Anh & Em
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Robert-Koch-Straße 18, 42781 Haan
Restaurant Lieferdienst Take Away
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GastroGuide-User: Shaneymac
Shaneymac hat Anh & Em in 42781 Haan bewertet.
vor 4 Jahren
"Evolution des Kritikers (undenkbar…), schlechte Tagesleistung oder gar nachhaltig negative Entwicklung?"
Verifiziert

Geschrieben am 05.01.2020 | Aktualisiert am 06.01.2020
Besucht am 03.01.2020 Besuchszeit: Mittagessen 1 Personen Rechnungsbetrag: 22 EUR
Sushi und ich, das ist eine lange Geschichte voller Missverständnisse, gegenseitiger Enttäuschungen und verpasster Möglichkeiten. Wie viele von uns, machte ich meine ersten Sushi Erfahrungen weiland nicht in einem spezialisierten Restaurant, in dem kundige Köche aus dem fernen Osten frische Spitzenware in horizonterweiternde kleine Köstlichkeiten verwandelt haben.
 
Nein, als Sushi vor etwa 20 Jahren begann, den Mainstream zu erobern habe ich es leider versäumt, das nahe Düsseldorf zu besuchen, um in der dortigen herausragenden japanischen Gastronomie einen soliden Verständnis-Grundstein für künftigen Sushi Genuss zu legen.
 
Und so kam es, wie es kommen musste, in einem guten aber mitnichten spezialisierten à la carte Asia-Restaurant bestellte ich damals eine kleine Auswahl und wurde u.a. mit einigen weitgehend geschmacksneutralen Lachs Nigiri und Gurken Maki bedacht - dazu Wasabi aus der Tube, ein paar Stücke leicht trockener Ingwer.
 
Meine Begeisterung hielt sich in Grenzen: Das sollte der neue heilige Gral des Genusses sein?
 
Das Erlebnis reichte, um mir Sushi nachhaltig zu verleiden, bis ich dann im Jahre 2008 an einem unvergessenen Abend im bis dato weithin hochgepriesenen Mr. Hai in Berlin Steglitz vom Vater eines guten Freundes in die wahren Sushi-Freuden eingeführt wurde.
 
Was bei dieser mehrstündigen Orgie damals auf den Tisch kam, hatte mit meiner Sushi-Inauguration nicht das Geringste zu tun. Der Variantenreichtum in kalt und warm, die geschmackliche Tiefe und Vielfalt, die feinen Nuancen, die kunstvolle Anrichtung: ich war hin und weg. Dieses Erlebnis ist bis heute mein absolutes kulinarisches Benchmark in Sachen Sushi und noch immer unübertroffen.
 
Das Anh & Em gilt hier in der Gegend unter geneigten Rohfisch-Freunden als verlässliche, gute Adresse und auch ich habe in 2016 meine Zufriedenheit mit den Gerichten abseits von Sashimi & Co. in einer entsprechenden Kritik ausgedrückt.
 
Obwohl ich im Laufe der Jahre vier- oder fünfmal vor Ort war, habe ich seltsamerweise stets das Sushi umschifft und mich mit den sehr guten Curry-Gerichten oder Teppanyaki-Leckereien vergnügt.
 
Angeregt durch diverse appetitmachende Sushi-Kritiken hier auf GG wollte ich diesen weißen Fleck auf der Asia-Landkarte endlich ausmerzen und machte mich an einem regnerischen Freitagmittag auf in die kleine, sympathische Nachbarstadt Haan.


 
Das Parken in unmittelbarer Nähe des Restaurants wieder einmal eine Katastrophe, das benachbarte Krankenhaus, das eng bebaute Wohngebiet und die Tatsache, dass viele noch Urlaub hatten forderten ihren Parkraumtribut und ich stellte das Vehikel nach einigem Rumkurven „halblegal“ in etwa 200 Meter Entfernung ab.
 
Mit Glück ergatterte ich - nach einer herzlichen Begrüßung durch eine sehr gut Deutsch sprechende, charmante junge Dame im Service – noch den letzten freien Tisch in dem kleinen, durchaus behaglichen Restaurant.


