Geschrieben am 17.02.2021 2021-02-17| Aktualisiert am
20.02.2021
Besucht am 19.10.2020Besuchszeit: Abendessen 1 Personen
Rechnungsbetrag: 161 EUR
Vor Corona besuchte ich mehrmals im Jahr das Culinaria. Und nicht mehr nur wie anfangs als Ausweichziel, wenn das High Kitchen und Hadrys Landhaus geschlossen hatten. Nicht ganz in deren Liga spielend, wird hier eine internationale Küche mit eigenen Ideen geboten, die mehr auf Kombinationen und kräftige Aromen setzt als auf Produktpurismus. Heraus kommen zumeist farbenfrohe Gerichte, die nicht nur auf dem Foto Spaß machen. Zudem ist die Lage über der Elbe einfach toll und im vergangenen Jahr wurde eine zweite Terrasse eröffnet.. Last but not least gab es im jungen, fast ausschließlich weiblichen Serviceteam in den letzten Jahren kaum Wechsel, so dass sich immer ein netter Plausch ergibt. Inhaber Rocco Esposito, der sich über den Gewinn der Magdeburger Ausgabe von „Mein Lokal, dein Lokal“ gefreut hat, führt überwiegend italienische Weine auf der eher breiten als tiefen Karte. Ab und zu holt der Wirt auch mal etwas „unter der Theke“ hervor und dann wird es ein noch netterer Abend.
Man merkt schon: Ich fühle mich hier wohl und genieße die Zeit. So auch bei diesem Besuch.
Man hatte mir schon einen Tisch im hinteren, etwas abgeschotteten Bereich gedeckt, an dem ich meine Ruhe für Fotos und ausgiebige Notizen hatte. Am fast wörtlichen Ende der Nahrungskette konnte ich zudem Beleuchtung und Frischluftzufuhr nach eigenem Gusto regeln, ohne Stress mit anderen Gästen zu riskieren. Ich war also voller Vorfreude; hatte ich doch einige „mollige“ Angebote in der kleinen Karte auf dem Klemmbrett entdeckt.
Leicht zu verschmerzen war so der empfohlene, aber deutlich zu süße Haus-Aperitif, den ich nach einem Schluck gegen einen Moscow Mule tauschte. Den hätte ich zwar gern pikant-würzig mit Ginger-Root-Beer statt süßem Ginger-Ale gehabt, aber freundlicherweise wurde auch nur ein Cocktail abgerechnet (7,5€). Die Flasche Wasser liegt bei 6,1€.
Zur Einstimmung kam ein reichlich bemessenes Brot-Trio auf den Tisch: Ciabatta, selbst gebackenes Focaccia, das mir am Besten gefiel und etwas Kräftiges in Kurkuma-Gelb mit Schinken. Der Sahne-Joghurt im Zaziki hätte auch AndiHa gefallen und darum war auch Gurke gar nicht schlimm. Das weitgehende Fehlen von Knoblauch schon eher. Dafür schmeckte das Olivenöl nicht weichgespült, sondern hatte knackige Bitternoten. Mit frischem Brot und etwas Salz nicht das Schlechteste.
Inzwischen hatte ich das aktuelle Weinangebot gesichtet und, wenn man dem Netz Glauben schenken darf, zackig vor einer der höchsten Lagen Italiens kapituliert: Feldmarschall von Fenner liegt auf über 1000 Meter und bringt einen ungewöhnlich mineralischen Müller-Thurgau mit deutlicher Muskatnote hervor, der perfekt zu meinem asiatisch angehauchten Einsteiger passen sollte. Ein bemerkenswerter Wein, der mich begeisterte und nichts mit dem blumigen Allerweltsschoppen zu tun hat, den mein lieber Vater in den 70ern, sorry, wegsoff. Außerdem fielen die aufgerufenen 58€ eindeutig in die Kategorie „Schnäppchen“. Leider die letzte Flasche, sonst hätte ich auch den zweiten Marschall zu Fall gebracht...
