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GastroGuide-User: marcO74
marcO74 hat Restaurant Bayrischer Hof in 76768 Berg (Pfalz) bewertet.
vor 12 Monaten
"Ersatzhuhn als positive „Grenz“erfahrung"
Verifiziert

Geschrieben am 23.04.2023 | Aktualisiert am 23.04.2023
Besucht am 24.11.2022 Besuchszeit: Abendessen 2 Personen Rechnungsbetrag: 40 EUR
Keine Ahnung, wie oft ich in meinem Leben schon am altehrwürdigen Bayrischen Hof in dem zur Gemeinde Berg gehörenden Ortsteil Neulauterburg – direkt gegenüber des elsässischen Lauterbourg – vorbeigefahren bin. Aber immer, wenn es zum Einkaufen in den „Carrefour“ (Supermarkt), zum Schwimmen an den sehr sauberen Baggersee oder zum Schlemmen in die Vieux Moulin ging, kam ich an dem gutbürgerlichen Traditionslokal an der Nahtstelle zum Elsass vorbei. 
 
Das trutzige Fachwerkhaus, dessen Namen an längst vergangene, weiß-blaue Zeiten erinnert, macht von außen betrachtet keinen schlechten Eindruck.
Trutzburg aus Fachwerk
Dass man hier besonders gut zubereitete halbe Hähnchen auf dem Speiseplan hat, kam mir vor einiger Zeit zu Ohren. Nun gelüstet es mich nicht allzu oft nach Grillhühnern, aber alle paar Monate schlage ich schonmal in der renommierten Gockelburg in Wörth-Maximiliansau auf, um in den Genuss eine halben, saftig-krossen „Überfliegers“ aus dem Hause Rimmel zu kommen.
 
Doch ein spontanes Aufsuchen der äußerst beliebten „Knusper-Hendl-Klause“ beinhaltet meist lange Wartezeiten vor dem Lokal, da es drinnen zugeht wie im Hühnerschlag. Man hat die beengten Räumlichkeiten zwar um einen überdachten (und beheizten) Innenhof erweitert, aber dennoch sind hier freie Plätze meist reine Glückssache.
 
Dieses Glück war meinem Wörther Futterkollegen und mir an jenem kalten Donnerstagabend Ende November (nach überstandenem Elternsprechabend) leider nicht hold. Und so standen wir frierend vor der Eingangstür - ein gutes halbes Dutzend weiterer „Halb-Huhn-Helden“, die ebenfalls nach einem freien Tisch gierten, tat es uns gleich. Da kam mir plötzlich der Bayrische Hof zu Neulauterburg – mit dem Auto keine 15 Minuten von Maximiliansau entfernt – in den Sinn. Ein kurzer Anruf genügte und wir machten uns auf den Weg in Richtung Grenze.
Der Bayrische Hof mit Zelt vor der Hütte
Im Gegensatz zur Maxauer Broiler-Butze ging es im recht schummrig wirkenden Inneren des Bayrischen Hofes doch wesentlich entspannter zu. Gute Essensbilder würde es bei dieser spärlichen Beleuchtung sicher keine geben, war mein erster, wohl meiner Chronistenpflicht geschuldeter Gedanke.
 
Als, wir eintraten, saß die Wirtin bei ein paar befreundeten Gästen am Tisch und genoss sichtlich ihr Abendessen. Kein schlechtes Omen, wenn auch der Service die Leistungen der Küche zu würdigen weiß.
 
Der Schriftzug einer bekannten badischen Staatsbrauerei zierte die Zapfanlage und verriet, aus welcher Region das Fassbier bezogen wurde. Na, gegen ein frisch gezapftes Rothaus-Pils, der halbe Liter für faire 4 Euro, hatten wir ja mal gar nichts einzuwenden. Das bekommt man in der von „Bellheimer“ dominierten Pfalz eher selten.
 
Die gedimmten Lichtverhältnisse im vorderen Gastraum sorgten für eine durchaus gemütliche Atmosphäre. Im hinteren Abteil speiste eine Gruppe Franzosen mit Kleinkind. Vielleicht Leute aus Lauterbourg, die es schätzen eine gutbürgerliche deutsche Küche in Laufweite zu haben.
Recht lichtarmes Ambiente (im vorderen Gastraum) 
Die leidlich bequemen Sitzmöbel waren zwar gepolstert, luden aber dennoch nicht zum stundenlangen Verweilen ein. Die versteckt am anderen Ende des Anwesens untergebrachten Nassräume – da war man eine kleine Weile unterwegs – wirkten ein wenig in die Jahre gekommen. Da sollte man in naher Zukunft mal ran und für angenehmere Verhältnisse sorgen. Dass man das kann, hat man ja in den renovierten Gasträumen bereits bewiesen.    
 