 
Zu meiner Rechten ein junger chinesischer Familienvater mit seinen drei putzigen, kleinen Kindern, zu meiner Linken zwei korpulente Damen Ende dreißig, die ohne ihre beiden Smartphones und permanentes beidseitiges „Foto-Zeigen“ kaum Gesprächsstoff gehabt hätten: der mobile Dia-Abend im Jahre 2020. Immerhin kam auch ich so ungewollt in den "Genuss" des Anblicks einer neuen Waschmaschine, des neuen Nachbarshundes - und natürlich: „Und das war unser Baum dieses Jahr, schön ne?“
 
Ich verkniff mir ein fälliges „Früher war mehr Lametta!“ und widmete mich der Bestellung, da Fingerfood da schon angepeilt war machte ich mich auf den Weg zur Toilette im Keller, um mir die Hände zu waschen.  
 
Grundsätzlich war es dort schon sauber, aber in Details und den Boden betrachtend muss ich schon feststellen, dass ich an einem Ort, an dem nur wenige Meter entfernt mit rohem Fisch hantiert wird eine absolut makellose Vorstellung in Sachen Hygiene erwarte, da ist noch etwas Luft nach oben.


 
Der gleiche Gedanke ereilte mich dann wenige Minuten später, als meine chinesischen Tischnachbarn ihren Tisch verließen, ich freien Blick auf die dortige Partie der Sitzbank hatte und völlig ab- bis durchgewetzte Sitzflächen erblickte. Ich bin nicht zimperlich und suche nach der Nadel im Heuhaufen, aber für eine Küche die so für Ästhetik im Tellerbild und auch der Zubereitung steht, keine schöne Bühne, hier könnte mit wenig Aufwand Abhilfe geschaffen werden.
 
Zunächst ein gut in Erinnerung gebliebenes „Hausgemachtes Buttermilch-Erfrischungsgetränk“ in der Mango Variante (2,80€), das Getränk sah mit der kleinen Deko Garnitur ansprechend aus, wenn ich auch die Farbe etwas blass fand, insgeheim hoffte ich zugegeben auf einen verkappten Mango Lassi.

"Hausgemachtes Buttermilch-Erfrischungsgetränk"
 
Leider hatte dieses Getränk mit einem guten, eiskalten Lassi aus dem Kupferbecher überhaupt nichts gemein. Es hatte annähernd Zimmertemperatur, annähernd die Konsistenz normaler Milch und die dezente Mango Note nicht annähernd die wohlige Intensität des indischen Verwandten: trinkbar aber denkbar weit entfernt von echtem Genuss.
 
So sollte es leider weitergehen, bedingt durch die kühle Witterung hatte ich auch Lust auf etwas Warmes, die kleine „Freundschaftsplatte“ ist für zwei Personen gedacht und eben diese hatte ich vor Jahren schon einmal mit Madame verspeist.
 
In Erinnerung blieben kleine Häppchen, die als Appetitanreger gut funktionierten, bei entsprechendem Appetit auch für einen einzelnen Esser gut zu beherrschen wären ohne sich völlig zu übernehmen, trotzdem wartete ich mit der Sushi-Bestellung gottlob noch ab.
 
Freundschaftsplatte – 9 €

Freundschaftsplatte
 
Trotz sich mittlerweile ruckartig leerendem Restaurant musste ich mehr als 20 Minuten auf meine „filigranen“ Horsd’œuvre warten.
 
Ich muss zugeben, dass ich rein optisch schon ansprechendere Dinge erlebt habe, was mich aber wahrhaft erschlug war die jetzige Größe der teilweise frittierten Preziosen, alleine mit den vietnamesischen Frühlingsrollen hätte man sicher Flak-Geschütze wirkungsvoll aufmunitionieren können.
 
Das muss man leider auch zur Textur der mit einer festen, relativ generisch gewürzten Hühnerfleischfüllung versehenen Trümmer sagen: ein Biss ergab gefühlte 150 Kalorien und 10% Magenfüllgrad.
 
