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GastroGuide-User: DerBorgfelder
DerBorgfelder hat Mahn's Château in 06108 Halle an der Saale bewertet.
vor 6 Jahren
"Uneingeschränkt empfehlenswert - unbedingt unterstützenswert!"
Verifiziert

Geschrieben am 13.10.2017 | Aktualisiert am 14.10.2017
Besucht am 04.08.2017 Besuchszeit: Abendessen 1 Personen
Nach meiner Premiere in Rostock war ich nun auch das erste Mal in Halle (Saale), hier aber bei sonnigem, wenn auch windigem Wetter. Im Altstadtkern stehen mehr Bausünden als erwartet, aber das 5-Türme-Panorama von Rotem Turm und Marktkirche ist schon pittoresk. Und vom Westportal sind es nur wenige Schritte zum ausgewählten Ort der abendlichen Gaumenfreuden.

Sternerestaurants sind ja in ganz Sachsen-Anhalt Fehlanzeige und auch sonst halten sich die einschlägigen Führer mit Empfehlungen stark zurück. Mit gelegentlichen Unterbrechungen wird aber MahnS Château im ehemaligen Umspannwerk auf dem Hallmarkt erwähnt. Und in der Tat könnte die wuchtige Architektur

auch als Schloss oder besser Trutzburg durchgehen. Der Standort ist gut gewählt. Nach vorne ein kleiner Platz mit dem Drachenbrunnen. Und von der Terrasse hat man einen weiten Blick über den langen Marktplatz mit seinen fein renovierten Gründerzeitfassaden. Trotz stürmischer Böen habe ich hier lange verweilt und fasziniert die wechselnden Lichtverhältnisse von der Abendsonne bis zum Vollmond genossen

Das Außenmobiliar unter den großen Sonnenschirmen mit Brauerei-Werbung ist eher einfach, Alutische mit Holzimitat, auch die Stühle sind aus dunklem Metallrohr mit grobem Kunststoff-Flechtgewebe. Das gar dünne Sitzkissen konnte ich mit einem beherzten Griff zum Nachbarstuhl verdoppeln. Immerhin liegt reelle Tischwäsche auf und das Besteck ist solide. Die sparsame Deko tat als Sicherung der Tischdecke gute Dienste


Drinnen geht es hochwertiger zu.
Der Raum ist dreigeteilt. Für Gruppen gibt es eine Empore. Der vordere Bereich ist für den Mittagstisch gedacht.

Auf dem dunklen glatten Fußboden stehen (nur jetzt am Abend?) blanke Holztische, auch lange Tafeln. Davor in Details unterschiedliche, helle Holzstühle. Hier soll unkompliziert geschmaust werden.
Hinter mächtigen neo-romanischen Steinbögen

liegt der Gourmetbereich. Auf dem Parkett dunkles Holzmobiliar, die Tische weiß eingedeckt. Bunte Blümchen setzen einen angenehmen Farbakzent. Interessant anzusehen die lange Bank aus Holzlatten unter einem großen Spiegel. Das passt gut zum hellen Mauerwerk und schafft doch eigene Akzente

In allen Bereichen bis hin zu den Toiletten

ist moderne Kunst sparsam, aber effektvoll eingesetzt. Das gilt auch und besonders für die Lampen. Frau Mahn, die Mutter des Küchenchefs klärte mich auf, dass die Innenraumgestaltung in enger Zusammenarbeit mit der Kunsthochschule Burg Giebichenstein erfolgte, deren meist zugereiste Professoren ebenso wie solche der Universität einen Teil der Stammkundschaft ausmachten. Auch Touristen würden häufig kommen, insofern begrüße man das neu eröffnete Hotel vis-a-vis des Platzes sehr. Den Einheimischen fiele es schon schwerer, hier einzukehren, was etwas mit der Wirtschaftskraft zu tun habe. Nachdem man jahrelang den Mittagstisch mit Suppe und Dessert angeboten habe, gebe es seit letztem Jahr zum unveränderten Preis nur noch das Hauptgericht. Sofort sei der Besuch um über ein Viertel zurück gegangen. Man könne auch nicht mehr das Menü auf der Homepage veröffentlichen. Wettbewerber hätten gleichlautende Gerichte mit einfacheren Produkten billiger angeboten, worauf sich Gäste bei Mahns beschwerten.
Es scheint nicht einfach zu sein für hochwertige Gastronomie in Halle (Saale).

