Besucht am 27.12.2017Besuchszeit: Abendessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 43 EUR
Das Leben ist Veränderung. In der Gastronomie sowieso. Keine neuartige Erkenntnis, schon gar nicht für Angelo Centamore, dem neuen Inhaber des früheren „La Calma“, das sich seit Juli 2017 „Calma & Gusto“ nennt. Sein sardischer Vorgänger mit dem wohlklingenden Nachnamen Murgia, bei dem ich im März 2016 noch zu Gast war, zählt bereits zur Bremer Gastro-Geschichte. Dieser arbeitet wieder als Maurer in seinem alten Beruf, wohnt in der Nähe und kommt noch regelmäßig zum Essen in seinem ehemaligen Ristorante vorbei. So jedenfalls berichtete uns das der neue Calma-Wirt.
Angelo ist gebürtiger Mannheimer mit deutlich vernehmbaren Kurpfälzer Zungenschlag. Klar, dass auch er sofort den Pfälzer am Tisch witterte. Der ehemalige Maschinenschlosser, der früher im Mannheimer Omnibuswerk mit dem großen Stern tätig war, wechselte schon vor Jahren in die Gastronomie und ist dabei viel herumgekommen. Über München, Bad Schwartau, Lübeck, Nürnberg und Köln landete der Kurpfälzer mit sizilianischen Wurzeln in Bremen, wo er drei Jahre lang Restaurantleiter in der mittlerweile geschlossenen Pizzeria „La Dolce Vita“ am Bahnhofsplatz war. In eben jenen Räumlichkeiten, in denen nun der frühere Werder-Spieler Nelson Valdez zusammen mit seinen Schwiegereltern die „Südtiroler Hütte“ betreibt.
Zusammen mit Sana, die ihn beim Service den Rücken frei hält und einer kleinen Küchencrew schmeißt er den Laden im Hulsberg-Viertel. Seinem Konzept einer mediterranen Frischeküche mit sizilianischem Akzent huldigt er in Form einer recht übersichtlichen Speisenauswahl. Genau wie bei seinem Vorgänger erhält der Gast eine Speisenkarte im DIN-A4-Format, die auf einem Klemmbrett heftet. Darauf befanden sich etwa fünf Antipastigerichte, viermal Pasta, ein wenig Fleisch und Fisch (Kalbsmedaillons, Scampi und Lachsfilet) sowie ca. zehn verschiedene Pizzen. Ergänzt wurde das Programm durch ein paar Empfehlungen, die in weißer Kreide geschrieben auf diversen Schiefertafeln an den Wänden hingen. Darunter mediterrane Leckereien wie gegrillte Dorade (18 Euro) und Kabeljau sizilianischer Art (18,50 Euro).
Schon beim Eintreten fiel uns auf, dass am Innenleben nicht viel verändert wurde. Ein paar neue Bilder zierten die Wände. Die Tische waren etwas anders angeordnet, was wohl zu mehr Plätzen geführt hat. Dennoch sitzt man hier nicht beengt, sondern äußerst komfortabel auf bequem gepolsterten Plastikschalenstühlen. Die Textilien, die ehemals von der Decke baumelten, hat Angelo entsorgt. Die klobigen Hängeleuchten hingen dagegen schon beim Vorgänger. Sie werden von ein paar Strahlern unterstützt und sorgen weiterhin für angenehme Lichtverhältnisse. Das Einrichtungssammelsurium von damals wurde ein wenig reduziert. Weniger ist ja oft mehr. In den Regalen tummeln sich diverse sizilianische Flaschenweine, hochwertiger Espresso der Marke „S-caffe“ von der renommierten Kaffeerösterei Schreyögg aus Südtirol sowie etwas italienische Feinkost.
Es war an jenem Abend recht ruhig im Lokal und wir entschieden uns für einen Platz vor der Fensterfront. Mit Blick nach draußen orderten wir ein Glas Lambrusco (0,2l für 3,50 Euro) und eine kleine Apfelsaftschorle (naturtrüb, 2,20 Euro). Die Flasche Mineralwasser von Surgiva, einem hierzulande eher selten anzutreffenden, natriumarmen Gletscherwasser aus dem Trentino, war eine willkommene Abwechslung für uns San Pellegrino Geschädigten. Erst beim Schreiben dieser Zeilen und der genaueren Durchsicht der Rechnung fiel mir ihr Fehlen auf eben jener auf. Danke Angelo für die sicherlich unbeabsichtigte „Wasserspende“, die ich erst im Nachhinein bemerkte.
