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GastroGuide-User: Shaneymac
Shaneymac hat Junkbrunnen in 42653 Solingen bewertet.
vor 4 Jahren
"Museale Mittagspause"
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Geschrieben am 23.01.2020 | Aktualisiert am 02.02.2020
Besucht am 20.01.2020 Besuchszeit: Mittagessen 1 Personen Rechnungsbetrag: 26 EUR
Ein eng getakteter Vormittag lag hinter mir, das kurze, allmitttägliche 13 Uhr „SCRUM  Daily“ mit unseren hiesigen Entwicklern und dem Off-Shore Team aus Indien ebenfalls, Zeit zum Durchatmen und wieder ein wenig in der Muttersprache zu parlieren.
 
Es war ein kalter, trockener und sonniger Montag, das treue Vehikel beförderte mich kurz darauf von Höhscheid aus via Stadtmitte, Wasserturm und Central nach Gräfrath, um dort auf dem geräumigen Parkplatz des Kunstmuseums komfortabel abgestellt werden zu können.
 
Kunstmuseum an einem Montagmittag? Wie kam es dazu? Eine kurze 24-Stunden-Rückblende:
 
Am verregneten Sonntag zuvor erinnerte ich mich daran, dass das bisweilen fragwürdige Kabeleins Format „Mein Lokal, Dein Lokal“ im Herbst wieder einmal Station im Bergischen gemacht hatte und auch zwei Solinger Betriebe daran teilnahmen.
 
Kurzentschlossen schaute ich mir diese beiden Folgen an, neben dem Junkbrunnen war auch die beliebte Trattoria „Mille Gusti“ dabei, die ich vor Jahren schon einmal rezensiert hatte.
 
Auch wenn dem Format laut Aussage vieler Gastronomen Ansätze von Scripted Reality innewohnt, kann man dem Ganzen zumindest dann einen gewissen Unterhaltungswert nicht absprechen, wenn man die Restaurants und Protagonisten persönlich kennt.
 
„Fun fact“: Die 2017er Ausgabe mit Solinger Betrieben hat sich für mich unsterblich gemacht, weil ein in Solingen mitnichten unbekannter, in Nähe des ehemaligen Hauptbahnhofes wirkender Gastronom sich weiland in der Folge eines zu bewertenden Mitbewerbers furchtbar über ein Convenience Produkt in der Küche seines Mitstreiters echauffierte, dann aber allen Ernstes in „seiner“ Folge mit Lukull Fertig-Bernaise hantierte, was nicht nur das Konkurrenzfeld erstaunt haben dürfte – gastronomische Realsatire, die jedoch zu meinen kulinarischen Erfahrungen in seinem Restaurant passte.
 
Die Betreiber des Junkbrunnens machten hingegen in der Sendung einen sympathischen Eindruck, das, was die Küche verließ einen ordentlichen, durchaus anspruchsvollen solchen und überhaupt fiel mir wieder ein, dass der „Junkbrunnen“ ein seit zig Jahren auszumerzender weißer Fleck auf meiner persönlichen Gastro-Landkarte war.
 
Und somit können wir den grauen Sonntag getrost wieder vorspulen und uns gedanklich wieder um 13:30 Uhr an einem sonnigen Montag auf dem Parkplatz des Kunstmuseum Solingen wiederfinden.
 
Dieser Parkplatz liegt rückwärtig, die Straßenansicht des von der Wuppertaler Straße erhöht liegenden Gebäudes ist vom Straßenniveau etwas schwierig zu wahrzunehmen. Zumindest wenn man im Auto unterwegs ist und das Schild des Restaurants nicht sieht, ist das denkmalgeschützte Gebäude nicht auf den ersten Blick als Heimstatt von Gastronomie zu erkennen.


 
Da die überaus beliebte Korkenziehertrasse, einer zum Spazierengehen, Fahrradfahren etc. umgebauten ehemaligen Bahntrasse über den Parkplatz führt, weist auch dort ein Schild recht prominent platziert auf das Lokal hin.


 
Das im Jahre 1907 im Neubergischen Stil errichtete Gebäude ist ein Ort mit Geschichte, zunächst war es als Rathaus Amtssitz des Gräfrather Bürgermeisters und in den Räumen des jetzigen Restaurants befand sich die Polizeiwache.
 
Das im zweiten Weltkrieg stark beschädigte Kleinod wurde 1953 wiederaufgebaut und war fortan Sitz des deutschen Klingenmuseums, bis jenes 1990 in das eigens dafür umgebaute Kloster Gräfrath zog.
 
Hernach ließ der Kunstmäzen und Sammler Kurt Baden das Haus aufwändig umbauen, danach firmierte es bis 2011 unter „Museum Baden“, seitdem nur noch schlicht unter „Kunstmuseum Solingen“; es beherbergt heute u.a. das europaweit einzige Zentrum für verfolgte Künste.