Auf dem Teller wurde der kühle Glasnudelsalat eindeutig von dem à la minute gebratenen Kalbsrücken dominiert, der in dicke Scheiben tranchiert und leicht warm noch gerade einen Hauch Rosa zeigte. Mir war es einen Tick zu weit, aber das ist klar Geschmacksache. Zweites Schwergewicht waren die Fruchtaromen von Mango, Ananas und Granatapfel, gegen die sich Koriander und Chili erst am Ende bemerkbar machen konnten. Sesam-Öl und schwarze Samen dienten als recht kräftige Verbinder, Zucchini-Spaghetti als Topping brachten noch etwas Textur ins Spiel bei einem Teller, der „alles“ bot: Frische, Knackigkeit, fruchtige Säure, ein „Maul voll Fleisch“ und am Ende schöne Schärfe. Ein Musterbeispiel für die Culinaria-Küche!
In einem Tumbler wurde nun weiße Tomatensuppe serviert, die leicht mit Sahne gebunden war und trotzdem durch kräftige Würzung, u.a. mit Piment d‘Espelette auffiel, während vom Ausgangsprodukt noch eine leichte Säure kündete. Das musste auch Wumms haben, um gegen die scharf angebratene Lammhack-Praline und einen etwas dick geratenen, aber noch knusprigen Parmesan-Chip mit kräftiger Kräuternote von Öl und einem kleinen Bouquet anzukommen. Auch der Feldmarschall im Glas musste etwas kämpfen, unterlag aber nicht! Passte alles, aber für einen zweiten Gang insgesamt doch sehr intensiv.
Demgemäß schaltete die Küche mit dem Zwischengericht etwas zurück. Allerdings auch nur einen Gang, denn die angebratenen Salsiccia-Scheiben zu den perfekt al dente gekochten Tagliaroni hatten durchaus Charakter. Mussten sie auch, denn durch den Stracciatella di bufala kam eine dämpfende Milchsäure-Note ins Spiel. Geschmolzene Kirschtomaten passen zu diesem Pastagericht ebenso perfekt wie etwas Grana Pardano und ein paar Tropfen Kräuteröl.
Beruhigung für den Gaumen in bekannten Gefilden, aber zum Sattessen schmackig und gut.
Hat da jemand schmackig geschrieben? Na, dann mal ran an die süße Paprika-Crème, die mit Chili-Öl das Surf‘n‘Turf von nicht zu scharfer Chorizo und einem gleichzeitig knusprigen wie fleischig-zarten Oktopus-Tentakel begleitete. Unfassbar gut! Dazu ordentliche Fondant-Kartoffeln, um die ganze Süffigkeit auch gesittet vom Teller zu wischen... Borgfelder Soulfood!
Jetzt aber ran an die 80er-Jahre-Erfrischung. Stäbchen kamen nicht, aber eine cremige Kugel Kürbis-Eis aus dem Pacojet. Im Geschmack nicht zu süß, das war schon mal gut. Eindeutig den Halloween-Erleuchter präsentierend, wenn auch etwas sehr „naked“. Ein wenig Öl oder Bruch von Kernen hätte nicht geschadet.
Beim Fleischgang musste auch der Spitzenmilitär kapitulieren. Bzw. hätte er müssen, wenn die Flasche nicht schon vor dem Kraken-Arm geleert gewesen wäre.
An schweren Roten herrscht hier kein Mangel, selbst Super-Toscaner sind vergleichsweise günstig im Angebot. Nichts für meiner Eltern einzigen Sohn. Aber ein Primitivo Es von Gianfranco Fino ist unter den Rebensäften aus der Manduria schon eine Ansage und auch hier waren 10 Euro für die großzügig nachgeschenkten 0,1l mehr als kundenfreundlich kalkuliert.
War da noch was? Klar, ein Lammrücken, der außen eine schöne Bräunung und innen rosa Fleisch zeigte, aber doch zarter hätte sein dürfen, zumindest für meine Beißerchen. Vielleicht setzte aber auch schon etwas Erschöpfung ein, so ein Menü verlangt den ganzen Schlemmer, besonders bei den hiesigen Portionen. (Tatsächlich wird im Culinaria in der Regel kein Menü angeboten; man wählt à la carte. Mein inständiges Bitten nach kleineren Portionen wird stets großzügig übergangen.)