Zur Einstimmung wurde ein Schälchen Pesto mit frischem Weißbrot gereicht. Eine kleine, aromatische Aufmerksamkeit der Küche, die wir dankend annahmen. Danach machte uns eine tadellos zubereitete Bruschetta (5,50 Euro) so richtig Laune. Auf leicht geröstetem Brot lagen klein gewürfelte Cherrytomaten, die zusammen mit roten Zwiebeln, Basilikum und gutem Olivenöl eine wohlschmeckende Allianz eingingen.
Bei unserem letzten Besuch hatten wir eine vorzügliche Feinkostplatte aus der Toskana genossen. Nun firmiert unter dem Namen „Antipasti misto a modo nostro“ (9 Euro) ein üppig belegter Antipasti-Teller, mit dem mir der Patrone im Vorübergehen den Mund wässrig machte. Hätten wir nicht schon unsere Pizzen bestellt gehabt, wären wir um diese verlockend aussehende Vorspeisensammlung wohl nicht herum gekommen.
Die mit Büffelmozzarella aus Kampanien belegten Rundbackwaren aus dem Steinofen waren von beträchtlichem Umfang. Auch ohne das Lineal zu bemühen waren das sicherlich gute 30 cm Durchmesser, die meine pikante „Diablo“ (11 Euro) auf den Teller brachte. Ihr fehlte trotz würziger Salami calabrese und Feta etwas die versprochene Schärfe. Angelos selbst angerührtes Chili-Öl machte diesen Umstand jedoch schnell vergessen und mir brannte alsbald die „Gosch“ wie der Kurpfälzer zu sagen pflegt. Der dünne Pizzaboden war schön knusprig gebacken. Einziger kleiner Kritikpunkt: sie hätte etwas saftiger ausfallen können. Mir persönlich schmeckt sie am besten, wenn es auf der Oberfläche richtig tomatig zugeht. Aber da gehen die Meinungen ja bekanntlich auseinander.
Aus der bestellten Pizza Parma (12 Euro) meiner Begleitung wurde am Tisch eine Pizza Bresaola (13 Euro). Anscheinend hatte die Küche den Parmaschinken gegen luftgetrockneten Rinderschinken eingetauscht. Egal, auch diese mit Rucola und frisch geriebenem Parmesan belegte Variante zeugte vom tadellosen Handwerk des Pizzabäckers.
Zum Abschluss karamellisierte uns Angelo die Crème brulée (4,50 Euro) mit dem Bunsenbrenner direkt am Tisch. Das genoss der ehemalige Maschinenschlosser sichtlich. Genau wie wir die nach Vanille schmeckende Süßspeise im Tonschälchen. Für unsere Lieben daheim nahmen wir noch ein „Tiramisu to go“ (5 Euro) mit auf den Heimweg. Nicht ohne vorher zu versprechen, die leere Glasschale am nächsten Tag wieder vorbei zu bringen. Das köstliche Schichtdessert aus Venetien sollte den Abend nicht lange überdauern.
Und so war es auch unter dem neuen Betreiber ein beschaulicher Abend bei delikater Italo-Kost und amüsanten Geschichten, die der sympathische Patrone in lockerer Art zum Besten gab. Seine sizilianischen Gaumenfreuden werde ich dann beim nächsten Besuch so richtig austesten. Direkt nach den opulenten Weihnachtstagen…scusa, era troppo per me.
Das Leben ist Veränderung. In der Gastronomie sowieso. Keine neuartige Erkenntnis, schon gar nicht für Angelo Centamore, dem neuen Inhaber des früheren „La Calma“, das sich seit Juli 2017 „Calma & Gusto“ nennt. Sein sardischer Vorgänger mit dem wohlklingenden Nachnamen Murgia, bei dem ich im März 2016 noch zu Gast war, zählt bereits zur Bremer Gastro-Geschichte. Dieser arbeitet wieder als Maurer in seinem alten Beruf, wohnt in der Nähe und kommt noch regelmäßig zum Essen in seinem ehemaligen Ristorante vorbei.... mehr lesen
Geschrieben am 02.04.2016 2016-04-02| Aktualisiert am
03.04.2016
Nachdem mein mittäglicher Diagonal-Pass das Spiel geöffnet hatte, brachte MarcO einen wunderbaren Abend-Schlenzer vor das Tor. Ich musste nur noch ein- oder besser abnicken.