Wenig Genuss heute auch bei den vor vier Jahren noch hochgelobten Garnelen im Tempurateig, der geschmacksneutrale Tempura-Mantel war diesmal gefühlt einen Zentimeter dick, die milde, dafür vorgesehene Cocktailsauce empfand ich jedoch damals wie heute maximal deplatziert und ignorierte sie fast vollständig. Die Sweet-Chili Sauce schmeckte gut, allerdings so wie aus jeder guten Flasche, einen „homemade Twist“ konnte man nicht im Ansatz erahnen.
 
Ich liebe Saté Spieße sehr, das zarte, schön gegrillte Fleisch mit seinem würzigen Erdnuss-Soßen-Mantel direkt von Spieß zu knabbern ist mir eine große Freude.
 
Das hätte in diesem Fall aber noch nicht mal Obelix geschafft, diese Brocken von Fleisch hätten jedem griechischen Souflaki Brutzler die Schamesröte ins Gesicht getrieben.
 
Es sieht zwar nicht danach aus, aber ein halbes Pfund Fleisch verteilte sich sicher auf den beiden Spießen, ich hantierte mit Messer und Gabel und war an diesem Punkt schon fast satt.
 
Interessant war, das sich die leicht knoblauchlastige warme Saté Sauce der Spieße sich geschmacklich vom mit gehackten Erdnüssen getopten kalten Saté Dip unterschied, letzterer war dezenter, eleganter und fruchtiger als die recht kantige warme Variante.
 
Für mich ein persönlicher Totalausfall dann die kalten, vegetarischen Sommerrollen in ihrem transluzenten Reispapier-Mantel.
 
Beim ersten Biss sollte es beinahe bleiben, das Zusammenspiel vom Mundgefühl des kalten Reispapiers mit dem des knackigen Inhalt war für mich schwer zu ertragen, was man zu den faden geschmacklichen Eindrücken leider auch sagen muss.
 
Um es etwas unsachlich auszudrücken gerolltes Kaninchenfutter mit Asia-Touch in einer kalten Reispapierhülle, da half auch die beim zweiten Biss verzweifelt konsultierte Sweet-Chili –Sauce nicht viel, sie gingen fast komplett zurück.
 
 
Leider war ich bedingt durch die neuerlichen Ausmaße der Vorspeisen derart satt, dass an Sushi eigentlich nicht mehr zu denken war, wollte aber trotz allem ein wenig probieren, schließlich war das ja der Anlass meines Kommens.
 
Durch die süß-salzige Frittier-Orgie war mein erstes Getränk alsbald geleert, mir stand der Sinne nach etwas nun hoffentlich auch kaltem, in diesem Sinne klang einer der hausgemachten Eistee-Varianten nach einem guten Plan.
 
Gesagt getan, durstig orderte ich die Zitronen-Ausführung, zumal in der Karte ein hervorragend nach einem alkoholfreien Mojito aussehendes Foto neben der Eistee-Rubrik richtig Laune machte.
 
Was ich erhielt hatte mit diesem Foto leider nur wenig zu tun, farblich erinnerte es etwas an die Produkte aus dem Tetrapak, was aber natürlich nichts heißen mag.

Hausgemachter Eistee Zitrone
 
Ein erster Schluck, verdutzt dreinschauen, noch ein Schluck.
 
Was ist das? Von zitrischer Erfrischungskraft war fast nichts zu schmecken, hervorschmeckte eine Mischung aus Süßholz, Sandelholz und Kampfer. Aber was den Kleiderschrank olfaktorisch bereichert hinterließ auf der Zunge große Ratlosigkeit, es war eine sehr merkwürdige Erfahrung und ich trank letztlich nur zur Hälfte aus, geschmeckt hat er mir überhaupt nicht.
 
Dies ließ ich auch die nette junge Dame im Service wissen, worauf sie erwiderte, dass der Koch den Sirup selber kocht und sie probierte selbst einen kleinen Schluck der aktuellen Charge und sagte mir, es sei alles wie immer – gut, für Leute die gerne Mottenkugeln lutschen sicher ein erquickliches Getränk, nur für mich leider nicht.
 