 
Für mich, Jahrgang 1975, wird es emotional wahrscheinlich auf ewig das Klingenmuseum bleiben, da haben Besuche mit der Grundschulklasse, den Großeltern etc. ihre tiefen Spuren im Langzeitgedächtnis hinterlassen, obwohl das Kloster schon rein in Sachen Platz den geeigneteren Rahmen bildet.
 
Hat man das Gebäude umrundet, steht man vor dem momentan etwas schmucklosen Eingangsbereich des Junkbrunnen – man munkelt übrigens, Hochdruckreiniger wirken auch im Winter gut gegen Grünspan…


 
Eingetreten steht man direkt vor der Bar, einer der Köche begrüßte mich freundlich nickend durch die dahinter liegende, just offene Tür zur Küche, wenige Augenblicke später begrüßte mich eine sympathisch natürliche junge Dame aus dem Service und bot mir die freie Platzwahl an.


 
Das gepflegte Interieur wirkt einen Hauch bieder und ist in Summe für meine Begriffe trotz der grundsätzlich warmen Töne aufgrund des Kachelbodens und der kargen Stühle doch fast schon etwas unbehaglich, wenn es so leer ist, wie an diesem Mittag.
 
Für Gesellschaften jedoch ein sicher idealer Platz, es ist geräumig, gut belüftet und versprüht den etwas angestaubten Charme gepflegter gutbürgerlicher Gastlichkeit.
 
Im vorderen der drei Gasträume befanden sich ca. 5 Personen, die hinteren beiden waren verwaist, ich fand ein ruhiges Plätzchen im letzten Eckchen und freute mich auf etwas Gutes zu essen.


 
Die Karte wurde überreicht und ich stellte fest, dass die Preise bisweilen 10%+ von der Online-Variante abwichen, viel schlimmer war aber, das ich abermals ein zu Hause anvisiertes Gericht nicht auf der Karte fand und resigniert nach Alternativen schaute.


 
Mit tränenerstickter Stimme erklärte ich diesen Umstand meinem herzensguten Service-Küken als es mein zuvor geordertes Selters – die 0,25l zu fairen 2,30€ - servierte und die junge Dame brachte frohe Kunde: Mein Favorit war Teil der Wochenkarte und diese ist im Restaurant nur an Schiefertafeln an den Wänden einzusehen.
 
Dann allerdings frage ich mich, warum man die Gäste beim Überreichen der Karte nicht auch auf diese Tafeln hinweist, wirklich augenfällig war das Exemplar im hinteren Gastraum nicht unbedingt.
 
Allerdings gab es im Detail schon eine kleine Abweichung von der Online-Version, aber dazu gleich mehr…
 
Ich gab meine Bestellung auf, bereitete mich gedanklich schon auf einen Termin am späten Nachmittag vor und harrte der Dinge die da kommen sollten.
 
Kurz darauf nahte ein erstes Lebenszeichen der Küche:
 
| Vorweg |
 


Nein, Brot mit „something to dip“ übertitele ich nicht mehr mit Amuse, vor allem nicht, wenn das Brot dermaßen belanglos ausfällt wie in diesem Fall: Es war in etwa das, was Discounter gemeinhin als Baguette aus ihren Aufbackautomaten verkaufen.
 
Der Dip in Hulk-Farbe wurde freundlich aber ohne Kommentar geliefert, auf Nachfrage wurde er mir als „Rucola-Mayonnaise“ angepriesen.
 
Gottseidank entpuppte diese sich in der Konsistenz als dankenswert leicht und auch geschmacklich vielschichtiger als alleine auf Rauke beruhend. Fast schon an Frankfurter Grüne Soße erinnernd überzeugte sie mit viel Frische und einer wohl-balancierten Abschmeckung.
 
Wäre das Brot nicht so fürchterlich gewesen, hätte ich die kleine Portion gerne vollständig verspeist, so blieb es bei der Hälfte.
 
In angenehmen Abstand folge dann mein
 
| Hauptgericht |
 
Filetspitzen vom Rind und Schwein mit Crevetten auf Spaghetti in Curry-Ingwer-Soße – 16,80€
 
Filetspitzen vom Rind und Schwein mit Crevetten auf Spaghetti in Curry-Ingwer-Soße

Oft sind es ja Kleinigkeiten, die einem vorweg Lust auf ein bestimmtes Gericht machen, in dem Fall war es ein auf gewisse Weise Eleganz und Leichtigkeit implizierender „Schaum“, denn in der Online Version nannte man das Gericht „Filetspitzen vom Schwein und Rind mit Crevetten in Curryschaum, Spaghetti“ und verlangte dort dafür 14,80€.
 
Nun, mit Leichtigkeit hatte diese wahrlich riesige Portion nicht wirklich viel zu tun und statt von Schaum zart umhüllt schwammen die Spaghetti in einer Curry-Sahne-Soße, in der sie auch geschwenkt wurden.
 
Das recht kleinteilige Fleisch dankenswerter Weise obenauf, dazu unbehandelte Mandel-Blättchen und zwei Blättchen Feldsalat als Dekoration.
 