Eine freundliche Vorabinformation des weit gereisten Pfälzers bestätigte uns die Abendtauglichkeit des La Calma. Offensichtlich kein Exklusivtipp, denn als wir am Mittwoch kurz nach 1800 Uhr einliefen, war das Lokal schon sehr gut gefüllt. Zwei Gruppen, eine große (Firmenessen) und eine größere (langjährige Freundinnen, wir erkannten die Gattin eines Ex-Bürgermeisters), sorgten für Stimmung, aber man konnte sich gleichwohl in Zimmerlautstärke verständigen. Dazu eine vierköpfige Familie, eine einzelne Dame, ein weiteres Paar. Die Tische, die beim Auslaufen noch unbesetzt waren, trugen alle Reservierungschilder. Vermutlich lag's auch am Feierabend Special (jede - sehr große - Pizza und ein Ratsherren-Craftbeer für 12€), das schon MarcO und Begleitung überzeugt hatte. Meiner Frau haben das helle Lager und die Pizza mit Fenchelsalsicchia, Mozzarella, milden Pepperoni und Grillgemüsen ebenfalls sehr gut geschmeckt. Tagliere und Cannonau hat MarcO schon zu Recht gelobt.
Zu Ambiente und Bedienung ist alles geschrieben. Zu ergänzen ist die für Italiener untypische Jazzmusik.
Von der Karte ist weiter positiv zu berichten: Die Burrata mit Ochsenherztomate und Basilikum war schön cremig und leicht säuerlich, was gut zur begleitenden Limonencreme passte. Es wäre auch Blutorange möglich gewesen, die aber von Madame abgelehnt wurde.
Mein Pulpo war schlicht sensationell! Von der Zartheit einer streichfähigen Butter (im wörtlichen Sinn), voll Geschmack und mit schönen Röstnoten. Hammer.
Nachdem mein mittäglicher Diagonal-Pass das Spiel geöffnet hatte, brachte MarcO einen wunderbaren Abend-Schlenzer vor das Tor. Ich musste nur noch ein- oder besser abnicken.
Eine freundliche Vorabinformation des weit gereisten Pfälzers bestätigte uns die Abendtauglichkeit des La Calma. Offensichtlich kein Exklusivtipp, denn als wir am Mittwoch kurz nach 1800 Uhr einliefen, war das Lokal schon sehr gut gefüllt. Zwei Gruppen, eine große (Firmenessen) und eine größere (langjährige Freundinnen, wir erkannten die Gattin eines Ex-Bürgermeisters), sorgten für Stimmung, aber man konnte sich... mehr lesen
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Besucht am 23.03.2016
Sollte Bremen irgendwann einmal meine zweite kulinarische Heimat werden, liegt es in erster Linie an den Lokalitäten, die mir ein Insider aus Borgfeld in einem versiegelten Umschlag bei meinem letzten Besuch dort zukommen ließ. Mir, als bekennendem Sardinien-Fan empfahl er unter anderem das „La Calma“ schon „allein des leckeren Cannonaus (Rotwein) wegen“. Dass der „Hulsberg-Sarde“ mit dem wohlklingenden Familiennamen Murgia noch wesentlich mehr zu bieten hatte, wurde mir schon beim Vorabbesuch auf dessen Homepage klar.
Städtische Mobilität assimilierend kamen wir an diesem kühlen Mittwochabend angeradelt. Das Mittagessen vom RIVA musste schließlich verdaut werden. Keine besonders ansehnliche Gegend in der sich das schmucke Ristorante befindet. Aber darauf kommt es ja nicht an. Wir stellten unsere Räder in Sichtweite ab und traten in die warm beleuchtete städtische Ruheinsel ein. Der freundliche Inhaber begrüßte uns charmant und wir bezogen unseren Tisch direkt vor der Fensterfront.
Das prägnante Logo auf der Speisenkarte, die auf einem Klemmbrett befestigt war, bringt die gastronomische Ausrichtung dieses Kleinods auf den Punkt: Cucina – Pizza – Chianti classico – Craft Beer! Für Unentschlossene sicherlich auch eine grobe Orientierung, was die Bestellung angeht.