Die Begleiter verschoben das Lamm in den Orient: Kichererbsen-Ragout mit Biss und daher nicht so mehlig; es war auch deutlich mit Koriandergrün und Minze gearbeitet worden. Schon sehr gut, aber die gebackene Mini-Aubergine war noch deutlich besser: saftig, weich aber nicht matschig und die Schale mal nicht hart, sondern knusprig und mit Röstnoten! Dazu ein quietschgrüner, toller Minzjoghurt und auch der sehr intensive Tomaten-Crumble gefiel mir ausnehmend gut. Hier stahlen die Nebendarsteller dem Fleisch tatsächlich etwas die Schau!
Mein kleines Abendessen endete mit einem Käsegang, der im Culinaria seit jeher unter den Vorspeisen zu finden ist.
Cremiger Ziegenkäse auf zwei heißen Crossini, die ihrem Namen Ehre machten, gekrönt von Roter Bete und eingelegtem Kürbis, versprach ein rustikales Vergnügen. War es auch, nur die marinierte Bete war recht weich und geschmacklich nicht „erdig“ genug. Dem Kürbis-Chutney fehlte etwas Säure. So blieb, nachdem sich der Brot-Crunch aufgelöst hatte, ein etwas zu einheitliches, natürlich angenehm-süßliches Mundgefühl zurück, weder salzig, noch säuerlich, erst recht nicht pikant. Hat geschmeckt und wäre vielleicht als Einstieg in den Abend tatsächlich besser gewesen, als nach den schon genossenen Krachern. Aber für meine Bestellung „gegen den Strom“ kann die Küche ja nichts.
Im Finale dieses äußerst angenehmen Abends gab es aber doch noch etwas Süßes, natürlich nur im Glas. Aber der marzipanige Adsum von Pecorari aus Sauvignon Blanc und Traminer war dann selbst mir zu viel. Schnell perlte ein spritziger Bracchetto d‘Aqui dunkelfruchtig im Glas und entließ mich als Abschiedsgeschenk des Hauses beschwingt in die Nacht. Wozu nicht nur die sympathische Crew und die beste Küchenleistung des Culinaria beigetragen hatten, sondern auch der Preis von gerade mal 79€ für sechs Gänge plus Brot und Erfrischung.
Etwas wehmütig verfolge ich derzeit die take-away-Offerten des Culinaria im Netz, die meist schnell wieder als ausverkauft gekennzeichnet werden. Absolut verständlich.
Vor Corona besuchte ich mehrmals im Jahr das Culinaria. Und nicht mehr nur wie anfangs als Ausweichziel, wenn das High Kitchen und Hadrys Landhaus geschlossen hatten. Nicht ganz in deren Liga spielend, wird hier eine internationale Küche mit eigenen Ideen geboten, die mehr auf Kombinationen und kräftige Aromen setzt als auf Produktpurismus. Heraus kommen zumeist farbenfrohe Gerichte, die nicht nur auf dem Foto Spaß machen. Zudem ist die Lage über der Elbe einfach toll und im vergangenen Jahr wurde eine... mehr lesen
Geschrieben am 24.03.2018 2018-03-24| Aktualisiert am
30.03.2018
Es existiert eine neue Bewertung von diesem User zu Culinaria
Besucht am 19.02.2018Besuchszeit: Abendessen 1 Personen
Rechnungsbetrag: 69 EUR
Wie in den letzten Monaten häufig, mal wieder in der unbesternten Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts. Die Frage Hadrys oder Selma&Rudolph stellte sich nicht - beide geschlossen. Beim Hyaku Mizu war ich erst vor zwei Wochen gewesen und der Saison wollte ich noch keine zweite Chance geben. Lustloses Stochern im Internet, der Italiener Cuochi i per Caso sieht ganz gut aus, ist aber zu weit für einen Fußmarsch entfernt. Indes: Auf der Homepage gab es auch eine Verlinkung zu einem erst kürzlich eröffneten Restaurant derselben Betreiber unterhalb des Domfelsen an der Elbe. Ein Blick auf die Homepage versprach Genüssliches und so machte ich mich im schon recht kalten Abendwind entlang des Flusses auf den Weg. Nach der Hälfte retour, um die Brieftasche aus dem Hotel zu holen. Das ging ja gut los...
