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GastroGuide-User: DerBorgfelder
DerBorgfelder hat Klinkel's Restaurant in 26160 Bad Zwischenahn bewertet.
vor 6 Jahren
"Alles klar bei Klinkels"
Verifiziert

Geschrieben am 30.06.2018 | Aktualisiert am 01.07.2018
Besucht am 13.04.2018 Besuchszeit: Abendessen 1 Personen Rechnungsbetrag: 124 EUR
Nachdem ich meine Mutter nebst Galan für ein Wochenende zum Jagdhaus Eiden chauffiert hatte (und zur Abholung eine Einkehr in die dortigen rustikalen Jäger-/Fischerstuben vereinbart war), konnte ich auf der Rückfahrt noch einen „Kontrollbesuch“ am Nordufer des Sees einlegen.

Fazit vorab: Alles beim Alten und das heißt im Klinkels beim Besten.

Eher ist die ambitionierte Küche von Kay Klinkel, der man die Sterne-Jahre weiterhin anmerkt, noch etwas fokussierter geworden, was Geschmack und Kreation angeht. Dabei bleiben Produkte und Präsentation angenehm bodenständig. Umso bemerkenswerter, als der gebürtige Hesse nach dem unfallbedingten Ausfall der zweiten Köchin alles alleine wuppen muss und trotzdem bei großen Tischen mit aufträgt.
Reger Zuspruch belohnte diese Leistung und ebenso den freundlich-natürlichen Service von Christel Klinkel. Inzwischen weiß sie auch den grantelnden Borgfelder besser einzuschätzen, der zwar gelegentlich bellt, aber sich beim Beißen am liebsten auf das Essen beschränkt.

Und das war bei diesem Besuch auch zum Reinbeißen.
Schon mit dem Gruß wurden starke Akzente gesetzt. Das ausdrucksstarken Süppchen von Ratatouille-Gemüse hatte ordentlich Wumms. Wie gut, dass das Mini-Sandwich

zwischen seinen Kürbisbrotscheiben mit Kerbel, Sanddorn und dem Ammerländer Schinken kräftige Aromen beisteuerte, die sich mit ein wenig Geduld mustergültig entfalteten. Ein Fingerzeig, dass im Klinkel’s regionale Küche Pate für eine moderne, kreative Ausführung steht.
Immer noch sehr schön die Brotauswahl des Hauses

besonders gefiel üben mir die selbst gebackenen Brötchen mit Curry und die Fruchtvariante. Dazu gibt’s u.a. eine ungewöhnliche Cranberry-Crême


Meine etwas wilde Reise durch das 12 Gerichte enthaltende Angebot von Wohlfühltellern startete mit dem Großen „Klinkel’s“ Haussalat

Der war wie alles hier kein Teller-Ikebana (was ich ja auch durchaus schätze), sondern die geballte Ladung Aromen. Auf einer Unterlage von süffigem Ratatouille-Gemüse (Daher das Süppchen - Ressourcen schonende Zweitverwertung: In kleinen Gastronomien überlebenswichtig!) Salate und Wildkräuter in einer nicht zu sauren Vinaigrette, gekochte Kartoffel brachte Körper und angeröstete Nüsse zusätzlichen Crunch. Auch in die Mittelmeerrichtung wies eine dezente Sauce Rouille.  Überzeugend der wie stets kräftige Geschmack argentinischer Wildgarnelen, die den Teller mengenmäßig in Richtung eines kleines (Damen-)Hauptgerichtes schob. Das war nicht gerade regional, aber ungemein lecker.  

Zweite Vorspeise „Hardcore“ Zander - unverständlicher Weise nicht paniert;-), sondern gebeizt. Fleischig und zart mit einer würzigen, nur entfernt säuerlichen Note. Dazu gab es fruchtig-frischen Apfel in Spalten und als Sorbet. (Genial gewesen, den Fisch im Kontrast angewärmt zu servieren.) 