Darunter befand sich ein kleiner Willkommenstext, der das kulinarische Leitbild näher erklärte. Da ist von wechselnden Gerichten italienischen Ursprungs, die nach der „ganz eigenen Machart“ angeboten werden, die Rede. Der Hinweis, dass der Großteil der Produkte aus zertifiziertem bzw. biologischem Anbau stammt, wirkt seriös und vertrauenserweckend. Der respektvolle Umgang mit den Grundzutaten scheint das kulinarische Credo zu sein. Aha, da geben sich wohl Produktfrische und –qualität die Klinke in die Hand. Doch selbst noch so schön bedrucktes Papier ist ja bekanntlich geduldig. Und wie schrieb neuerlich einer der bedeutendsten Gastrokritiker des hohen Nordens: „aber entscheidend ist auf dem Teller.“ (Zitat)
Über die etwas ungewöhnliche Inneneinrichtung hat der bereits zitierte GG-Kollege schon sehr ausführlich und mit der ihm eigenen Liebe zum Detail berichtet. Doch das pittoreske Patchwork-Mobiliar des „La Calma“ ist schon eine Erwähnung wert. Zwischen Bierkisten (Ratsherren) und Weinflaschen sitzt man hier gut betucht. Die entsprechenden Textilien baumeln nämlich locker von der Decke, direkt neben den großbeschirmten Hängeleuchten, die zusammen mit ein paar Strahlern für angenehmes, gemütliches Licht sorgen. Die rustikalen Holztische stehen auf solidem Dielenboden. Selbst die Plastikschalenstühle empfindet man nicht als störend. In diesem Einrichtungssammelsurium sind auch sie gut aufgehoben. Über der großen Ratsherren-Schiefertafel (mit dem aktuellen Fassbier-Angebot) ist ein Flachbildschirm angebracht, was die Vermutung nährt, dass hier wohl hin und wieder dem runden Leder visuell Tribut gezollt wird.
Dienstags und mittwochs findet laut Wandtafel das „Feierabend-Bier-Special“ statt. Jede beliebige Pizza aus der Karte ist zusammen mit einem Ratsherren-Bier nach Wahl für fair kalkulierte 12 Euro zu haben. Ein Angebot, das wir vom "La Calma-Paten" an diesem Abend nicht ablehnen konnten. Doch zuerst ein Blick auf das hübsch bedruckte Papier auf dem Klemmbrett. Vom halben Dutzend appetitanregender Vorspeisen – darunter Köstliches wie Burrata (7 Euro), Vitello tonnato (6 Euro) oder gegrillten Pulpo an Salat (8 Euro) – entschieden wir uns für die „Tagliere di Rosario“, eine vorzüglich zusammengestellte Antipasti-Platte für zwei Personen. Die Auswahl reichte von aromatischer Salami aus der Toskana, herrlich mildem Parmaschinken, zart-würzigem Asiago-Käse und dem aus Schafsmilch hergestellten Pecorino. Dazu ein verführerisch duftender toskanischer Honig und man fühlte sich, als säße man inmitten der toskanischen Kultmetzgerei „Antica Macelleria Falorni“, dem Tempel des guten Geschmacks bzw. Geruchs an der malerischen Piazza von Greve im Chianti. Gerade die Kombination aus würzigem Käse und süßem Honig schmeckte zum Niederknien. Die 9 Euro für diese toskanische Feinkostplatte waren mehr als gerechtfertigt. Und genügend fluffiges Weißbrot wurde von der freundlichen Bedienung (vllt. die Tochter des Herrn Murgia?) gerne nachgereicht.
Und ja, zu Salami, Käse und Parmaschinken passt auch Craft Beer. Mein Ratsherren West Coast IPA aus Hamburg hatte eine exotisch-frische Hopfennote, während das „normale“ Pale Ale meiner Begleitung eher blumig-spritzig ausfiel. Beides Biere, die ich dem gewöhnlichen Massenpilsner à la Eifelhasch (Bitburger, Anm.) jederzeit vorziehen würde. Wer es geschmacklich süffiger mag, dem stehen mit Lager und Rotbier noch zwei weitere Ratsherren kräftig gehopft zur Seite. Aber auch das Angebot an sardischen Weinen klingt verlockend. Mit dem Cannonau und dem Vermentino haben es gleich zwei sardische Tropfen auf die Weinkarte geschafft. Und mit jeweils 5 Euro pro 0,2 Liter Glasinhalt kalkuliert man hier nicht unverschämt.
Nun war es Zeit für die Pizza! Meine Wahl fiel auf die „Diablo IV.“, eine absolute Weltklasse-Pizza! Lag es am 72 Stunden währenden Fermentationsprozess des Pizzateigs, dem delikaten Sugo aus italienischen Tomaten oder dem Büffelmozzarella aus Kampanien? Wahrscheinlich an allen Komponenten zugleich. In Kombination mit ihrem pikanten Belag, der aus spanischer Chorizo, Feta-Käse, Peperoni und frischen Paprikaschnipseln bestand, war das eine geschmacklich überzeugende Version des italienischen Nationalgerichts. Auch die von meiner Begleitung genussvoll verschlungene Pizza „Murgialago“ mit Parmaschinken, Taleggio-Käse, mediterranem Grillgemüse und Salsa Verde war sowohl optisch, als auch geschmacklich vom Feinsten. Und von der Größe her hat das auch gepasst. Den Schokokuchen zum Dessert haben wir uns übrigens fürs nächste Mal aufgehoben.