Der äußerliche Eindruck ließ mich trotz der einladenden Beleuchtung stutzen
Nicht etwa wegen der Verkleidung des geschwungenen Baukörpers mit Stahlblechschindeln, bei dem sich wahlweise Gedanken an ein UFO, ein U-Boot oder einen amerikanischen Diner der 50er Jahre aufdrängten. Aber im Netz hatte das Innere doch viel größer ausgesehen? TARDIS-Technologie etwa? Das Geheimnis lüftete sich nach dem Eintreten: Ein Teil des Restaurants befindet sich unterirdisch in den Kasematten des Felsen, die ursprünglich zu einer Bahnlinie in den Hafen gehörten. Auf dem gleichen Niveau auch die Terrasse direkt am Fluss, die einen Besuch bei schönem Wetter fast erzwingt. Aber auch drinnen gibt es sehr schöne Fensterplätze. Um die Höhe des oberirdischen Aufbaus auszugleichen, ist hier die Decke abgehängt. Aus meiner Sicht etwas schade. Allerdings machte sich die geräuschdämmende Wirkung positiv bemerkbar, als sich das Culinaria komplett füllte.
Der Raum wirkte ein wenig vollgestellt und unaufgeräumt
Kinderspielzeug (löblich), Kuchenkühlschrank, viele Gläser auf der Theke und dem Hängetisch an der Mittelsäule, Serviettenstapel, eine einsame Grünpflanze, noch ein Kühlschrank usw. Das passt nicht recht zum angesagten Industrial Design mit blanken Holztischen auf rohen Metallgestellen, schlichtem Steinfußboden und den allgegenwärtigen großen „Glühbirnen“. Auch die Bestuhlung etwas unentschlossen. Während die gepolsterten, mit Velours bezogenen Exemplare jedenfalls in der besessenen Club-Ausführung sehr bequem sind, scheinen die Hochstühle direkt aus dem örtlichen Folterkeller übernommen worden zu sein. Wer zwingt Menschen auf sowas? Und warum bloß?
Alles in allem: Design vs. Realität. Ausgang Geschmacksache. Ungemütlich war’s aber nicht.
Der Toilettenbereich ist in einem der Tunnel eingebaut, modern und sauber. Allerdings funktionierte der Handtuchspender nicht, das ist blöd, wenn man mit tropfenden Händen davor steht.
Auf den Tischen herrschte Klarheit. Schickes schwarzes Besteck von Comas
Wasser- und Weinglas, Frottee-Serviette. Künstliches Teelicht. In die Tische war Glas eingelassen, so dass man in die massiven Holzplatten schauen konnte
Mal was anderes.
Gleich nach dem Eintreten wurde ich von einer jüngeren Dame in weißer Bluse und grauer Weste bemerkt und etwas burschikos begrüßt. Aber das war nicht böse gemeint, so ist hier in Magdeburg auch in der gehobenen Gastronomie der Ton eben, wie ich aus persönlicher Erfahrung inzwischen weiß. Immerhin bedauerte sie, mir nur einen kleinen Tisch mitten im Raum anbieten zu können. Ach nee, dann doch lieber an die Theke, denke ich, und erklimme den Folterstuhl.
Unterstützt wird die Restaurantleiterin, die einen guten Job macht, von drei jungen Menschen in schwarz. Alle sind nicht vom Fach und haben noch recht große Lücken, aber sie sind freundlich und willig, wenn man klare Ansagen macht. Erklärt vielleicht auch die resolute Art der Chefin. Später kommen wir in ein nettes Gespräch.
