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GastroGuide-User: vati
vati hat Gasthaus Alt Wien in 10407 Berlin bewertet.
vor 10 Jahren
"Es ist grau, diesig und feucht, Tot..."

Geschrieben am 14.04.2014
Es ist grau, diesig und feucht, Totensonntag. Keine Lust zu kochen und tote Hose im Kühlschrank, also auf und raus an die Luft, auf Nahrungssuche.

Im heimischen Sprengel gibt es nichts, worauf wir Appetit hätten, noch nicht. »Alt Wien« ist in der Woche nur am Abend ein gastliches Haus, einzig am Sonntag wird von 12 bis Mitternacht serviert und auch recht lange gekocht. Das hübsche kleine Auto der Gattin ist für das nun sehr chice und vollgeparkte »Bötzow-Viertel« gut geeignet und es fand sich auch ein kleines Park-Plätzchen.

Benannt wurde das Viertel nach der ehemaligen Bötzow-Brauerei, es wird von den »Besatzern« Bööööötzow gesprochen, was natürlich quatsch ist, genau wie die Aussprache von Weißensee, auf die erste Silbe betont. Aber, sollen sie ruhig, wir sind ja tolerant.

Die besten Plätze im Gasthaus waren reserviert, den separaten Raum wollte die Chefin, des Kinderkrachs wegen nicht empfehlen, aber auch der restliche Gastraum war mit Neuberlinern und ihrer schwäbischen Brut gut gefüllt. Die gehen natürlich kreischend über Tische und Bänke, was die Eltern gar nicht interessiert und zu keinen Reaktionen veranlasst.

Diese Familie am anderen Ende geht bestimmt in die gleiche Kita, so dass auch quer durch die Gaststube kommuniziert wird. Wenn das sogar die Eltern tun, woher sollen die Blagen wissen, dass das eigentlich nicht üblich ist und vielleicht andere Gäste stört.

Hier essen die Familien, deren große amerikanische Küchen in den Dachgeschossen nur zum Pizza Essen genutzt werden. Man kann nicht kochen, man geht essen. Dass das dann mit den kleinen Kindern zum Massaker ausartet lässt sich denken. Laut und ungezogen, die großen und die kleinen.

Das Mundart gesprochen wurde, muss ich nicht erwähnen. Der bayrische Opa, auf Berlinbesuch, hatte sichtlich auf Durchgang geschaltet und gar nicht reagiert, sondern sein Bier getrunken und das Schnitzel verzehrt.

Wir konnten ja nun nicht mehr zurück, das Essen ist auch zu gut, also wurde bestellt. Eine Viertel Gans für mich, mit Rot- und Grünkohl und für die halbvegetarische Gattin ein kleines Wiener Schnitzel, das natürlich nicht Senioren- oder Kinderschnitzel heißt, sondern Damenschnitzel. Selbst das hat sie dann nicht geschafft. Dazu natürlich toller Kartoffel- und Gurkensalat. Selbstverständlich gibt es um 12 noch keinen Alkohol, deshalb hatte jeder eine leckere Wachauer Marillen-Brause namens »Wachauer Kracherl«.

Unser Essen war wie erwartet makellos, höchstens mein Rotkohl etwas zu frisch, frisch gekocht und noch nicht auf dem Punkt. Der muss noch ein paar Stunden simmern. Das hat der Grünkohl aber wettgemacht, der war grandios. Übermütig haben wir uns noch einen Kaiserschmarrn geteilt, das ist besonders zu erwähnen, meist schaffen wir es nicht. Den konnten wir übrigens recht ruhig genießen, da die Familien nach ewig langer Vorbereitung dann das Haus verlassen hatten. Welch wohltuende Ruhe ohne diese Plage, auch das Personal war erkennbar erleichtert.

Meine Gattin musste weiter nach Potsdam und ich bin hübsch zu Fuß bis nach Hause gewandert. Am Thälmannpark vorbei, den ich gleich mal anlegen muss, und weiter neben der Straßenbahn her. Damit ist die übermäßige Kalorienaufnahme bestimmt kompensiert worden.

Gerade eben schien sogar für ein paar Minuten die Sonne strahlend aus den dunklen Wolken.

Wir können das »Alt Wien« sehr empfehlen, vielleicht nicht unbedingt Sonntag-Mittag, denn dann ist mit Familien zu rechnen, deren kleine Kinder sicher lieber nicht in einer Gaststätte wären.


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FalkdS findet diese Bewertung gut geschrieben.