Ergänzend möchte ich noch anmerken, dass es neben einem knappen Dutzend verschiedener Pizzen auch zwei Pastagerichte, den vom Borgfelder bereits beschriebenen Big-Italian-Superstar-Burger sowie ein „inside raw gegrilltes“ Thunfischsteak auf der bewusst kleingehaltenen Speisenkarte zu entdecken gibt. Und entdeckt haben wir auf unserem Brementrip in gastronomischer Hinsicht ja so einiges. Was das betrifft, rangiert das „La Calma“ ganz weit oben. Vielleicht werden wir ja schon diesen Sommer zu Wiederholungstätern…
Sollte Bremen irgendwann einmal meine zweite kulinarische Heimat werden, liegt es in erster Linie an den Lokalitäten, die mir ein Insider aus Borgfeld in einem versiegelten Umschlag bei meinem letzten Besuch dort zukommen ließ. Mir, als bekennendem Sardinien-Fan empfahl er unter anderem das „La Calma“ schon „allein des leckeren Cannonaus (Rotwein) wegen“. Dass der „Hulsberg-Sarde“ mit dem wohlklingenden Familiennamen Murgia noch wesentlich mehr zu bieten hatte, wurde mir schon beim Vorabbesuch auf dessen Homepage klar.
Städtische Mobilität assimilierend kamen wir... mehr lesen
Das Hulsberg-Viertel, östlich des Steintors zwischen Weser und der Hannoveraner Bahnstrecke gelegen, ist wohl am besten mit "normal" beschrieben. Weder alternativ, noch hip. Weder heruntergekommen, noch schick. Dazu passt, dass die Neubauten auf dem ehemaligen TÜV-Gelände mal nicht dem hochpreisen Segment angehören, sondern aus Reihenhäusern und vierstöckigen Riegelbauten bestehen. Trotzdem hat sich im Il Gattopardo am Rande des Viertels schon eine gewisse Ciao-Signora-Grazie-Dottore-Stimmung breit gemacht. Aber vielleicht nur eine Momentaufnahme. Im Hauptstraßenzug ist jedenfalls noch nichts von einer Gentrifizierung zu spüren. Triste Reihenbebauung und gastronomisch dominieren Pizza- und andere Lieferdienste sowie etwas aufgehübschte Imbisse. Echte Restaurants sind an der langen Straße eher rar gesät. Umso erfreulicher, dass im größeren Teil der Enoteca (mit einem reichen Angebot italienischer, insbesondere Chiantiweine) seit 2013 auch das La Calma italienische Cucina anbietet. Von Ambiente, Service und Küchenleistung eine echte Bereicherung mit einem sensationellem PLV.
Die kleine, aufgebockte Holzveranda mit unbequem aussehendem Alurohrmobiliar wartet auf wärmere Tage. Ruhigere werden nicht kommen, aber Straßenlärm gehört ja zum mediterranen Stadtflair.
Der große viereckige Raum ist durch eine Bar mit vielen Koch- und Weinbüchern getrennt, links die Weinhandlung, rechts das Restaurant, das zunächst keine italienische Assoziationen weckt, außer vielleicht etlichen Geschirrhandtüchern, die von der Decke hängen. Die Hommage an Wäsche über engen Gassen des Mezzogiorno wird mir indes erst jetzt bewusst. Bei meinem Besuch fand ich es erst befremdlich, dann witzig. Denn, wie auf einem anderen Portal jemand schrieb: "Da hat sich ein Innenarchitekt ausgetobt." Mitteldunkler Holzfußboden und durable Vollholztische auf Chrommittelfuß. Man nimmt Platz auf angenehm zu besitzenden Holzstühlen mit entweder schwarzen Sitzflächen und Rückenlehnen oder Plastiksitzschalen in Quietschfarben, grasgrün ist vorherrschend. Auch einige Raumtrenner und ein breiter Streifen Wand leuchten ähnlich frühlingshaft. Dadurch wird der trotz großer Lampen mit Metallschirmen und einiger Strahler nach hinten doch recht dunkel wirkende Raum farblich sehr aufgehellt. An der Fensterfront fällt sowieso das Licht der tief stehenden Sonne schön ins Lokal. An den Wänden über einer umlaufenden Bank mit schwarzem Kunstleder Bilder mit unterschiedlichen Motiven, die mehr oder minder Bezug zu Italien haben und Regale mit italienischen Produkten, die noch nicht jeder Supermarkt führt. Die Hardware auf den Tischen einschließlich der festen Vliesservietten ist einfach, aber passend und, wie alles, sauber. Die Nassräume habe ich nicht besucht.