Von meinem Hochsitz schaute ich in eine gut gefüllte Bar
Was aber nur für die Menge, nicht für die Auswahl galt. Mit Müh‘ und Not fand sich ein Crodino, das mit Soda aufgespritzt und mit viel Orange und frischer Minze gepimpt, doch einen recht vernünftigen Auftakt in die alkoholfreie Zeit darstellte (5€). Leider das Letzte seiner Art, im Nachgang ging ich auf Johannisbeersaft und Wasser (je 2,9€) zum selber Mixen über. Eis und weitere Minze gab’s auf Nachfrage auch noch.
Eine Woche vorher hätte ich auf der Weinkarte einen recht kompletten Streifzug durch die italienischen Anbaugebiete machen können, bis hin zu drei Super-Toskanern. Dazu nur vereinzelte Flaschen aus Deutschland, Österreich und Spanien. Etwas seltsam und sicher durch den bisherigen kulinarischen Schwerpunkt der Inhaber bestimmt. (Ihnen gehört auch das Sapori d’Italia, Feinkostladen nebst kleinem Bistro im Einkaufszentrum Allee-Center. Neugierig bin ich dort am folgenden Mittag eingekehrt und war sehr zufrieden!)
Kaum stand der Aperitif vor mir, verabschiedeten sich in meinem Rücken die Gesellschaft von Geschäftsleuten, die bis dato den schönsten Tisch des Ladens besetzt hatte. Ein runder Achter in einer etwas „lauschiger“ eingerichteten Ecke
Mir wurde sofort ein Umzug angeboten. Holla, das war mutig, auch wenn sich Gruppen meist anmelden. Vielleicht stand auch der Wunsch Pate, das gelegentlich ungelenke Treiben hinter dem Tresen meinen wachsamen Blicken zu entziehen? Man sieht mir ja mein tibetanisches Wohlwollen nicht gleich an... Egal, von meinem Clubsesselchen gemütlich umfangen, residierte ich hinter dem mächtigen Möbel wie Graf Koks von der Gasanstalt und widmete mich der angenehm übersichtlichen Karte, die leider kein Menü enthielt:
Für das auf dem Teller Gebotene ein gutes PLV, das dem örtlich üblichen entsprach.
Aus der Küche kam zunächst frisches, knuspriges Weißbrot mit einer schmackigen tomatisierten Kräutercreme
Mehr als o.k. Kein weiterer Gruß.
Der erste Gang konnte überraschen
Ganz ungewöhnlich für das edle Stück war das Filet mit dem Steaker auf Handgröße flachgeklopft
und dann geflämmt worden. Dadurch natürlich etwas erwärmt, extrem weich und mit kräftiger Rauchnote. Im Mund der nächste Überraschungseffekt: Was ich beim Hinsehen für Salzflocken hielt, war eine ganz leicht karamellisierte Zuckerkruste. Dieser Teufelskerl in der Küche! Süße und Grillaroma geht natürlich immer. Genauso der Balsamico, der mit Parmesan und getrockneten Tomaten das Bouquet aus Frisee, Radicchio und Feldsalat begleitete. Das war mal mit eigentlich einfachen Mitteln ein wirklich ambitionierter Auftakt!
Als Zwischengang hatte ich mich für die Tagesempfehlung Pappardelle mit Trüffel entschieden
Die eventuell selbst gemachten, breiten Bandnudeln hatte einen schönen Biss und kamen mit einer großen Menge gehobelter Trüffel an den Tisch. Dementsprechend ein kräftiger Duft. Aber wie so oft, ergab sich daraus so gut wie kein Geschmack. Um so stärker vom reichlich verwendeten Trüffelöl. Es war kein schlechter Teller, zu dem ein frittiertes Blatt Salbei ebenso passte, wie angeschwitzte rote Zwiebeln und Knoblauchwürfel. Trotzdem: Den Preis etwas hoch gesetzt und deutlich weniger, aber dafür Perigord-Trüffel - das wäre schon eine andere Klasse gewesen.