Von unserem Ecktisch aus hatte ich einen guten Blick auf das Geschehen um uns herum. Nach und nach tröpfelten noch ein paar Gäste – dem Vernehmen nach Stammklientel – ein, was auch den Anteil an Vierbeinern unter den Tischen erhöhte.
 
Wir blätterten durch die laminierten, von einer Kordel zusammengehaltenen DIN-A4-Blätter, auf denen das Speisenangebot nachzulesen war. Flammkuchen gab es natürlich auch – die Nähe zu Grand Est ließ grüßen. Deutsche Hausmannskost der panierten Art „schnitzelte“ von Seite 3. Doch unsere ungeteilte Aufmerksamkeit galt an jenem Abend den halben Flattermännern aus dem Fett-Jacuzzi.
 
Für 11,50 Euro war hier ein Halbes Huhn mit Pommes frites zu erstehen. Die in Klammer angegebene Schärfegradklimax (von „normal“ über „scharf“, „extra scharf“ bis hin zu „explosiv“ (!)) nahmen wir erheitert zur Kenntnis. Auch da orientierte man sich scheinbar an der kultigen Maxauer Hühnerhütte.
 
Um den Magen nicht noch mehr herauszufordern, orderten wir zwei „Normalos“. Für mich sollte es vorweg noch ein kleiner grüner Beilagensalat (5,20 Euro) sein. Ganz ohne Vitamine soll man ja nicht zu Bett gehen. Dieser kam mit einem gut abschmeckten Dressing auf Joghurt-Basis. Kann sein, dass bei der deftigen Salattunke auch Mama „Maggi“ ihre Spritzer im Spiel hatte.
Grüner Beilagensalat "well-dressed"
Ein bisschen oldschool das Ganze, aber durchaus genießbar. Bei seinem Preis von über 5 Euronen heiligten die gestiegenen Energiekosten wohl die abgerufenen, finanziellen Mittel. Sei’s drum. Ich habe für mehr Geld schon wesentlich geschmackloseres Grünzeug im Napf gehabt.
 
Die Gockel ließen auch nicht lange auf sich warten. In der lichtarmen Umgebung erinnerte mein Broiler an den Titel einer der größten Rockplatten aller Zeiten – wenn auch in etwas abgewandelter Form. „The dark side of the Huhn“ duftete nach geschrotetem Pfeffer und Paprikapulver, mit dem die knusprige Hühnerhaut eine pikante Nachbehandlung (im Anschluss an den Frittiervorgang) erhalten hatte.
The dark side of the Huhn...
Natürlich wurde das Brathähnchen mit den Händen gegessen. So viel Altsteinzeit musste an diesem Abend einfach sein. Mein Kollege erhöhte – meine Chauffeurstätigkeit ausnutzend – noch um eine weitere Halbe. Die badische Staatsbrauerei sollte schließlich auch aus der Pfalz Unterstützung bekommen.
 
Beide Hähnchen fielen sehr saftig aus. Zusammen mit der gut gemeinten Pommes Portion hatten sie durchaus Hauptgerichtcharakter. Unsere „Ersatzhühner“ orientierten sich in der Zubereitung und Würzung am Maxauer Original, ohne dies natürlich zu übertreffen. Aber man kam den dortigen Knuspervögeln schon recht nahe.
 
Unseren ungeplanten Besuch im Bayrischen Hof zu Neulauterburg werteten wir als positive „Grenz“erfahrung. Eine durchaus ansteuerbare Alternative für Leute, denen der „Hühner Fred“ vorm Supermarkt schon immer suspekt war, und dennoch nicht komplett auf einen krossen Gummiadler verzichten möchten.
 
Alle paar Monate bekenne ich mich selbst zu dieser gar nicht mal so seltenen Spezies und gönne mir einen „reschen Rooster“. In 90% der Fälle geht es dann in die „echte“ Gockelburg, weil sie einfach näher liegt. Nach Neulauterburg komme ich bestimmt mal wieder. Und sei es nur auf der Durchreise nach Lauterbourg oder Mothern.
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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