Ein ungewöhnliches Ambiente, das ich angenehm empfand und das dem Auge viele interessante Kleinigkeiten anbot.
Das Publikum um die Mittagsstunde gemischt, eine alte Dame, Vater und Sohn, ein Handwerker. Wie geschrieben, normal, angenehm.
Der Service wird durch einen schon lebenserfahrenen Herrn erledigt, der das Klischee des nicht eben hünenhaft gewachsenen Italieners, in diesem Fall wohl Sarden, voll erfüllt. Die Deutschkenntnisse sind für das Übliche hinreichend, aber für fachliche Fragen zum Wein holte er den Betreiber, der sich als sein Sohn herausstellte und mehr als kompetent ist. Beide waren ehrlich an der Zufriedenheit des Gastes interessiert, freundlich, zuvorkommend, zu Auskünften gern bereit. Auch ein Probeschluck eines anderen Weines wurde angeboten. In diesem Ambiente sehr, sehr gut.
Die Speisekarte ist klein, aber eigenständig. Klasse statt Masse.
Mein Mahl beginnt mit einem Coperto - natürlich nicht die eigentümliche italienische Gepflogenheit, schon das nackte Gedeck, manchmal mit langweiligem Brot, gesondert zu berechnen. Hier gab es dagegen ein Tellerchen mit je zwei Scheiben/Stücken Salami, Pecorino, gegrillte Zucchini mit Olivenöl, große grüne Oliven und Ruccola. Dazu scharfe Paprika-Tapenade und etwas (langweiliges;-)) Brot. Ein sehr leckerer Auftakt, der einen gleich auf den Stiefel versetzte. Dafür zahlte ich gern schmale 3€, statt einen fehlenden Appetithappen auf Kosten des Hauses zu beklagen, den ich hier so oder so nicht erwartet hatte.
Wer mehr anlegen will, ordert das Tagliere, also ein "Brettl" mit gemischten Aufschnitt, Käse und toskanischem Honig.
Die weitere Wartezeit verkürzte mir eine 11Freunde-Ausgabe über deutsche "Legionäre" in der Seria A. Auf dem Cover der damals in erster Ehe verheiratete Lothar Matthäus, im Inter-Dress ins noch unbedachte San Siro einlaufend. Etliche Jahre später durfte ich mit meinem Sohn in ebenjenem Stadion jubeln, als mein Heimatverein noch einen Pausenrückstand (gegen die Rosso-Neri) egalisierte. Tempi passati, Werder-Erfolge wie Matthäus-Ehen, nur der Torschütze von damals, ein gewisser Claudio P. spielt, trifft und grinst wie damals.
Als primo piatto kommen Tagliatelle mit Fenchel-Salsiccia von der Tageskarte. Für die kleine Portion werden 4,5€ berechnet, ebenfalls sehr kundenfreundlich kalkuliert.
Was gemessen an Bremer Gastronomiepreisen auch absolut für die 5,8€ gilt, die auf der Rechnung für ein Viertel(!) Cannonau erscheinen. Mal abgesehen, dass fast nur noch 0,2l, teilweise schon 0,15l Fingerhüte ausgeschenkt werden, sind da Preise jenseits der 7€ für ordentliche Standardware keine Seltenheit. Der sardische Rote aus der Grenachetraube hatte einiges an Sangiovese mitbekommen, was mir als Tanninverschmäher nicht so recht war.
Die Teigwaren dagegen nach meinem Geschmack leicht über al dente. In einem kräftigen Sugo, das gut an den Nudeln haftete, mit reichlich Wurstscheiben durchmischt und etwas Olivenöl beträufelt. Gewürzt mit groben Pfeffer, Salzkristallen, Petersilie und reichlich Thymianzweiglein, die sich malerisch in der Wintersonne räkelten. Wunderbar kräftiges, klassisches Pastagericht in exzellenter Ausführung.