Der Teller des Hauptgangs war ordentlich gefüllt
Ferkelbauch aus dem Ofen, Linsen, Röstzwiebeln, viele scharf angebratene Chorizo-Stücke und noch Pastinakenschaum. Das gebackene Schweinefleisch sah wunderbar aus, hatte aber auch Schwächen. Sehr dunkle, resche Kruste, die teilweise schon hart geworden war (immerhin besser als weich). Saftig, aber die Fleischschicht zum Rand hin eher trocken. Die vielen Beilagen rissen es nicht wirklich raus. Am Besten ohne Frage das rauchig-süße, sehr intensive Mus von Röstzwiebeln. Daher war der ebenfalls süße Pastinakenschaum verzichtbar, zumal er gegen die kräftigen Aromen kaum durchschmeckte. Die Linsen eher trocken und bis auf etwas Rosmarin kaum merkbar gewürzt. Langweilig. Eigentliches Problem die „scharfe spanische Wurst“, die vor allem so salzig war, dass sie alles überdeckte. Mir reichte eine Scheibe in kleinen Stückchen völlig, trotzdem bestellte ich noch ein Wasser. Schade, die Erwartungen nicht ganz erfüllt.
Der Abschluss dann wieder sehr zufriedenstellend
Eigentlich stand der Bergkäse als Vorspeise auf der Karte, aber einem Käse zum Ende eines Menüs kann ich ja nicht widerstehen, erst recht nicht warm.
Behutsam im Ofen gebacken, eine schöne weiche Konsistenz, aber noch in Form. Das kräftige Aroma konnte die intensive Frucht der vielen Cranberries gut ausbalancieren. Walnüsse zum Beißen, angeröstet, ganz prima! Als Unterlage fungierte selbst gemachtes dickes Knäckebrot, das mir mit mediterranen Kräutern im geschmacksstarken Teig gut gefiel. Ein versöhnlicher Abschluss.
Fazit:
Die Küche versteht ihr Handwerk und hat Anspruch. Wie auch im Restaurant selbst, war aber einiges unordentlich ausgeführt, nicht ausbalanciert. Das ist schade, denn der Abend hat mir Spaß gemacht. Das Culinaria ziehe ich gern für einen Wiederholungsbesuch in Erwägung.
Wie in den letzten Monaten häufig, mal wieder in der unbesternten Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts. Die Frage Hadrys oder Selma&Rudolph stellte sich nicht - beide geschlossen. Beim Hyaku Mizu war ich erst vor zwei Wochen gewesen und der Saison wollte ich noch keine zweite Chance geben. Lustloses Stochern im Internet, der Italiener Cuochi i per Caso sieht ganz gut aus, ist aber zu weit für einen Fußmarsch entfernt. Indes: Auf der Homepage gab es auch eine Verlinkung zu einem erst kürzlich eröffneten... mehr lesen
Man merkt schon: Ich fühle mich hier wohl und genieße die Zeit. So auch bei diesem Besuch.
Man hatte mir schon einen Tisch im hinteren, etwas abgeschotteten Bereich gedeckt, an dem ich meine Ruhe für Fotos und ausgiebige Notizen hatte. Am fast wörtlichen Ende der Nahrungskette konnte ich zudem Beleuchtung und Frischluftzufuhr nach eigenem Gusto regeln, ohne Stress mit anderen Gästen zu riskieren. Ich war also voller Vorfreude; hatte ich doch einige „mollige“ Angebote in der kleinen Karte auf dem Klemmbrett entdeckt.
Leicht zu verschmerzen war so der empfohlene, aber deutlich zu süße Haus-Aperitif, den ich nach einem Schluck gegen einen Moscow Mule tauschte. Den hätte ich zwar gern pikant-würzig mit Ginger-Root-Beer statt süßem Ginger-Ale gehabt, aber freundlicherweise wurde auch nur ein Cocktail abgerechnet (7,5€). Die Flasche Wasser liegt bei 6,1€.
