Alte Friesenstube
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Gaadt 4, 25980 Sylt
Restaurant Festsaal
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GastroGuide-User: hbeermann
hbeermann hat Alte Friesenstube in 25980 Sylt bewertet.
vor 8 Jahren
"Die alte Friesenstube, das älteste Friesenhaus der ganzen Insel"
Verifiziert

Geschrieben am 29.06.2016 | Aktualisiert am 29.06.2016
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Besucht am 28.06.2016 Besuchszeit: Abendessen 2 Personen Rechnungsbetrag: 154 EUR
Der Außenbereich vor dem großen Haus ist recht ansehnlich, die beiden Vorgärten rechts und links des Eingangs, sind mit Friesenwällen eingefasst (Natursteine, Erdkern, Gras und Rosen auf der Oberkante). Drei riesige quadratische Marktschirme spenden bei Bedarf Schatten.
Das Haus von 1648
1648 wurde das Haus erstmals erbaut aus Ton und Muschelkalk. Seitdem ein wenig verstärkt und modernisiert. Ursprüngliche Teile sind aber noch an vielen Stellen gegenwärtig, vor allem die Holzbalkendecke, Bretter und Türen, denen man die 350 Jahre ansieht. Auch ein paar Teile aus der Zeit des wachsenden Wohlstandes durch Strandräuberei (Anlocken von Schiffen mit falschen Leuchtfeuern, Erschlagen der Besatzung und Ausräumen des Bootes) finden sich. Alle alten Teile sind lichtgrau gestrichen und haben viele Risse.
alter Gastraum
Die jetzige Betreiberfamilie hat das Haus 1980 übernommen, nachdem es schon von 1955 bis 1976 eine Gaststätte beherbergt hatte. Nach 1976 sollte das Haus eigentlich abgerissen werden.
alte Fliesen
Durch eine typische doppelflügelige Friesentür betritt man den Gastbereich und kommt gleich zu dem Herrn am Stehpult mit dem großformatigen und sehr dicken Reservierungsbuch. Übersicht über die Besetzung hat man nur im Außenbereich (um 18:00 Uhr halb voll). Innen ist das große Haus in multiple Stuben unterschiedlicher Größe und Höhe zergliedert. Wir werden in eine kleine mit 2,10m Deckenhöhe und 1,7m Türhöhe geführt. Unser Tisch ist komplett eingedeckt in weiß mit zwei brennenden Kerzen, Blumen, Solex Lena-Besteck in Hammerschlagoptik, blütenweißen dicken Servietten mit wertigem Ring, blauen Wassergläsern, zwei Minimühlen und modischen Weingläsern. Die Holzstühle haben Sitz und Rückenpolster und sind langzeittauglich. Der Raum hat drei  Zweiertische mit hinreichendem Abstand. Die Tischgröße ist für zwei reichlich bemessen. Die Wände tragen meist die klassischen historischen blauweißen Fliesen aus der Gründerzeit. In einer Raumecke steht ein alter weißer Ofen mit vielen Verzierungen. Jede freie Stellfläche trägt Flaschen mit mehr oder weniger edlen Spirituosen. Insgesamt ist die Atmosphäre recht gemütlich.
Tageskarten lagen auf dem Tisch, Haupt- und umfangreiche Weinkarte wurden uns gebracht. Unser erster Wunsch ist dem geneigten Leser ja bekannt. zweimal Taittinger weiß zu je 12,50 und eine Flasche Magnus feinperlig zu 7,00. Der Getränkekellner trainiert Tag für Tag intensiv seine langen Rückenstrecker. Der arme Kerl hatte wohl seine 1,95, verbeugte sich also tief beim Durchschreiten der alten Türen. Er brachte den gut gekühlten Champagner (4 °  Weinkühlschrank).
Stube mit altem Ofen
Die junge Dame, die uns bediente, war sehr aufmerksam und hinreichend geduldig. Nach unserer Zufriedenheit fragte sie oft, aber nicht zu oft. Nur der Bezahlvorgang zog sich ein wenig in die Länge.
Ein Amuse gueule gab es nicht.

Unser Essen war recht teuer, aber gut. Der Koch hat ein ungewöhnlich gutes Gefühl für Harmonien und ein perfektes Säure-Süße-Gleichgewicht. Das ist selten und heraus ragend. Der Feldsalat meiner Frau mit Croutons, Speck, Kartoffelvinaigrette und unerwünschten Tomatenwürfeln war kleinblättrig und in Erde gewachsen (bei dem Rest, den ich vertilgen musste, gab es drei Knirscher zwischen den Backenzähnen, 10,50). Meine Tatarvariationen mit Friesenbrot (man merkt die Nähe zu Dänemark) zu 15,50 waren sehr gut. Matjes ist leicht, aber Rind und Thunfisch mit Algen und Avocado und enorm vielfältigen Salatbouquet waren perfekt angemacht, wie man es selten bekommt. Es läuft unter Tatarvariationen vunt Rind, Matjes un Tuna-Avocado op gröstenen swatte Freesenbrood.
Tatar vunt Rind,Matjes, Tuna
Aus Gründen des maßvollen Alkoholkonsums nahmen wir dazu einen offenen QbA von der Mosel, der trinkbar war (8.-), meine Frau danach noch ein rotes Hauscuvée (auch 8.- für je 0,2), und ich ein Drittel Erdinger Weißbier ohne Alk zu 3,50.

Als Haupgericht wählte meine Frau die haalv braaden Aant (halbe gebratene Ente)  mit Schüü, Kantoffelklüten un Rotkruut (Jus, Kartoffelkloß und Rotkraut) zu 23,50. Die beiligende Birne war angeschmort und mit einer hausgemachten Preiselbeersoße gefüllt. Knusprigkeit der Ente und Fleischqualität waren exzellent. Um mich nicht über 53 oder 54 Grad Kerntemeparatur bei medium rare ereifern zu müssen, nahm ich mein Rindertatar gleich roh und mit in der gebutterten  Pfanne geröstetem Friesenbrot und streichfähiger Butter. Wieder gab es ein große Nocke französischer Creme fraiche, ein Häufchen sehr feiner Zwiebeln und eines aus Schnittlauchröllchen (220 g für 25,50). Das war  toll und sättigend. Ich mag gar nicht daran denken, wie gut ein solches Tatar in Frankreich oder Italien mit weniger dänischem Brot geschmeckt hätte.
220 g Tatar vunt Rind
gröstete Freesenbrood un Bodder
Den Abschluss bildeten mit Mascarponecreme gartinierte Erdbeeren zu 10,50 (überzahlt). Unsere beiden Schalen hatten die Lötlampe offenbar sehr unterschiedlich lange genossen. Meine hatte am oberen Rand vielleicht 60 Grad, die meiner Frau reichte für Verbrennungen (was meine Frau natürlich ausprobieren musste).

Vielleicht gehen wir es beim nächsten Mal gleich etwas sparsamer an: Winzersekt statt Taitinger (wohl eher nicht), Bier zum Essen und Suppen als Vorspeisen, Dessert lieber zu Hause.

Dann: nach Küchenreise die 5, also unbedingt wieder.
 
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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