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GastroGuide-User: marcO74
marcO74 hat Zum Hirschen | Restaurant beim Stöckeler in 88175 Scheidegg bewertet.
vor 6 Jahren
"Beeindruckende Küchen- und Serviceleistung in Scheideggs erstem Haus am Platz"

Geschrieben am 09.07.2018
Besucht am 01.06.2018 Besuchszeit: Abendessen 2 Personen Rechnungsbetrag: 46 EUR
Aller guten Dinge sind ja bekanntlich drei und das Beste kommt meist zum Schluss. Schon seltsam, dass solch banale Phrasen den kulinarischen Abschluss unseres Kurzaufenthalts im Allgäu auf eine platte, aber zutreffende Formel brachten. Aber genau so war es in Scheideggs erstem Haus am Platz, auf das mich Monsieur Michelin mit seinem Teller für eine Küche mit guter Qualität aufmerksam machte. Drei Tage verbrachten wir in dem staatlich anerkannten Kurort und den Besuch „beim Stöckeler“, wie man diese kulinarische Institution in Scheidegg und Umgebung salopp nennt, hoben wir uns für den letzten Abend auf.
 
Das familiengeführte Haus kann auf eine über 300 Jahre lange Gastrotradition zurückblicken. Die letzten 80 Jahre davon hat Familie Stöckeler geprägt. Küchenchef Markus Stöckeler führt seit 1993 den Betrieb, während sein Bruder Thomas das im Jahre 2015 angegliederte Hotel leitet. So hat sich der Gasthof sukzessive zu einer festen Größe in der Region entwickelt und dank seiner hervorragenden Küche als beliebte Einkehradresse etabliert. Ein kurzer Anruf am Tag davor genügte, um zwei Plätze klarzumachen.
 
An einem sonnig-warmen Freitagabend betraten wir das gemütlich-rustikal eingerichtete Traditionshaus. Die junge Servicedame, die uns in Empfang nahm, hatte einen Tisch im Inneren des Lokals für uns bereit gehalten. Es war uns jedoch eher nach Freiluftgenuss zumute, was vom Serviceteam nonchalant mit einem properen Tisch im Biergarten erfüllt wurde. So saßen wir pünktlich zum Sonnenuntergang im ca. 70 Personen fassenden Open-Air-Bereich und genossen die letzten Stunden unseres Allgäu-Aufenthalts in vollen Zügen.
 
Der positive Ersteindruck, den wir von der Servicemannschaft rund um die gelernte Restaurantfachfrau Mareike Bollinger von der ersten Minute an hatten, sollte sich im Laufe des Abends noch mehrfach bestätigen. Bereitwillig gab man Auskunft, offerierte Zusatzangebote ohne aufdringlich zu wirken, agierte dabei stets freundlich und zuvorkommend, und war auch sonst flott unterwegs oder wie man auch sagt: auf Zack! Eine tolle Truppe, welche die Wirtsfamilie Stöckeler da „zusammengecastet“ hatte und die maßgeblich dazu beitrug, dass wir uns hier gut aufgehoben fühlten.
 
Wie sehr man auf Transparenz bei der Gastfreundschaft Wert legt, davon kündet schon die erste Seite der Speisenkarte. Bei der „Begrüßung“ wurde nicht nur auf die Entwicklung des Gasthauses bzw. des Hotels in den letzten drei Jahren hingewiesen, sondern jeder Mitarbeiter samt Status und Funktion namentlich aufgeführt. Alle Achtung, hier steht die Mannschaft im Mittelpunkt und keiner wird außen vor gelassen!
 
Auf Seite eins is(s)t man mit dem „glutenfreien Frühlingsmenü“ (4-Gänge für 36,80 Euro) auf der Höhe der Zeit. In Nudelteig gebackene Scampis, Rahmsuppe vom Stangenspargel, Filet vom Allgäuer Rind und frische Erdbeeren mit Schokopreziosen würden sicherlich auch Gäste ohne diagnostizierte Zöliakie erfreuen. Auf der zweiten Seite warteten die Tagesempfehlungen und „Freitagsgerichte“. Allgäuer Käsespätzle und Kaiserschmarren gab es scheinbar nur am letzten Tag der Woche. Die drei Gerichte vom Tagesprogramm klangen sehr verlockend. Lammhäxle, Perlhuhnbrust und Schweinebauch – und bitte genau in dieser Reihenfolge!
 
Dann blätterte ich mich durch das appetitanregende Standardprogramm, das neben fünf Vorspeisen, vier Suppen, vier Fischgerichten, einem guten Dutzend Brotzeiten, Steaks in verschiedenen Cuts, drei vegetarischen Mahlzeiten auch sage und schreibe neun „Hirschenklassiker“ listete. Letztere hätten jeden Carnivoren in selige Verzückung versetzt. Geschmorte Rinderbacke, Wienerschnitzel, Kalbs-Cordon-Bleu, Filetgeschnetzeltes vom Schwein und Rind sowie der obligatorische Allgäuer Zwiebelrostbraten – nahezu das komplette Who-is-who der gutbürgerlichen Fleischküche war vertreten. Und das zu Preisen, die lediglich beim Zwiebelrostbraten (20,80 Euro) die 20-Euro-Marke knackten. Beim Durchlesen der Kindergerichte, die alle für freundliche 3 Euro angeboten wurden, war ich mir sicher: hier hätte es mir vor 35 Jahren schon gefallen!
 