Ebenfalls von der Tageskarte ganz gegen meine üblichen Vorliebe als Hauptgang ein Burger. Aber die Kombination BBQ-Rindfleisch, Kalbsbraten, Grillgemüse und Guacamole versprach einiges. Und hielt viel mehr. In einem Sesambun, vorbildlich gehalten von einem Holzstäbchen, wurde der Burger auf einem reichlichen, hochwertigen Salatbett und begleitet von gebräunten Kartoffelspalten mit gebratenen Rosmarinzweigen präsentiert. Nachdem ich die obere Brötchenhälfte abgenommen hatte, ließ sich das Gericht problemlos mit Messer und Gabel essen. Das Rindfleisch war kräftig gebräunt, aber im Kern noch schön rosa. Sehr saftig. Was ebenso für die drei Scheiben Kalbsbraten galt. Zusammen mit gegrillter Aubergine, Zucchino, Champgignon und Tomate sowie natürlich der Avocadocreme war dies ein kräftig-harmonisches Meisterwerk. Der helle Industrie-Bun hat nicht gestört, die Kartoffeln waren tadellos, wurden aber von mir nicht sehr beachtet. Ich war im Hackfleisch-Himmel. Der beste Burger, den ich je gegessen habe? Das hieße zwar nicht viel, da ich dieser Fleischzubereitung eigentlich eher wenig abgewinnen kann. Für mich allerdings ein Aha-Erlebnis,nach dem ich den Fleischklops zukünftig wieder etwas freundlicher betrachten werde. Allemal, wenn das PLV so positiv ist, wie im La Calma mit aufgerufenen 10 Euro.
Was schon fast selbstredend für den Espresso galt, der gerade mal 1,5€ kostete und natürlich in der vorgewärmten Tasse serviert wurde.
Ein vermeintlich einfacheres Lokal entpuppte sich als gastronomische (und optische) Überraschung. Man muss vielleicht keinen Umweg in Kauf nehmen, aber für Einheimische, die in der Nähe sind, durchaus einen Besuch wert. Wir werden sicher demnächst am Abend vorbeischauen.
Das Hulsberg-Viertel, östlich des Steintors zwischen Weser und der Hannoveraner Bahnstrecke gelegen, ist wohl am besten mit "normal" beschrieben. Weder alternativ, noch hip. Weder heruntergekommen, noch schick. Dazu passt, dass die Neubauten auf dem ehemaligen TÜV-Gelände mal nicht dem hochpreisen Segment angehören, sondern aus Reihenhäusern und vierstöckigen Riegelbauten bestehen. Trotzdem hat sich im Il Gattopardo am Rande des Viertels schon eine gewisse Ciao-Signora-Grazie-Dottore-Stimmung breit gemacht. Aber vielleicht nur eine Momentaufnahme. Im Hauptstraßenzug ist jedenfalls noch nichts von einer Gentrifizierung zu... mehr lesen
Angelo ist gebürtiger Mannheimer mit deutlich vernehmbaren Kurpfälzer Zungenschlag. Klar, dass auch er sofort den Pfälzer am Tisch witterte. Der ehemalige Maschinenschlosser, der früher im Mannheimer Omnibuswerk mit dem großen Stern tätig war, wechselte schon vor Jahren in die Gastronomie und ist dabei viel herumgekommen. Über München, Bad Schwartau, Lübeck, Nürnberg und Köln landete der Kurpfälzer mit sizilianischen Wurzeln in Bremen, wo er drei Jahre lang Restaurantleiter in der mittlerweile geschlossenen Pizzeria „La Dolce Vita“ am Bahnhofsplatz war. In eben jenen Räumlichkeiten, in denen nun der frühere Werder-Spieler Nelson Valdez zusammen mit seinen Schwiegereltern die „Südtiroler Hütte“ betreibt.
Zusammen mit Sana, die ihn beim Service den Rücken frei hält und einer kleinen Küchencrew schmeißt er den Laden im Hulsberg-Viertel. Seinem Konzept einer mediterranen Frischeküche mit sizilianischem Akzent huldigt er in Form einer recht übersichtlichen Speisenauswahl. Genau wie bei seinem Vorgänger erhält der Gast eine Speisenkarte im DIN-A4-Format, die auf einem Klemmbrett heftet. Darauf befanden sich etwa fünf Antipastigerichte, viermal Pasta, ein wenig Fleisch und Fisch (Kalbsmedaillons, Scampi und Lachsfilet) sowie ca. zehn verschiedene Pizzen. Ergänzt wurde das Programm durch ein paar Empfehlungen, die in weißer Kreide geschrieben auf diversen Schiefertafeln an den Wänden hingen. Darunter mediterrane Leckereien wie gegrillte Dorade (18 Euro) und Kabeljau sizilianischer Art (18,50 Euro).
Schon beim Eintreten fiel uns auf, dass am Innenleben nicht viel verändert wurde. Ein paar neue Bilder zierten die Wände. Die Tische waren etwas anders angeordnet, was wohl zu mehr Plätzen geführt hat. Dennoch sitzt man hier nicht beengt, sondern äußerst komfortabel auf bequem gepolsterten Plastikschalenstühlen. Die Textilien, die ehemals von der Decke baumelten, hat Angelo entsorgt. Die klobigen Hängeleuchten hingen dagegen schon beim Vorgänger. Sie werden von ein paar Strahlern unterstützt und sorgen weiterhin für angenehme Lichtverhältnisse. Das Einrichtungssammelsurium von damals wurde ein wenig reduziert. Weniger ist ja oft mehr. In den Regalen tummeln sich diverse sizilianische Flaschenweine, hochwertiger Espresso der Marke „S-caffe“ von der renommierten Kaffeerösterei Schreyögg aus Südtirol sowie etwas italienische Feinkost.
