Titus
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Wiehbergstraße 98, 30519 Hannover
Restaurant Sternerestaurant
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GastroGuide-User: hbeermann
hbeermann hat Titus in 30519 Hannover bewertet.
vor 8 Jahren
"16 Punkte im Gault Millau bekommt man nicht umsonst"
Verifiziert

Geschrieben am 01.05.2016 | Aktualisiert am 01.05.2016
Es existiert eine neue Bewertung von diesem User zu Titus
Besucht am 28.04.2016
An einem Standort im Süden Hannovers mit langer Tradition (dort war früher das L'Etoile von Joachim Stern, der heute das alte Jagdhaus bewirtschaftet) macht Dieter Grubert seit vielen Jahren seine Gäste glücklich. Restaurantleiter hat es mehrere in dieser Zeit gegeben. Sein jetziges Team ist ein Volltreffer.

Da ich einmal einen halben Tag mit Herrn Grubert kochen durfte (im Rahmen eines High-Class-Kochkurses) fühle ich mich dem Restaurant ein wenig verbunden. Von den Tricks, die er mir damals vermittelt hat, profitiere ich dauerhaft.
Wir hatten schon vor geraumer Zeit ein Treffen im Titus mit Wirtschaftswunder und seiner Frau, Princess of Bavaria, vereinbart. Heute war es nun so weit. Kurz nach 20:00 Uhr waren wir vollzählig. Wir wurden freundlich und charmant begrüßt, die Garderobe wurde uns abgenommen und verstaut. Dann brachte uns der Restaurantleiter, Herr Schafnitzel, zu unserem Tisch, der schön eingedeckt war mit Blume, feinen Gläsern und WMF-Hotelbesteck, die schweren Servietten zum Ring gefaltet.  Eine Flasche Taunusquelle in der hübschen strukturierten, leicht grünen Flasche kam zuerst.. Schon beim heimischen Studium der Karten war mir aufgefallen, dass Herr Grubert die Getränke ungewöhnlich fair kalkuliert. Somit regte ich an, doch gleich eine Flasche Champagner zu moderaten 68 Euro zu nehmen. Freundin Obacht wäre mit einem Ferrari rosé brut zu 54 Euro noch etwas günstiger davon gekommen. Die Auswahl an Schaumweinen (15) und Stillweinen (allein 19 Rieslinge) ist groß und gut zusammen gestellt.  Da wir wussten, dass uns zu Beginn Dinge aus dem Meer erwarteten, empfahl ich einen Weißburgunder von Wittmann zu 26 Euro. Dem wurde Folge geleistet, nachdem Wirtschaftswunder sich den Wein eingehend hatte beschreiben lassen.  Unser Champagner wurde in schönen Roederer-Gläsern mit guten Moussierpunkten am Boden serviert, natürlich sehr kalt.

Das Restaurant ist klein (ein großer, zwei Vierertische, ein Zweier) und eigenwillig, aber schön eingerichtet. Geschickte Anordnung von Dekoelementen und Beleuchtung lassen den Raum größer wirken. Die schweren dunkelroten Samtvorhänge zur Straße hin sind indirekt oben beleuchtet. Die Tischabstände sind großzügig bemessen. Das finde ich prima. Es ist ein Zeichen fehlender Gier. Auch ich betreibe meine Praxis mit strenger Selbstbeschränkung. Ich hasse volle Wartezimmer.

Als Gruß aus der Küche kam ein recht großer eckiger Holzkasten mit drei Sorten Brot und gesalzene streichfähige Butter. Das Brot bereitete einfach Vergnügen. So etwas Gutes bekommt man selten. Es war absolut frisch und knusprig. Ich vermute, Herr Grubert ist auch ein begnadeter Bäcker.  Auf meinem Foto ist der Bestand schon deutlich gelichtet. Im Verlauf des Abends wurde der Kasten komplett leer. Das Amuse gueule bestand aus einer exzellenten stückigen Morchelrahmsuppe, einem Gemüsemaki, etwas Lachskaviar auf seinem Schaum, einem Kartoffelchip, einem Stück eingelegtem Spargel, pulled Duck und einer Erdbeere unter Wasabi-Kruste. Wie bei allen folgenden Gängen annoncierte Herr Schafnitzel jeden Bestandteil perfekt und verständlich. Auch seine Erläuterungen zu den Weinen hatte Sommelier-Qualität. Der „Assistent des Gastgebers“, Herr Lattwesen, glänzte mit derselben Detailverliebtheit und extremer Aufmerksamkeit. Unsere Gläser wurden nie leer, und wir saßen nie länger als eine Minute vor leeren Tellern. Die Fragen nach der Gesamtzufriedenheit erfolgten nach jedem Gang.