Zur Einstimmung kam ein reichlich bemessenes Brot-Trio auf den Tisch: Ciabatta, selbst gebackenes Focaccia, das mir am Besten gefiel und etwas Kräftiges in Kurkuma-Gelb mit Schinken. Der Sahne-Joghurt im Zaziki hätte auch AndiHa gefallen und darum war auch Gurke gar nicht schlimm. Das weitgehende Fehlen von Knoblauch schon eher. Dafür schmeckte das Olivenöl nicht weichgespült, sondern hatte knackige Bitternoten. Mit frischem Brot und etwas Salz nicht das Schlechteste.
Inzwischen hatte ich das aktuelle Weinangebot gesichtet und, wenn man dem Netz Glauben schenken darf, zackig vor einer der höchsten Lagen Italiens kapituliert: Feldmarschall von Fenner liegt auf über 1000 Meter und bringt einen ungewöhnlich mineralischen Müller-Thurgau mit deutlicher Muskatnote hervor, der perfekt zu meinem asiatisch angehauchten Einsteiger passen sollte. Ein bemerkenswerter Wein, der mich begeisterte und nichts mit dem blumigen Allerweltsschoppen zu tun hat, den mein lieber Vater in den 70ern, sorry, wegsoff. Außerdem fielen die aufgerufenen 58€ eindeutig in die Kategorie „Schnäppchen“. Leider die letzte Flasche, sonst hätte ich auch den zweiten Marschall zu Fall gebracht...
Auf dem Teller wurde der kühle Glasnudelsalat eindeutig von dem à la minute gebratenen Kalbsrücken dominiert, der in dicke Scheiben tranchiert und leicht warm noch gerade einen Hauch Rosa zeigte. Mir war es einen Tick zu weit, aber das ist klar Geschmacksache. Zweites Schwergewicht waren die Fruchtaromen von Mango, Ananas und Granatapfel, gegen die sich Koriander und Chili erst am Ende bemerkbar machen konnten. Sesam-Öl und schwarze Samen dienten als recht kräftige Verbinder, Zucchini-Spaghetti als Topping brachten noch etwas Textur ins Spiel bei einem Teller, der „alles“ bot: Frische, Knackigkeit, fruchtige Säure, ein „Maul voll Fleisch“ und am Ende schöne Schärfe. Ein Musterbeispiel für die Culinaria-Küche!
In einem Tumbler wurde nun weiße Tomatensuppe serviert, die leicht mit Sahne gebunden war und trotzdem durch kräftige Würzung, u.a. mit Piment d‘Espelette auffiel, während vom Ausgangsprodukt noch eine leichte Säure kündete. Das musste auch Wumms haben, um gegen die scharf angebratene Lammhack-Praline und einen etwas dick geratenen, aber noch knusprigen Parmesan-Chip mit kräftiger Kräuternote von Öl und einem kleinen Bouquet anzukommen. Auch der Feldmarschall im Glas musste etwas kämpfen, unterlag aber nicht! Passte alles, aber für einen zweiten Gang insgesamt doch sehr intensiv.
Demgemäß schaltete die Küche mit dem Zwischengericht etwas zurück. Allerdings auch nur einen Gang, denn die angebratenen Salsiccia-Scheiben zu den perfekt al dente gekochten Tagliaroni hatten durchaus Charakter. Mussten sie auch, denn durch den Stracciatella di bufala kam eine dämpfende Milchsäure-Note ins Spiel. Geschmolzene Kirschtomaten passen zu diesem Pastagericht ebenso perfekt wie etwas Grana Pardano und ein paar Tropfen Kräuteröl.
Beruhigung für den Gaumen in bekannten Gefilden, aber zum Sattessen schmackig und gut.
Hat da jemand schmackig geschrieben? Na, dann mal ran an die süße Paprika-Crème, die mit Chili-Öl das Surf‘n‘Turf von nicht zu scharfer Chorizo und einem gleichzeitig knusprigen wie fleischig-zarten Oktopus-Tentakel begleitete. Unfassbar gut! Dazu ordentliche Fondant-Kartoffeln, um die ganze Süffigkeit auch gesittet vom Teller zu wischen... Borgfelder Soulfood!