Mein Sushi rauschte heran und auch wenn ich nur ein kleines Trio gewählt habe, hätte ich mich sehr über eine appetitliche Anrichtung auf einem sauberen Teller gefreut - zugegeben fiel es mir so richtig erst beim Betrachten der Fotos auf, vor Ort nur das Wasabi aufgrund der Lichtverhältnisse.

Geflämmtes Nigiri Butterfisch & Thun | Spicy Tuna Gunkan
 
Bestellt hatte ich je ein flambiertes Nigiri vom Butterfisch (2,20€) und Thun (2,40€), sowie ein Gunkan mit scharfem Thunfisch (2,00€).
 
Am Rand klebte verschmiertes Wasabi, nicht nur der linke Bereich war fleckig, das Sushi farblos auf dem Teller platziert, ein trostloser Anblick.
 
Wie man es schaffte, den Reis beim flambieren unten anzusengen, dem Fisch dabei oben keinerlei erwünschte, dezente appetitliche Flammspuren zu verpassen und ihn nur ergrauen zu lassen, ist mir ein Rätsel.
 
Bei den beiden Nigiri blieb die Aromatik des Fisches auffällig unauffällig, obwohl ich ihn auch solo probierte, der Reis sehr gut wenn auch mir einen Hauch zu pappig.
 
Sehr gut gefiel die aromatische Miso-Creme on top, davon hätte es gerne mehr sein dürfen, was aber dem Sushi innewohnenden Purismus ad absurdum geführt hätte.
 
Das feine, leicht scharfe Thunfisch-Tatar im Nori Blatt bei der Gunkan Variante war auch nicht mein Fall, die Alge zu zäh für meine Begriffe, beim Thunfisch blieb neben dezenter Schärfe im Nachhall zudem eine Fischnote der eher rustikal-unangenehmen Art.
 
Eigentlich hatte ich noch vor, etwas warmen Klebreis mit Bananenfüllung im Bananenblatt zu verschlingen, war hiernach aber erst mal bedient, ein enttäuschender Besuch heute, soviel stand fest.
 
In strömendem Regen ging es zurück nach Hause, das Abendessen verhieß in jedem Falle mehr Beglückung, kein Grund also für anhaltende kulinarische Trübsal.
 
Fazit
 
Leider in dieser Form nicht mehr das Restaurant, das ich in Erinnerung hatte. Auf mehr wie zwei Sterne komme ich für das heute gebotene leider nicht mehr, Genuss sieht anders aus.
 
Das Ambiente zwar noch behaglich und grundsätzlich auf den ersten Blick ansprechend, Dinge wie die völlig durchgewetzten Sitzpolster auf der Bank sind aber ein No-Go erster Güte: 2,5 Sterne.
 
Der Service nett und charmant, es ist aber beim Speisen aus der Küche tragen und abstellen auch nicht so, dass hier gastronomische Sternstunden geschrieben werden, gute vier Sterne.
 
Die Sauberkeit im Gastraum gut, wenn man von Fettspritzern an der kleinen Scheibe zur Küche absieht, was sich vielleicht nicht vermeiden lässt, dennoch nicht gerade schön ist. Die Eindrücke auf den Toiletten (ich war lediglich im Vorraum zum Händewaschen) und der Zustand meines Tellers rechtfertigen in Summe nur 2,5 Sterne.
 
Fisch ist teuer und gutes Sushi muss teuer sein, das hier war es nicht, hier wird man nicht arm und das PLV möchte ich trotz allem daher mit 3,5 Sternen bewerten.
 
Die Frage aber, ob ich hier heute „gutes“ Sushi hatte, ob ich genossen habe, beantwortet mein subjektiver Gaumen eindeutig mit nein, und die Beantwortung dieser entscheidenden Frage ist mir immer noch wichtiger, als jegliche Pixel-Sternchen für ein Restaurant-PLV…
 
Sushi-Frontbericht Ende.
 
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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