Da wir ausnahmsweise auf ein Taxi verzichtet hatten, probierte ich die Weine nur, blieb aber sonst bei einem roten Trauben-Secco von Raumland zu 4,50 je 200 ml. Ich habe die ganze Flasche ausgetrunken, bekam aber nur drei Gläser berechnet.

Alle hatten das kleine Menü zu 60 Euro gewählt, Wirtschaftswunder serienmäßig, alle anderen mit einem Austauschpunkt.

Gang 1
"Backfisch" aus Wels und Jakobsmuschel, Pulpo, Wakame-Algen, Chili-Orange, Basilikum, Merrettichraspeln.
Hier wurde gleich klar, dass Herr Grubert nicht zur Gilde der Natriumchloridsparer gehört. Nachgewürzt haben wir nichts an diesem Abend. Perfektes Zusammenspiel der vielfältigen Aromen. Pulpoarm saftig gegrillt, das in Tempura ausgebackene Meeresallerlei  zerging natürlich auf der Zunge. Zerkleinerte Jakobsmuschel ausgebacken, hatte ich noch nie gegessen. Die Algen waren knackig und in Verbindung mit den beiden Soßenspiegeln ein Gedicht.

Gang 2
Atlantik-Steinbutt mit Krabben-Algen-Crunch, Zitronengrascreme, Petersilie. Für meine Frau fast ein wenig zu glasig, für mich perfekt. Auch hier wieder perfekte Aromenharmonie.

Gang 3
Salzwiesenlammrücken auf Bohnen und Graupen in einer würzigen Buttersoße. Perfekter Garungsgrad, extrem zart,  die Bohnen gut gewürzt. Mich haben die Graupen nicht gestört, meine Frau schon.

Dazu bekamen die Nichtfahrer je ein Glas eines tollen Rotweins, Klingenberg Churfranken, Spätburgunder Rück (im Einkauf um die 20 Euro). Für meine Frau eine Offenbarung.

Gang 4
Matcha Eis (aus Grüntee), Panna Cotta, Himbeeren, übergeflammter Sahne. Himbeeren mag ich nicht so gern, die Panna Cotta war ein Traum, das Matcha-Eis mit seinem ungewöhnlichen Geschmack eine neue gute Erfahrung.
Es war noch ein wenig Champagner in der Flasche, der nun an drei aufgeteilt wurde. Dazu brachte Herr Lattwesen noch den Rest aus meiner Seccoflasche und einen überdimensionalen Porzellanlöffel mit kleinen Leckereien (siehe Bild). Davon habe ich nichts probiert.

Der Abend war lang. Wenn man weiß, dass Herr Grubert auf einer Gußeisenplatte von 60 X 60 cm, im vorderen Bereich extrem erhitzt, seine Speisen kocht und brät, ist klar, dass es nicht ohne gewisse Wartezeiten zwischen Gängen abgeht.  Für einen Alleinkoch ist die logistische Leistung wirklich bemerkenswert. Die Vielfalt setzt eine sorgfältige Vorbereitung voraus. Mit den beiden geübten und unterhaltsamen Feinschmeckern verging die Zeit aber wie im Flug.

Es war alles blitzsauber, die Toilette habe ich nicht besucht.

Unsere Gesamtrechnung belief sich auf 377 Euro. Ich zahlte mit der EC-Card und legte 40 Euro Trinkgeld dazu.

Herr Grubert stand etwas erschossen  an einen Tisch gelehnt in seiner Küche, als wir gingen, kam aber gleich heraus und verabschiedete sich von uns per Handschlag. Ich drückte noch einmal meine Dankbarkeit für den damaligen Kochkurs aus. Durch Zitat eines seiner Standardsprüche machte ich mich glaubhaft.

Nach Küchenreise selbstverständlich die 5= unbedingt wieder
 
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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