Wobei das nach der Leistung dieses Abends für mich völlig unverständlich ist.
Neben Frau Mahn umsorgt mich ein junger Mann, der sicher zum pfiffigsten gehört, das mir seit langem unter gekommen ist. Authentisch freundlich, offen, interessiert, aufmerksam, flink, vor allem mit- und vordenkend, was die Zufriedenheit des Gastes betrifft. Zudem schon mit einigem Produktwissen und den Anforderungen an gehobenen Service vertraut, auch wenn das zweite Gedeck nicht ausgehoben wird. Dafür war die Weinberatung engagiert und mit Überlegung. Umso erstaunlicher, dass der junge Mann bisher nicht vom Fach ist, sondern wunderbar angelernt. Und wie erfreulich und überaus passend, dass er gerade sein Studium abbricht, um Restaurantfachmann zu werden. Nach einem Bericht der Regionalzeitung im Netz offenbar nicht der Erste. Famose Leistung, vielen Dank dafür!

Alexander Mahn, setzt einen Schwerpunkt auf Kobe-Beef, das auch als einziges Menue des Hauses angeboten wird. Mir stand der Sinn nach Kreativerem und ich wählte daher à la carte. Kein Problem, die Größe der Gänge wurde angepasst. Zudem verlässt man sich nicht nur auf die heimischen Erzeuger und auch nicht auf (wenige) bekannte Winzer wie Proschwitz, Tesch oder Pfaffmann. Statt Urlaub machen Mahns Einkaufsreisen, von denen sie Produkte und Weine mitbringen. Die letzte Tour ging in die Provence, wie schön.

Beim Stöbern durch die Karte ließ ich mir den empfohlenen leichten Rieslingsekt von der Unstrut schmecken. Derweil grüßte die Küche mit einem feinem Probierlöffel

Gebeizter Hirschschinken mit Rotweinzwiebeln. Wunderbar austariert, erst die Zwiebeln mit Biss und Rotweinaroma, gegen die der Schinken aber natürlich gut bestehen kann. Erst fast mild, setzt sich zuletzt Salz und Wildgeschmack intensiv durch. Nicht alltäglich, mit Nachdenken kreiert und exakt ausgeführt, so soll es sein.

Ich startete mit einer angenehm cremigen Entenleber, die - neu für mich - mit sehr dunkler Valrhona-Schokolade geschichtet war

Die leicht salzige, feine Bitternote gefiel mir erst gut, trat aber nach und nach zu sehr in der Vordergrund. Da taten die Variationen der reifen Aprikosen vom Markt in Apt mit ihrer süßen Frucht gut. Trotzdem blieb bei dieser an sich klugen Komposition eine leichte Unausgewogenheit.
Klassische Begleitung durch den unklassifizierten Sauternes 2011 von Eschenauer, der mir etwas zu spitz im Abgang war.

Weiter ging’s mit einem Kracher, hinter dem man zumindest farblich eine Hommage an Italien vermuten könnte
 
In der ungemein fruchtigen Gazpacho von Walderdbeeren ein erfrischend säuerliches Basilikum-Zitronen-Sorbet. Dazu Raspel von wohl gefriergetrockneten Tomate, sehr intensiv. Stark. Als Bett für das Kräuter-Eis diente gezupftes Fleisch von der Schneekrabbe (Gepulte Krabbe = pulled crab? Macht Sinn...). Sollte das tatsächlich anstelle von Burrata etc. weiße Farbe bringen? Geschmacklich hatte es das feine (teure) Krustentier jedenfalls denkbar schwer.

Zum nächsten Gang gab es einen südfranzösischen Maccabeu blanc von der Domaine Grier ins Glas. Ein Wein, den ich erst zum zweiten- oder dritten Mal getrunken habe. Er hatte einen leichten, angenehmen Petrolton und eine gute Struktur, die er beim hausgebeizten Müritzhecht 

auch brauchte. Begleitet wurde der eher selten angebotene Süßwasserräuber von verschiedenen Gurken, Dillöl, Schmand und Avocado. Das war einerseits wunderbar schmackig, andererseits aber viel feiner, als es sich anhört und überraschend saftig. Wenn ein klassisches regionales Gericht modern abgewandelt wird, hat der Koch bei mir schon viel gewonnen.
Auch hier leider ein kleiner Wermutstropfen. Eine Gurke war mit Chili eingelegt und die Schärfe vertrug sich nicht sonderlich mit dem Wein.