Bis hierhin ein irgendwie nordisches Geschmacksbild leicht modernisiert. Der Kick jedoch stark angekohlter Radicchio

Die Bitter- und Röstaromen gaben dem Gericht ungemein Power, ohne die Mitspieler zu überdecken. Das war wirklich hardcore (für die Verhältnisse eines Kurorts allemal!). Gurkenwürfel in mildem Essigsud kamen eher aus der klassischen Ecke, wirkten aber mit Frische und Knackigkeit eher ausgleichend. Respekt!

Danach war erst einmal „Verschnaufen“ angesagt.
Eine kleine, geschmacklich im Mittelfeld angesiedelte Jakobsmuschel wartete nach dem Anbraten im tiefen Teller auf die angekündigte Pastinakenrahmsuppe; ihr leisteten gehackte Haselnuss, viel Petersilie und intensiv reduzierte kleine Ofentomaten Gesellschaft

Als der flüssige Geschmacksträger schließlich samten auf dem Löffel glänzte war gleich klar, dass nicht mit Sahne gegeizt worden war. Trotzdem eindeutig der süßliche Wurzelgeschmack. Die trocken gebackenen Tomaten sorgten für eine intensive fruchtig-säuerliche Komponente. Auch hier gut kombiniert, aber trotzdem ein Manko. Die milde Suppe war schnell geschluckt, während man weiter auf den bekanntlich recht festen trockenen Tomaten kaute. Solo war’s denn nicht mehr so ein großer Genuss. Kleinere Streifen wären hier wohl geschickter gewesen. Wenn auch mit dem Risiko, dass der unaufmerksame Schlemmer sie gar nicht mehr kaut und daher nicht bemerkt. Wie du‘s machst...

Beim Fleischgang sah ich mich in einem Dilemma, Rückensteak von der dry-aged Emsländer Färse oder Krosser Mangalitza Schweinebauch aus dem Ofen?
Nun, man ahnt die Lösung...

Das gute ungarische Borstenvieh war im Fleischanteil leider ein wenig trocken geraten und die krosse Haut litt unter einem feuchten Fruchtkompott (Quitte?) als Topping

Etwas ungeschickt. Dafür war die Paprikacreme aus drei Stunden geschmorten Schoten püriert und von unglaublicher Intensität. Die angekündigte Kresse ging unter, aber der reichlich verstreute Überraschungsgast Austernkraut konnte tatsächlich salzige Nuancen setzen.

Das abschließende Rindvieh war zwar tadellos in Sachen Geschmack, Struktur und Gargrad. Aber ein Beispiel für meine Erfahrung (oder Vorurteil), dass die kreative Küche sich eher in den frühen Gängen (und natürlich in der Pati) austobt. Vielleicht, weil der Hauptdarsteller so präsent ist?

Bei den Beilagen war der geschmorte (Romana-)Salat zwar nicht Ammerländer Traditionsküche und traf auch meinen Geschmack. Aber Kartoffelstampf und Röstzwiebeln kamen recht ironiefrei daher. Vielleicht auch ein - notwendiges - Zugeständnis an einen Teil der Gästeschaft. Hat ja auch nicht weh getan - ganz und gar nicht.

Auf weitere Gänge wollte ich verzichten. Die Käseauswahl war beim ersten Versuch zwar lobenswert regional, aber bei der gegebenen Vorliebe für französische Rohmilchkäse eben auch rustikal. Suum cuique!
Und Dessert fällt bei mir eh häufig aus. Wobei schon interessant wäre heraus zu finden, was Kay Klinkel im süßen Bereich so drauf hat. Der Menüabschluss hätte u.a. gesalzene Erdnuss, Minzzucker und Mango enthalten. Vielleicht beim nächsten Mal.
So verabschiedete mich Christel Klinkel mit einer selbst gemachten, gelungenen Praline

Auch hier ein Schritt nach vorn!

Für fünf Gänge waren 79€ fällig. Wasser 6,5€. Die stets sehr guten Frucht-Sekte von Geiger kamen mit je 5,6€ auf die Rechnung, die Weinbegleitung mit 7€ pro 0,1l (nominell). Das sind für mich letztlich 3,76 Sterne.

Ich bleibe ein Fan dieses kleinen Restaurant am schönen See, das geschickt zwischen der filigranen Sterneküche des Apicius und den sonst überwiegend gutbürgerlichen Angeboten platziert wurde.
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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