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GastroGuide-User: AndiHa
AndiHa hat Bistro-Bar Da Pino in 73614 Schorndorf bewertet.
vor 8 Jahren
"Auf den Spuren Gottlieb Daimlers"
Verifiziert

Geschrieben am 24.03.2016
Besucht am 18.03.2016
Oma’s PC schwächelte und ihr Haus- und Hofadministrator (was man sich in jugendlichem Leichtsinn nicht alles aufbürdet) fand keine günstige Möglichkeit mehr das gute alte Teil (vor Jahren auf der Arbeit ausgemustert) noch zu bewegen etwas flotter zu werkeln. XP war out und Win7 mochte er nicht. Linux schied aus wegen der Umstellungen welche ich meiner werten Mutter angedeihen hätte lassen müssen.

Also wurde ihr ein mäßiges Budget aus dem Kreuz geleiert und in Schorndorf in den Wirtschaftskreislauf wieder eingebracht.
 
Daß Geld ausgeben hungrig macht können hier sicher einige Powershopper (-innen)  bestätigen.
So steuerten wir anschließend das Schnauferle Richtung Stadtmitte auf einen öffentlichen Kfz-Ausruhplatz wo es ein kleines Nickerchen machen durfte während wir im pittoresken Altstädtchen entschwanden.
 
Während wir so lustwandelten wurde die Lust auf Habhaftes immer größer. Uns blieb die Wahl zwischen etlichen Kalorienofferanten von denen uns das Da Pino letztlich am ehesten reizte.
 
Das Haus ist uns schon oft aufgefallen. Nun, gar so oft sind wir nicht in Schorndorf, aber mittlerweile immer öfter. Unser erster kulinarisch aktenkundiger Besuch in der Daimlerstadt datiert noch von 2013. Und schon damals, im La Scala, konnten wir die nette Seitengasse einblicken in der das Haus liegt.
 
Bistro & Bar Da Pino / Zum Büchsenmacher. So steht es auf dem Kassenbon. Wer heißt denn so?
Eine Recherche ergab, daß in dem Haus der Büchsenmachermeister Christoph Wilke (wer war denn das?) wohnte und arbeitete. Er bildete 1848 bis 1852 den Nachbarssohn Gottlieb Daimler (ja denn kennt man) zum Büchsenmacher aus. Jetzt ergibt auch der Spruch von den rollenden Blechbüchsen einen Sinn.
 
Auf die Ausrichtung der Küche kommt man aber nicht zwingend und so brachte erst die Lektüre des Aushanges Aufklärung. Italienisch. Ich glaube diese Küchenrichtung sollte ich auch mal probieren. ;-)
Wir betraten also Geschichte um profanen Gelüsten zu huldigen.
So viel Kultur auf einmal. Ob mir das guttut?
Nun, die Geschichte waberte nicht durch den Raum und behelligte uns auch sonst fast nicht weiter. Auf Grund unserer Kurzentschlossenheit hatten wir auch nicht mit dem Telegraphen Telefon unsere Ankunft angekündigt.
Dennoch gab es für uns eine Ruhestatt hier.
 
Aber der Reihe nach.
Gottlieb Daimlers Ausbildung fand wohl in einem kleinen, schlauchförmigen Raum statt welcher nunmehr als Gastraum ein eher gemütliches Flair ausströmte. Schnuckelig, wie meine Frau sagte.
 
Ob zu Gottliebs Zeiten auch ein Knoblaucharoma schon beim Eintreten in der Luft hing (um nicht zu sagen: waberte) darf bezweifelt werden. War die Pest und der hilflose Versuch mit speziellen Kräutern dagegen anzukämpfen zu der Zeit kein Thema mehr. Und Vampire wurden in Schorndorf bislang auch noch nicht urkundlich erfasst.
Aber auf uns hatte das einen sehr einladenden und speicheltreibenden Einfluss.
 
Zwei weitere Parteien waren diesem Einfluss ebenfalls schon erlegen. Ansonsten war es zu dieser frühen Abendstunde erst zu 1/4 gefüllt. Das sollte sich aber mit fortschreitender Zeit ändern.
 