Der nächste Streich ein Tatar vom regionalen Rind, begleitet von einem 2016er Badener Grauburgunder von Walz. Leider gewolft statt geschnitten; das Mundgefühl mag ich nicht so gerne. Geschmacklich aber tadellos. Herausragend die gebackenen Chips einer lila Kartoffel, die wirklich einmal deutlich nach Erdapfel schmeckten. Mit marinierten Streifen von roher Kartoffel, diversen Nüssen, Pfifferlingen, einer zurückhaltenden Vinaigrette, Blüten und Kräutern, besonders der  (leider etwas zu sparsam eingesetzten) Schafgarbe präsentierte sich hier ein Potpourri von Geschmackskombinationen, Texturen und Farben, das mich äußerst zufriedenstellte

Wenn das Auge mit isst, konnte ich mich schon fast satt sehen.

Was schade gewesen wäre, denn mit dem nächsten Gang legte die Küche noch einen drauf

Und das fast ganz vegetarisch! Auf Wildkräutern ein perfekt wachsweiches Eigelb

in Panko ausgebacken. Dazu Brösel, die in ausgelassenem Fett des Kobefleisches super knusprig gebraten wurden. Als tolle Ergänzung erwies sich schwarzer Knoblauch. Schmackig wäre die Untertreibung des Jahres.

Nach soviel Umami tat etwas Erfrischung in Form eines Zitronensorbets wirklich gut.

Als Fischgang Wels, der mir durch asiatische Zucht-„Qualitäten“ lange verleidet war. Bei der hier servierten heimischen Ware war nichts von Wässrigkeit zu spüren, erst recht kein Anflug von Moder. Im Gegenteil, der knusprig überbackene Süßwasserbewohner überzeugte mit perfekt saftigen Biss, der noch Struktur hatte. Angerichtet auf einem ganz famosen knackigen schwarzen Piemont-Reis und begleitet von Paprikaconcassée und Fenchel als Velouté und Ragout mit Schalotten

Das hat Spaß gemacht.    
Da der vorgeschlagene Grüne Veltliner nicht zu meinen Lieblingsweinen gehört, wich ich auf einen französischen Viognier aus.

Jetzt blieb nur die Frage, ob die Küche dieses starke Niveau würde halten können. Aber ja!
Das zu dieser Stunde selbst mir zu üppig aufgeschnittene Kalbfleisch war nicht weniger als fantastico

Knapp rosa und voll Fleischsaft, der feine Geschmack überwältigend gut. Schöne Röstung und eine ganz dünne Fettschicht. Das Ganze mit einem eindeutigem Bärlauchrisotto, der - reine Geschmackssache - einen Tick zu fest war. Dazu tolle kleine Pfifferlingen, eine wunderbar passende Beurre blanc mit Walnuss und - als die derzeit scheinbar unvermeidliche „einfache“ Zutat - Radieschen. Davon abgesehen, stimmte hier geschmacklich einfach alles. Ebenso wie beim 2012er Nahariesling Krone von Tesch.

Auf ein Dessert verzichtete ich zu Gunsten eines Graham‘s Port 20 years, der solo gedacht war. Aber Frau Mahn ließ es sich nicht nehmen, mir noch ein paar Mitbringsel aus Apt zu servieren

Und auch durch die Unterlage im Brotkorb grüßte die Provence ein letztes Mal an diesem Abend


Fazit:
Ganz hervorragend die handwerkliche Leistung der Küche. Umso bemerkenswerter, da Alexander Mahn am Abend nicht selbst mit am Herd stand. Die Ausführung war 100% gelungen und, dass ich mal nichts zu meckern habe, ist eher selten. Dabei ist mir auch sehr bewusst, wieviel Können, Konzentration und Akribie ein mehrgängiges Menü braucht. Gerade, wenn keine große Brigade der Sterneküche am Werk ist. Chapeau!
Meine wenige kritischen Anmerkungen bezogen sich daher ja auch auf einige Produkte oder Zusammenstellungen oder Kombinationen, die nicht ganz funktionierten. Aber das ist bei einem immer noch recht jungen Chef erst recht verzeihlich. Da wird ausprobiert und manchmal führt ein Weg in die Irre. Aber die Richtung stimmt - und wie!

Was bleibt nachzutragen?
Speisen 49€. Weine 18€.
Verrückte Welt.
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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