Eine erste Gabel Spaghetti ließ mich dann etwas ernüchtern, dass sie schon sehr weit über al dente hinaus waren, damit konnte ich noch leben.
 
Was mich aber enttäuschte war die Sauce, eine milde, untersalzt-süßliche Langeweile, zarte Currynote, sahnig-sämig mit einer Idee von Ingwer im Hintergrund, flach in jeder Beziehung ohne jede Raffinesse.
 
Ein guter Teelöffel der ein oder anderen Kreation von Ingo Holland hätte diesem Gericht sehr gut getan, auch ein Hauch Chili hätte sicher schon viel gebracht.
 
Das Fleisch wiederum gut gewürzt und gebraten, saftig mit gutem Eigengeschmack aber in seiner gutbürgerlichen Würzung nicht unbedingt zum Curry passend - sie hätte in Kombination mit Pfeffer-Rahmsauce und Kroketten sicher besser funktioniert...
 
Abgesehen von diesen Punkten war das Gericht natürlich tadellos essbar, der Bauch war glücklich und strahlte, nur der Gaumen schaute etwas gelangweilt drein.
 
Während und nach jedem Gang wurde meine Zufriedenheit mit den Gerichten erfragt, unaufdringlich und mit natürlicher Zugewandtheit, man fühlte sich willkommen.
 
Ich schaffte die Portion nicht, auch weil ich noch ein Dessert probieren wollte, man packte mir den Rest aber gerne ein.
 
Die Küche schloss bereits um 14 Uhr (was mittlerweile auch der Homepage zu entnehmen ist, am Montagvormittag was dies noch nicht der Fall, was ich auch anmerkte), trotzdem ließ mich meine junge Dame wissen, ein Dessert sei natürlich möglich, „das kriege sie schon hin“.
 
Super, dann bitte ein
 
| Dessert |
 
Zimtparfait an warmen winterlichem Apfelkompott – 6,80€
 
Zimtparfait an warmen winterlichem Apfelkompott

Wie schon oft erwähnt bin ich kein Dessert-Fan, aber die Kombination aus „Warmer Apfel mit Zimt“, am besten noch mit einer teigigen Komponente à la Crumble, hat es mir angetan.
 
Das Parfait wurde in zwei wenige Millimeter dicken Scheiben serviert - trotzdem schmolz es beim Verspeisen kaum – und war handwerklich im Wortsinne allererste Sahne.
 
Nicht im Ansatz kristallin, ein feiner, sahniger Schmelz, eine unaufdringliche aber trotzdem präsente Zimtnote, ein wunderbares Parfait.
 
Das stückige Apfelkompott trug neben ebenfalls zimtigen Tönen auch ein kleines adventliches Gewürz-Ständchen vor, nun ja, nach dem Fest ist vor dem Fest – es passte, wenn auch dieses Kompott sehr brav daherkam und auch aus Omis kleiner Küche hätte stammen können, im positiven Sinne wohlgemerkt.
 
Die anschließende Kartenzahlung konnte problemlos am Tisch erledigt werden, ein gutes Trinkgeld war aufgrund dieser Service-Leistung eine Pflicht, ich gab es gerne.
 
„Auf Wiedersehen und einen schönen Tag noch!“ ließ man mich bei der Verabschiedung wissen, was ich gerne erwiderte und in den sonnigen Nachmittag startete.
 
 
Fazit
 
Die Küche hat gezeigt, dass sie ehrliches Handwerk betreibt und dieses auch grundsätzlich beherrscht, zudem gute Produkte im Einsatz. Das fürchterliche Brot und eine mir zu brave, langweilige Gefälligkeit im Hauptgericht und im Kompott lassen mich in Summe auf 3 Sterne für das Essen kommen, was immer noch einer guten Wertung und Empfehlung entspricht. Man wird satt bei hauchzart leicht gehobenen Preisen, eine allzu gehobene Erwartung in Sachen kulinarischer Bereicherung sollte man jedoch nicht unbedingt haben, so mein Eindruck nach dieser Momentaufnahme.
 
Der Service sehr, sehr freundlich und bemüht, wohlwollende 4,5 Sterne für verzeihliche kleine Fehlerchen, aber die junge Dame schien auch noch in der Ausbildung zu sein.
 
Das Ambiente ohne Überraschungen, 4 Sterne für die gepflegte gutbürgerliche Gasthaus-Idylle in der ehemaligen Polizeiwache.
 
Die Sauberkeit ohne jeden Tadel, 5 Sterne.
 
Beim PLV bin ich bei 4 Sternen, die geschmacklichen Eindrücke mal beiseitegelassen bekommt man hier einen guten Gegenwert für seine Talerchen, es ist fair kalkuliert.
 
Eine Wiederholung kann ich mir vorstellen, dann aber vielleicht eher in der Abteilung der vom lieben Huck in der Vorkritik so gelobten Speisen, das heimische Wild ist hier vielleicht die bessere Idee als feingliedrige Curry-Sauce mit Tiefe zu erwarten.
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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