Wir gingen zur kleinen Theke mittig im Raum und erhaschten die Aufmerksamkeit eines Mitarbeiters. Jener bot uns die Wahl zwischen den freien Tischen worunter wir uns einen Zweiertisch an einem offenen Sichtgebälk aussuchten.
Des Weiteren war der, ich sag’ jetzt mal Kellner, nicht besonders leutselig und rechtschaffen wortkarg und emotionslos. Ihn schien die Geschichte irgendwie zu belasten. Er war nicht unfreundlich, nein, aber auch kein Aushängeschild eines Cameriere. In Alltagskleidung mit Sweatshirt wäre er auch optisch diesem nicht nahe gekommen. Aber wir wollten ja auch nicht den Kellner vernaschen sondern dessen greifbare Degustation aus der Küche. Und da war ja auch noch dieser Geruch in der Luft. Nicht der Geruch von Geschichte sondern …. ;-)
 
Aus den Karten in bekanntem Stil (wie sahen die eigentlich damals aus als es noch keine Kunstledereinbände und Klarsichtfolien gab?) welche von Til (Schweiger, ok, der war jetzt etwas schwach) alsbald gereicht wurden entnahmen wir, daß der Zusatz Bistro und Bar nicht ohne Grund da stand. Neben den üblichen Gerichten waren auch ordentliche Mengen an verschiedenen Flüssigstoffen mit mehr oder minder viel Volt in Gestalt von Ethanol aufgeführt.
Aber auch wir, Ethanol grundsätzlich zwar nicht abgeneigt aber hier zu dem Zeitpunkt nicht davon angesprochen, fanden Etwas welches unsere zuvor angesprochene Lust zu befriedigen im Stande sein sollte.
 
Wie so oft ein Salat. Dies in Form eines Insalata Capricciosa (8,50) zuvor gemeinsam.
Hauptspeisen wurden eine Lasagne (9,00) und, oh Wunder, eine Pizza Diavolo (9,50).
Es gesellten sich zuvor noch gut temperierte Spezi und Cola 0,5l zu je 3,20 dazu.
 
Und nun kam die Zeit Geschichte zu atmen. Dabei inhalierten wir einen schlauchförmigen Raum welcher fast zwangsläufig eine Bankzeile an der Wand mit sich bringt. Weiter inhalierend entdeckten wir Sitzposter oder gar Sitzkissen. Und hier wurde es noch besser: Anlehnkissen, welche ich nun auf vielfachen Wunsch ;-) gerne eingehend beschreiben will.
Die Sitzpolster in zeitlosem Braun, von glänzender Eleganz und zweckmäßiger Polsterung hatten die ungefähre Größe von … nun ja… ich glaube der eine oder andere Protagonist hätte darauf Platz gefunden. Manch einer einfach, manch anderer hätte vielleicht die Backen zusammenklemmen müssen.
Aber erst die Anlehnpolster machten das Sitzen zu einem wahren Genuß. Schön fluffig und mit ocker apricot rosè 70er Jahre Streifenbezug in warmen Farben ließen den Rücken mit genießen. Da mir vor lauter Begeisterung die Worte auszugehen drohen verweise ich hiermit für den Rest des Eindruckes profanerweise einfach auf das Lichtbild welches ich angehängt habe. Btw, was ist ein bergischer Mob? ;-)
 
A propos Bilder. Verschiedene Bilder von ebenfalls zeitloser Eleganz schmückten teilweise zusätzlich den Raum. So z.B. dieses welches 5 Damen beim Spätzleessen (irgendwie sehr dünne Spätzle, sicher nichts G’scheites) mit Tischmanieren zeigte die zu Gottliebs Zeiten sicherlich als Synonym für die Tischkultur im südeuroäischen Raum gestanden haben könnte. Auch hier verweise ich auf das Bild.
 
War noch was? Ach ja, das Essen:
 
In geschichtlicher Ehrfurcht und von modischer Begeisterung ergriffen erreichte uns Til mit dem Salat. Zwei Teller kamen sinnvoller Weise gleich hinzu.
 
Und der Salat sah schon mal gut aus. Sehr variantenreich in der Art der versch. Salate und sogar interessant angemacht. Ob es des Formvorderschinkens in dieser Darreichungsform wie auf dem Bild zu sehen wirklich braucht ist fraglich. Der Geschichte des Hauses….. ach lassen wir das. Er hat geschmeckt und wurde nur punktuell etwas nachgewürzt. Das Ei auf dem Salat kam übrigens in Form eines von beiden Seiten gebratenen Spiegeleies, auch gut. Dazu gab es noch ein Körbchen mit getoastetem und warmem Weißbrot welches mit einer Art Kräuterbutter oder –Öl beaufschlagt war. Das fand durchaus Anklang. Eine Menagerie wurde auf Nachfrage umgehend an den Tisch gebracht. Wobei, an den Tisch etwas gedehnt gesehen werden darf. Es war der Nachbartisch. Die Tische waren in unserem Bereich allesamt Zweiertische und so konnten sie zwar leicht verschoben und neu gruppiert werden, aber wenn sie mit verschiedenen Parteien jeweils im Duett besetzt wären, dann würde das „schnuckelig“ meiner Frau sicher schnell ein Ende finden. So wie sie platziert waren wäre kein einfaches Durchkommen drin gewesen.
 