Beim Fassbier setzte man voll auf regionalen Gerstensaft. Das Weizen und das Pils stammten aus dem Nachbarort Weiler, dessen Postbrauerei anständige Erzeugnisse liefert. Das Meckatzer „Weiss-Gold“ wurde als „Sonntagsbier“ angepriesen, während das dunkle „Korbinian“ von der Brauerei Zötler aus Rettenberg vollmundig-malzigen Trinkspaß versprach. Wer auch hier glutenfrei unterwegs sein wollte, für den gab es ein Hirsebier von Schnitzer – das jedoch aus der Flasche.
 
Am dunklen Korbinian hatte ich schon am Vorabend in der Altstaufner Einkehr nichts auszusetzen gehabt. Einem halben Liter (3,30 Euro) gegen den Durst stand also nichts im Wege. Die Flasche Mineralwasser schlug mit (noch) anständigen 4,80 Euro zu Buche.
 
Nach dem Motto „Kleinvieh macht auch satt“ orderte ich einen kleine Portion Schweizer Wurstsalat (5,80 Euro) vom Brotzeitsortiment als Vorspeise. Ihm sollte frischer und geräucherter Schweinebauch mit Sauerkraut und Kartoffelbrei (11,80 Euro) folgen. Meine Begleitung mochte es dagegen etwas fleischloser und entschied sich für einen kleinen Beilagensalat (3,80 Euro) und die Allgäuer Käsespätzle (9,80 Euro). Im Hinblick auf die ansprechende Dessertauswahl wollten wir uns nicht schon vorzeitig in „Fressnarkose“ versetzen und spielten kulinarisch zugegebenermaßen etwas auf Zeit.
 
Der eidgenössische Wurstsalat (mit Emmentaler) wurde pfiffig in einer kleinen Schüssel auf einem Holzbrett mit obligatorischer Semmel serviert. In Scheiben geschnittene Schüblinge (Brühwürste), Gurken, rote Zwiebelringe und ordentlich Käse schwammen in einem delikaten, gut ausbalancierten Essig-Öl-Dressing. Die qualitativ guten Zutaten machten dieses einfache Gericht zu einem wahren Leckerbissen, dem auch die warme Witterung nichts anhaben konnte. Genauso frisch war übrigens auch der kleine Beilagensalat angemacht. Grüne Blätter, weißes Kraut, ein paar Gurkenscheiben und knackige Karottenraspel sorgten bei meiner Begleitung für sommerlichen Salatgenuss vorweg.
 
Ihre im Anschluss folgende Portion Käsespätzle konnte sich wirklich sehen lassen. Selbst das menüverspachtelnde Paar am Nachbartisch war vom Aussehen des mit Frittier-Zwiebel-Toupet bedeckten Spätzle-Hügels angetan. Sein geschmolzener Käse hatte ein feines Aroma und hielt die Eierkleinteile auf dem Teller zusammen. Keine Ahnung, ob man dieses Gericht irgendwo besser hinbekommt. Der Dame gegenüber schmeckte es jedenfalls fantastisch.
 
Bei der Schweinerei auf meinem Teller hatte man nicht mit saftigen Bauchscheiben gespart. Feinste Metzgerware, die da geräuchert und nicht zu fett im Sauerkraut gegart wurde und auf selbigem lag. Das Kraut war geschmacklich über alle Zweifel erhaben und hätte auch jedem Pfälzer Teller zur Ehre gereicht. Die salzige Würze des gepökelten Fleisches wurde vom herrlich milden Kartoffelbrei (wie bei Muttern!) gut aufgefangen. Ich persönlich mag es ja, wenn das Püree nicht zu flüssig gerät. Das Verhältnis von Milch, Butter und Kartoffeln muss eben passen und das tat es hier. Ein deftiger Teller mit ausgezeichneter Hausmannskost, den ich bis auf die letzte Pfütze des Sauerkrautsudes genoss. Gutbürgerliche Küche kann unter fachkundiger Verwendung hochwertiger Produkte richtig gut tun! Oder wie der Großmeister der Restaurantkritik Thomas Platt einmal schrieb: „Ein gutes Gericht erzählt die Wahrheit über seine Zutaten, ein schlechtes dagegen die Wahrheit über seinen Koch.“
 
Zum Abschluss gönnten wir uns noch ein paar Eis- bzw. Sorbetkugeln, die allesamt aus der eigenen Herstellung kommen. Und so füllten fruchtiges Himbeer-Sorbet (2,20 Euro pro Kugel) und cremigsüße Schokolade (weiß und braun, 1,60 Euro pro Kugel) unseren letzten freien Raum im Magen.
 
Beim Stöckeler werden wir im Rahmen des nächsten Allgäu-Urlaubs sicherlich wieder einkehren. Sein mit Leibspeisen gespicktes Angebot wird uns dann wohl zu Wiederholungstätern machen. Warum auch nicht bei einem so erstklassigen Preis-Genuss-Verhältnis wie hier. Und einem Service, der seinen Dienst am Gast so professionell und dennoch herzlich umsetzt. Für Besucher des Westallgäus deshalb mein Tipp: anrufen – reservieren – hingehen. Alles weitere ergibt sich dann von selbst.
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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