wäre eine etwas saugfähige Sorte besser gewesen. So fand sich recht bissfester Reis in einer – auch geschmacklich - recht dünnen Gemüsesauce wieder, der ohne die Aufnahme der selbigen noch neutraler wirkte, zudem kaum Gemüse zu finden.

Das Ajvar mit den rohen Zwiebeln war gut und eher mild, ich denke hier hat man Convenience bemüht, was ich in diesem Fall allerdings auch völlig in Ordnung finde.

Enttäuschend weil fast gänzlich naturbelassen war das Ražnjići vom Schweinenacken, gut gegrillt war es allerdings, wobei ich es gerne noch etwas dunkler mag um das Fett auszulassen.

Ich mag diese Spieße sehr gerne kräftig gewürzt und mit Stücken von durchwachsenem Speck versehen der auf dem Grill köstlich wird, hier wie gesagt nur flache Quader vom Nacken mehr oder weniger „au naturel“.

Schade, das begehrte „Bernie approved“ Siegel kann ich hier leider nicht vergeben, satt gemacht hat es natürlich!

| Dessert |

Das erinnerte mich optisch etwas an meine Kur im Herbst, eine Schaumspeise im Glas mit Fruchtkompott und Sahne, naja warum nicht, kann ja auch gut schmecken!Ob hier Hilfsmittel benutzt wurden kann ich nicht beurteilen, jedoch hat man es mit Sorgfalt zubereitet, keine Klümpchen oder matschige Konsistenz, eine gut gekühlte, recht luftige Vanille Creme mit einer Kirschzubereitung und hinreichend steifer Sahne obenauf.

Sicher etwas, das eine gute Kantine ähnlich servieren würde, aber zu diesem Preis sicher ein mehr als akzeptables Dessert für Leute, die auf dem Boden geblieben sind und wissen, was man wo zu erwarten hat.

Bei der Bezahlung und sehr freundlichen Verabschiedung beim bzw. durch den älteren der beiden Kellner merkte ich freundlich die leicht „maritime“ Note der Pommes an, er hielt kurz inne und meinte verlegen es könne vielleicht sein, das man kurz vorher vielleicht Fischstäbchen zubereitet habe und das er es sofort weitergeben wolle.
 
Keine Frage, der Service war wirklich klasse und hilft sicher vielen über ein gewisses Mittelmaß der Küche hinwegzusehen.
 
Fazit

Tja, schwierig, ich glaube schon, daß die Küche in der Lage ist, etwas detailverliebter zu kochen. Aber wenn in den vielen Jahren und Jahrzehnten, in denen diese Lokale die gleiche Karte fahren, sich der immer gleiche Trott einschleicht und die Gäste trotzdem kommen, warum soll man sich das Leben schwerer machen als nötig?

Ich habe schon schlechter gegessen in Balkan-Restaurants, aber auch bedeutend besser, die Qualität der Zutaten war gut, die Zubereitung jedoch eher ein wenig lieblos, ohne daß ich hier auf dem Beigeschmack der Pommes herumreiten will gebe ich unter dem Eindruck des günstigen Preises für die drei Gänge 2,5 Sterne für das Essen.
 
Der Service war aufmerksam, schnell, präsent und überaus höflich, das kann gerne so bleiben, hier aus Überzeugung 4,5 Sterne.

Das Ambiente auf der Terrasse eher durchschnittlich, zusammen mit den positiven Eindrücken des Innenraums komme ich auf 3,5 Sterne, hier kann man sich durchaus wohlfühlen.
 
Das PLV sehe ich bei 3,5 Sternen, sodaß ich in Summe nach Küchenreise auf eine 3 komme – wenn es sich ergibt wieder, dann aber hoffentlich noch vor meiner eigenen Trauerfeier. :-)

(1 – sicher nicht wieder, 2 – kaum wieder, 3 – wenn es sich ergibt wieder, 4 – gerne wieder, 5 – unbedingt wieder - nach "Küchenreise")
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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