Jetzt aber ran an die 80er-Jahre-Erfrischung. Stäbchen kamen nicht, aber eine cremige Kugel Kürbis-Eis aus dem Pacojet. Im Geschmack nicht zu süß, das war schon mal gut. Eindeutig den Halloween-Erleuchter präsentierend, wenn auch etwas sehr „naked“. Ein wenig Öl oder Bruch von Kernen hätte nicht geschadet.
Beim Fleischgang musste auch der Spitzenmilitär kapitulieren. Bzw. hätte er müssen, wenn die Flasche nicht schon vor dem Kraken-Arm geleert gewesen wäre.
An schweren Roten herrscht hier kein Mangel, selbst Super-Toscaner sind vergleichsweise günstig im Angebot. Nichts für meiner Eltern einzigen Sohn. Aber ein Primitivo Es von Gianfranco Fino ist unter den Rebensäften aus der Manduria schon eine Ansage und auch hier waren 10 Euro für die großzügig nachgeschenkten 0,1l mehr als kundenfreundlich kalkuliert.
War da noch was? Klar, ein Lammrücken, der außen eine schöne Bräunung und innen rosa Fleisch zeigte, aber doch zarter hätte sein dürfen, zumindest für meine Beißerchen. Vielleicht setzte aber auch schon etwas Erschöpfung ein, so ein Menü verlangt den ganzen Schlemmer, besonders bei den hiesigen Portionen. (Tatsächlich wird im Culinaria in der Regel kein Menü angeboten; man wählt à la carte. Mein inständiges Bitten nach kleineren Portionen wird stets großzügig übergangen.)
Die Begleiter verschoben das Lamm in den Orient: Kichererbsen-Ragout mit Biss und daher nicht so mehlig; es war auch deutlich mit Koriandergrün und Minze gearbeitet worden. Schon sehr gut, aber die gebackene Mini-Aubergine war noch deutlich besser: saftig, weich aber nicht matschig und die Schale mal nicht hart, sondern knusprig und mit Röstnoten! Dazu ein quietschgrüner, toller Minzjoghurt und auch der sehr intensive Tomaten-Crumble gefiel mir ausnehmend gut. Hier stahlen die Nebendarsteller dem Fleisch tatsächlich etwas die Schau!
Mein kleines Abendessen endete mit einem Käsegang, der im Culinaria seit jeher unter den Vorspeisen zu finden ist.
Cremiger Ziegenkäse auf zwei heißen Crossini, die ihrem Namen Ehre machten, gekrönt von Roter Bete und eingelegtem Kürbis, versprach ein rustikales Vergnügen. War es auch, nur die marinierte Bete war recht weich und geschmacklich nicht „erdig“ genug. Dem Kürbis-Chutney fehlte etwas Säure. So blieb, nachdem sich der Brot-Crunch aufgelöst hatte, ein etwas zu einheitliches, natürlich angenehm-süßliches Mundgefühl zurück, weder salzig, noch säuerlich, erst recht nicht pikant. Hat geschmeckt und wäre vielleicht als Einstieg in den Abend tatsächlich besser gewesen, als nach den schon genossenen Krachern. Aber für meine Bestellung „gegen den Strom“ kann die Küche ja nichts.
Im Finale dieses äußerst angenehmen Abends gab es aber doch noch etwas Süßes, natürlich nur im Glas. Aber der marzipanige Adsum von Pecorari aus Sauvignon Blanc und Traminer war dann selbst mir zu viel. Schnell perlte ein spritziger Bracchetto d‘Aqui dunkelfruchtig im Glas und entließ mich als Abschiedsgeschenk des Hauses beschwingt in die Nacht. Wozu nicht nur die sympathische Crew und die beste Küchenleistung des Culinaria beigetragen hatten, sondern auch der Preis von gerade mal 79€ für sechs Gänge plus Brot und Erfrischung.
Etwas wehmütig verfolge ich derzeit die take-away-Offerten des Culinaria im Netz, die meist schnell wieder als ausverkauft gekennzeichnet werden. Absolut verständlich.