Es war an jenem Abend recht ruhig im Lokal und wir entschieden uns für einen Platz vor der Fensterfront. Mit Blick nach draußen orderten wir ein Glas Lambrusco (0,2l für 3,50 Euro) und eine kleine Apfelsaftschorle (naturtrüb, 2,20 Euro). Die Flasche Mineralwasser von Surgiva, einem hierzulande eher selten anzutreffenden, natriumarmen Gletscherwasser aus dem Trentino, war eine willkommene Abwechslung für uns San Pellegrino Geschädigten. Erst beim Schreiben dieser Zeilen und der genaueren Durchsicht der Rechnung fiel mir ihr Fehlen auf eben jener auf. Danke Angelo für die sicherlich unbeabsichtigte „Wasserspende“, die ich erst im Nachhinein bemerkte.
Zur Einstimmung wurde ein Schälchen Pesto mit frischem Weißbrot gereicht. Eine kleine, aromatische Aufmerksamkeit der Küche, die wir dankend annahmen. Danach machte uns eine tadellos zubereitete Bruschetta (5,50 Euro) so richtig Laune. Auf leicht geröstetem Brot lagen klein gewürfelte Cherrytomaten, die zusammen mit roten Zwiebeln, Basilikum und gutem Olivenöl eine wohlschmeckende Allianz eingingen.
Bei unserem letzten Besuch hatten wir eine vorzügliche Feinkostplatte aus der Toskana genossen. Nun firmiert unter dem Namen „Antipasti misto a modo nostro“ (9 Euro) ein üppig belegter Antipasti-Teller, mit dem mir der Patrone im Vorübergehen den Mund wässrig machte. Hätten wir nicht schon unsere Pizzen bestellt gehabt, wären wir um diese verlockend aussehende Vorspeisensammlung wohl nicht herum gekommen.
Die mit Büffelmozzarella aus Kampanien belegten Rundbackwaren aus dem Steinofen waren von beträchtlichem Umfang. Auch ohne das Lineal zu bemühen waren das sicherlich gute 30 cm Durchmesser, die meine pikante „Diablo“ (11 Euro) auf den Teller brachte. Ihr fehlte trotz würziger Salami calabrese und Feta etwas die versprochene Schärfe. Angelos selbst angerührtes Chili-Öl machte diesen Umstand jedoch schnell vergessen und mir brannte alsbald die „Gosch“ wie der Kurpfälzer zu sagen pflegt. Der dünne Pizzaboden war schön knusprig gebacken. Einziger kleiner Kritikpunkt: sie hätte etwas saftiger ausfallen können. Mir persönlich schmeckt sie am besten, wenn es auf der Oberfläche richtig tomatig zugeht. Aber da gehen die Meinungen ja bekanntlich auseinander.
Aus der bestellten Pizza Parma (12 Euro) meiner Begleitung wurde am Tisch eine Pizza Bresaola (13 Euro). Anscheinend hatte die Küche den Parmaschinken gegen luftgetrockneten Rinderschinken eingetauscht. Egal, auch diese mit Rucola und frisch geriebenem Parmesan belegte Variante zeugte vom tadellosen Handwerk des Pizzabäckers.
Zum Abschluss karamellisierte uns Angelo die Crème brulée (4,50 Euro) mit dem Bunsenbrenner direkt am Tisch. Das genoss der ehemalige Maschinenschlosser sichtlich. Genau wie wir die nach Vanille schmeckende Süßspeise im Tonschälchen. Für unsere Lieben daheim nahmen wir noch ein „Tiramisu to go“ (5 Euro) mit auf den Heimweg. Nicht ohne vorher zu versprechen, die leere Glasschale am nächsten Tag wieder vorbei zu bringen. Das köstliche Schichtdessert aus Venetien sollte den Abend nicht lange überdauern.
Und so war es auch unter dem neuen Betreiber ein beschaulicher Abend bei delikater Italo-Kost und amüsanten Geschichten, die der sympathische Patrone in lockerer Art zum Besten gab. Seine sizilianischen Gaumenfreuden werde ich dann beim nächsten Besuch so richtig austesten. Direkt nach den opulenten Weihnachtstagen…scusa, era troppo per me.