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GastroGuide-User: Minitar
Minitar hat Dépanneur Kassel in 34117 Kassel bewertet.
vor 7 Jahren
"Pop-Up mit Charme"
Verifiziert

Geschrieben am 16.06.2017
Besucht am 08.06.2017
Ich liebe Pop-Up-Locations, den Hauch des Unperfekten, Temporären, Improvisierten, nicht ewig Bestehenden. Ein ganz besonderes Glück, dass die diesjährige documenta in Kassel ihr Presse- und Informationscenter in einem ehemaligen aufgelassenen Lederfachgeschäft mitten am Friedrichsplatz installiert hat. Und auf dem ersten Stock, über eine geschwungene Treppe mit dem Liebreiz früherer Jahre (1950? 1960?) residiert sehr charmant des Depanneur. Wer die Bistros und Cafes anderer Messen und Ausstellungen kennt und ihr schnödes Angebot von Wiener Würstchen, schalem, abgestandenen Kaffee und Fertigsalaten fürchten gelernt hat, wird hier innerlich jubilieren. Dass Selbstbedienung herrscht, nimmt man übrigens gerne in Kauf.

Mitten im hektisch-aufgewühlten Treiben der Innenstadt ist das Depanneur ein unschätzbares Geschenk, ein Ort der Ruhe und des Innehaltens. Man könnte ihm glatt ein Slow-Food-Siegel verleihen (wenn er nicht vielleicht schon eines hat?). Egal, wieviel Menschen grad am Tresen anstehen, wie trubelig es rundherum zugehen mag: die Betreiber lassen sich nicht aus der Ruhe bringen und gestalten ihr Angebot ganz selbstverständlich mit höchsten Ansprüchen und besten Zutaten. Beim Kaffee zum Beispiel kann man zwischen konventionellem Filterkaffee (die Tasse für 2,50 Euro) und handgebrühtem Kaffee (die Tasse für 3,00 Euro) auswählen. Für letzterem sollte man schon viel Zeit mitbringen und die Beschaulichkeit, dem langsamen Fluss der Köstlichkeit zuzusehen. Das Depanneur verfügt selbstredend über das notwendige Equipment. Das Resultat überzeugt! Fast ist man für die Zukunft für jeden Kaffeevollautomaten verloren… Auch der griechische Bergtee ist ein Gedicht. Ich glaube, ich habe ihn zuletzt 1995 in Kreta getrunken und danach nirgendwo mehr in Deutschland im Angebot gesehen. Das Kraut muss circa 10 Minuten geköchelt werden, danach gibt es sein herrliches zimtige Aroma frei. Selbst beim Wein (6,00 Euro) wurde ich gefragt, ob ich einen mit oder ohne Sulfite haben möchte – die Rebsorte stand erst an zweiter Stelle. Hier spürt man sofort, dass sehr aufmerksam und behutsam mit allen Lebensmitteln umgegangen wird. Auch die kleinen Snacks und Blechkuchen und Salätchen sind ein Gedicht.  Und nicht zu vergessen, der documenta Schnaps für 2,50 Euro. Der räumt an einem schlechten Tag den Magen auf und macht Platz für Neues.  Das Speiseangebot wechselt übrigens laufend, je nach Gusto und Verfügbarkeit und aktuellen Ideen.


Natürlich wird perfekt mehrsprachig parliert und – wenn es die Situation erfordert – schon mal mitten im Satz von einer Sprache zur nächsten umgeswitcht. Die internationale Klientel macht es erforderlich. Zu jedem Getränk, jedem Gericht wird gerne Auskunft gegeben und die Zubereitungsweise en detail erläutert. Da kommt man schon leicht mal ins Fachsimpeln. Der entkernte, minimalistisch anmutende Innenraum ist hell und einfach bis zweckmäßig möbliert. Es gibt kostenloses WLan und einen Drucker. Überall an den Tischen stehen genügend Steckdosen zur Verfügung. Man kann also jederzeit seine mobilen Endgeräte und Laptops einstöpseln und laden. Nur zwei Wermutstropfen möchte ich anführen: das Depanneur ist nicht barrierefrei erreichbar und die Toiletten befinden sich zwei Etagen tiefer im Untergeschoss -  mit derart psychedelischer Beleuchtung, dass man nur unter Mühen die Delikatessen, die man oben genossen hat, bei sich behalten kann.


Der Hit ist die wundervolle Dachterrasse, die mit Sonnensegeln und Sitzkissen ausgestattet ist. Hier hockt man sehr entspannt und kann mit Freunden chillen. Apropos Freunde: auch wenn sich das Depanneur im Pressezentrum befindet, muss man sich nirgendwo ausweisen oder legitimieren. Sogar auf der Homepage steht: „Bring Laptop und Freunde mit, unser Community Space bietet genügend Platz und kostenloses WLAN“. Das Depanneur hat übrigens bis zum 17. September 2017 noch täglich geöffnet, ohne Ruhetag und ohne Mittagspause. Die engagierten Betreiber stammen jedoch aus der Gastroszene und dürften danach sicherlich an anderen Orten kreativ weitermachen. Man darf gespannt sein!

PS. Einen Rechnungsbeleg habe ich nicht erhalten, habe aber auch nicht extra danach gefragt.
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


Carsten1972 findet diese Bewertung hilfreich.

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