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Das in Weinbar (mit kleiner Karte) und Restaurant räumlich unterteilte Ganymed war meist gut gefüllt, wenn ich schaute. Klar, Unmengen von Touristen hier am Schiffbauerdamm, aber auch Einheimische, die vor der Vorstellung im unmittelbar benachbarten Berliner Ensemble noch ein Abendessen einnehmen. Die Bewertungen im Netz schwanken zwischen authentischer Brasserie und unfreundlicher Abfertigung auf mittelmäßigem Niveau. Aber um 20.00 Uhr und bei strömendem Regen wollte ich es dann einfach mal wissen. Einen Platz zu bekommen und den auch gegen einen Tisch nach Wahl zu tauschen, waren kein Problem, denn ich erwischte gerade das Zeitfenster, als die Theaterbesucher schon gegangen und andere Gäste noch nicht gekommen waren. Später füllte es sich vielleicht zur Hälfte, großer Andrang scheint eher früher zu sein.
Dunkle Holzmöbel, gefliester Boden und gestärkte Tischdecken und Servietten sorgen zusammen mit einem angenehmen Licht für ein mir sympathisches Ambiente. Die Herren fortgeschrittenen Alters, die lautstark in ihr Telefon berlinerten, weniger.
Der Service wurde zunächst von zwei jüngeren Herrn gewuppt, die halt versuchten, das Selbstbewusstsein Pariser Garçons durch Hochnäsigkeit zu imitieren. Ich reagierte mürrisch, so dass wir gut miteinander auskamen. Zumal mit der Bitte um eine Weinberatung Oberkellner Monsieur Laurent Laurent (was sich manche Eltern so ausdenken...) erschien und mir ab dann als souveräner, kompetenter und freundlicher Begleiter durch den kulinarischen Abend zur Seite stand. Immer angenehm - übrigens in allen Berufen - auf Menschen zu treffen, die ihre Aufgabe engagiert und professionell erledigen und mit denen man sich entspannt darüber unterhalten kann. Chapeau!
Die Weinkarte hält eine Handvoll deutscher Gewächse bereit: 12 Weiße, 4 Rote, allesamt bekannte Namen aus den wesentlichen Anbaugebieten. Aber der Schwerpunkt liegt natürlich auf Frankreich, 80 Positionen Stillwein, 20 Champagner und Crémants, dazu Aperitife und Dessertweine, damit kommt man fürs erste über die Runden. Der Lage entsprechend heftig kalkuliert, aber immerhin bei 25€ startend und bis auf die Crus classés nur selten im dreistelligen Bereich. Leider, leider war der Meursault 1er Cru ausgetrunken, was M. Laurent sichtlich bedauerte (und mir später noch sehr zum Vorteil gereichte...), so dass ich meine Speisenwahl umstellte und mal wieder einen (zu) leichten Fleurie-Beaujolais (49€) wählte. Einer der reichlich angeboten Spätburgunder wäre die bessere Begleitung gewesen.
Bei einem Gläschen Crémant rosé (7,5€) wählte ich aus der Karte voller Klassiker:
Rindertatar, 150g (mit Salat 15,9€, für 1,6€ mehr gibt es auch Pommes „Pont Neuf“),
gratinierte Zwiebelsuppe (12,9€) und
Coq au vin (17,5€).
Nicht wirklich günstig, aber auch nicht zu arg überteuert.
Das vorab gereichte Weißbrot war leider weit entfernt von einem handwerklich gefertigten Baguette, aber leidlich kross. An einen Quark o.ä. kann ich mich nicht mal erinnern.
Das gewolfte Rindfleisch kam dann mit einem Eigelb und einer ganzen Parade klassischer Zutaten.
Ich durfte ganz nach Geschmack wählen und der Ober richtete mit viel Geduld und Akribie perfekt an.
Alte Schule, sehr angenehm.
Versehentlich wurden doch die dicken Pommes serviert, die schön dunkel, aber etwas nachlässig entfettet waren.
Ich bin kein großer Freund dieser deutlich „kartoffeligeren“ Variante (Ihr wisst schon); ich mag es lieber dünn und knusprig. Berechnet wurde aber nur die preiswertere Version mit Salat, der natürlich auch nachträglich angeboten worden war.
An der folgenden, heißen Zwiebelsuppe überzeugte schon mal die tolle Emmentaler-Kruste.
Die Croûtons darunter waren angeröstet worden, das merkte man noch. Die Brühe selbst hat mich geschmacklich nicht weggehauen und die Zwiebeln für meinen Geschmack viel zu weich gekocht, null Biss. Muss das so?
Das in Burgunder geschmorte Hähnchen kam nicht in Stücken, sondern als eine Hälfte mit Haut aber ohne Schenkel und Flügel und war - wenn auch nur teilweise - etwas trocken.
Auch hier kein Totalausfall, aber auch keine übermäßige Begeisterung meinerseits.
Tatsächlich zogen die Beilagen (ein sehr helles Kartoffelpüree, Austernseitlinge in - aufgemerkt! - verschiedenen Texturen und dito Frühlingszwiebel) den Teller ebenso nach oben wie eine durchaus kräftige Burgundersauce. Spätestens jetzt wäre der Pinot sehr willkommen gewesen...
Ja, und so hätte ein, ich sag wie es ist, kulinarisch mittelmäßiger Abend enden können. Denn nach dem bisher Verkosteten traute ich der Käseauswahl keine besondere Klasse zu und die mich von der umfangreichen Dessert-Karte allein reizenden Crêpes suzettes gibt es nicht für Einzelgäste. Aufgrund des Aufwands bei der Zubereitung ist das nachvollziehbar und wurde auf meine vorsichtige Nachfrage auch von Monsieur Laurent bedauernd bestätigt. Der nach einer kurzen Verständigung mit der Restaurantleiterin zurück an den Tisch kam und lächelnd verkündete, dass ich ob des fehlenden Meursault so traurig geschaut habe, dass er mich nicht noch ein zweites Mal am Abend enttäuschen könne. Hurra! Wer sagt, dass Männer keine Gefühle zeigen sollen? Und so wurde das Trumm von Elektroherd heran gerollt
lange genug vorgeheizt und los ging die Show mit allen Schikanen von Schmelzen, Karamellisieren, Ablöschen, Einkochen, Flambieren, Abziehen, Erwärmen, Übergießen und Anrichten, dass es nur so eine Freude war. (Über 5 Minuten ungeschnittenes Live-Video verfügbar:-))
Zuletzt noch eine Kugel Vanille-Eis und mit dem tadellosen Ergebnis waren beide glücklich, der Garçon und der Gast von der Weser.
Fazit:
Vielleicht hatte ich einfach nur Glück. Der Abend hat mich unterhalten, sehr gut sogar. Mag sein, zu anderer Zeit, mit anderem Service wird es nur halb so nett, denn das Essen ist solide, guter Durchschnitt. Aber bis dahin - siehe Überschrift.