Bleiben wir aber bei einfacher zu bewerkstelligenden Gelüsten.
 
Und es begab sich zu der Zeit (Geschichte ist sooo spannend), daß die Hauptspeisen an den Tisch kamen.
 
Meine liebe Frau bekam,…..  ja, erstmal nix. Meine Pizza kam und sah schon mal ganz nett aus. Erst ein zwei Minuten später fand meiner Frau Lasagne an den Tisch.
Es hatte sich aber gelohnt.
Die Pasta war zwar ganz leicht über dem optimalen Punkt aber noch im sehr guten Bereich. Die Bechamelsoße wunderbar sahnig und mitsamt dem bologneseesk angeschmeckten Hackfleisch kam es auch wunderbar fruchtig auf der Zunge an. Meine Frau meinte zur Zusammenstellung und Geschmacksabrundung irgendwas wie traumhaft. Ich gebe dies gerne wieder (schließlich ist es nie ein Fehler wenn die eigene Frau zufrieden ist). Es befand sich auch ausreichend des ebenfalls annoncierten Schinkens in der Lasagne und die ebenfalls aufgeführten Erbsen hatten noch angenehm nett Biss.
 
Ich orderte selbstverständlich geschichtsbeflissen. Pizza Diavolo. Wer den Bezug nicht herstellen kann dem gebe ich gerne Hilfe. Ist eine Pizza meist rund wie ein Wagenrad oder modernes Lenkrad (gaaanz früher waren die Lenkräder ja noch keine Räder). Und ein Diavolo ließ ein Büchsenmacher durch die Art seiner Produkte ja auch so manches Mal indirekt aus der pandorinischen Büchse. Um den Vergleich noch weiter zu strapazieren kommen noch die Fahrer hinter modernen Nachkömmlingen Gottlieb Daimlers Fortbewegungsmittel. So manch einer ein wahrer Diavolo, oder zumindest ein Diavolole.
 
Können wir jetzt endlich essen?
 
Nicht ganz sicher ob genug Diavolo drin steckt wo es drauf steht orderte ich Knoblauch hinzu. Zusammen mit den nicht übertrieben scharfen Peperoni (fast schon mild, eigentlich) kam dann schon etwas Pepp auf den geschmacklich nur leicht über einer Allerweltspizza liegenden Hefeteigfladen. Wenn ich Allerweltspizza schreibe meine ich natürlich keine TK-Ware sondern schon den Schnitt durch die Mitbewerber. Aber in der Form gebacken hatte sie zwar einen ganz netten Teig und der Boden war auch fest und dünn. Aber der Rand war etwas schwach. Nichts mit luftig. Der Belag wiederum ganz nett, mehr aber irgendwie auch nicht. Um noch eine Kleinigkeit heraus zu kitzeln dosierte ich ein paar Tropfen des zuvor schon bereitgestellten Balsamico darüber. Dann war sie doch vollends ganz gut.
 
Als Til (laut Kassenbon hieß er in Wirklichkeit BEDIE0001) dann wieder vorbei kam orderten wir die Rechnung. Der gezückte Block ließ mich umgehend aus der Hüfte schießen (hoppla schon wieder eine Assoziation zur Geschichte des Hauses): wir hätten gerne einen Bewirtungsbeleg. Und wieder mal musste die ganze Chose in eine Kasse getippt werden weil es zuvor wohl vergessen worden war. Hach was sind die Italiener hierzulande doch manchmal vergesslich. Zum Glück haben sie ja Gäste wie uns die sie dann rechtzeitig daran erinnern.
 
Fazit:
Meine Frau will hier unbedingt bald wieder her. Ihr hat es ausgezeichnet geschmeckt. Der Salat war gut und die Pizza war jetzt auch soweit ok. Die Lasagne und, mit leichten Abstrichen, der Salat holten den 4. Stern die Pizza alleine wäre nur ein Dreisterner gewesen. Es ist recht beengt hier aber heimelig (O-Ton meiner Frau). Bei Vollbesetzung wäre ich sicher nicht gerne hier, das wäre mir zu eng. In Sachen Sauberkeit ist uns nichts Negatives aufgefallen.
Wenn sich der Pulverdampf verzogen hat kehren wir also sicherlich bald mal wieder hier ein.
 
 
PS: Achtung. Dieser Text kann Spuren von Ironie enthalten und richtet sich in keinster Weise gegen lebende oder verstorbene Personen. ;-)
 
 
 
 
 
 
 
 
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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