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GastroGuide-User: Carsten1972
Carsten1972 hat Castell in 76829 Leinsweiler bewertet.
vor 4 Jahren
"Ideenreiche Küche abseits Pfälzer Weinstubenseligkeit......"

Geschrieben am 08.09.2020 | Aktualisiert am 09.09.2020
Besucht am 05.09.2020 Besuchszeit: Abendessen 4 Personen Rechnungsbetrag: 316 EUR
Erstes September-Wochenende, das bedeutet in Leinsweiler feiert die Familie Siegrist ihr Hoffest, und in diesem besonderen Jahr 2020 mit PetraIO, ihrem Mann, meiner Frau und meiner Wenigkeit. Da Familie Siegrist angekündigt hatte, dass das Hoffest Coronabedingt in kleinerem Rahmen würde stattfinden müssen, hatten wir uns im Vorfeld geeinigt, nach dem Hoffest noch zusammen essen zu gehen. Dafür hatten wir zusammen das Restaurant Castell erwählt.

Meine Frau und ich waren schon am Vortag angereist und hatten den Samstag bis zum Beginn des Hoffestes mit einem Besuch in Flemlingen beim Weingut der Familie Minges verbracht. Wieder zurück in Leinsweiler war noch etwas Zeit, die ich mit einer Überraschung für meine Frau füllte. Beim Reservieren im Restaurant Castell für den Samstagabend war mit ein Angebot für ein Picknick Arrangement aufgefallen. Das war unkompliziert mit gebucht, und wurde auf der Rückfahrt von Flemlingen per Stopover abgeholt im Castell. Auto schnell abgestellt bei unserer Vermieterin und dann suchten wir uns in den Weinbergen über dem Weingut Siegrist einen schönen Platz für ein kleines Mittagspicknick.

Mit diesem guten Einstand der Küche des Castells für uns ging es dann über den Nachmittag zur Verkostung aller Weine des WG Siegrist. Für mich persönlich eines der besten Weingüter der Pfalz. Besonders gefielen mir dieses Jahr die Reserven von Chardonnay 2015 und Sauvignon blanc 2016, faszinierend eine Jahrgangsverkostung durch alle Jahrgänge Sonnenberg Riesling GG von 2011 bis 2019. Ein Besuch der Familie Siegrist lege ich jedem ans Herz, der in der Südpfalz ist. Unbedingt IMMER den Weinguthund Carlo knuddeln, das ist gehört dazu!

Jedenfalls hatten wir Vier einen wunderschönen Nachmittag und trafen gegen 19 Uhr dann auch endlich am Restaurant Castell ein, um nach etlichen Gläschen Wein auch noch zu speisen. Wie Kollege MarcO bereits schrieb, ist das Castell ein 90er Jahre Bau etwas raus an der Straße nach Landau. 

Etwas geht ihm der Charme ab, aber so baute man vor 30 Jahren. Einen Eindruck zur Küchenphilosophie gibt aber der Küchengarten auf der anderen Seite der Straße, in dem sich die Küche mit Obst und Gemüse versorgt. Ein solcher Garten macht neidisch, aber ich habe nicht so viel Zeit und Platz wie Familie Lauth, einen solchen Garten anzulegen. Bleibt ein Traum für die Zeit, wo ich nicht mehr arbeiten muss! 

Wir traten ein, desinfizierten unsere Hände, schnappten uns bereit liegende Anmeldeformulare, jedes mit desinfizierten Kugelschreiber versehen, und wurden äußerst freundlich von Frau Lauth in Empfang genommen und an unseren Tisch im linken der beiden Gasträume geführt. Auch hier bestimmt der Geschmack der 90er Jahre das Ambiente. Trotzdem, alle Tische waren tadellos eingedeckt und zurückhaltend dekoriert.

Wir nahmen Platz und die Karten in Form einer DIN A4 Seite für den Einmal-Gebrauch wurden uns übergeben. Der Service fragte nach einem Aperitif, bestellt wurden trockene Winzersekte für die drei Tischgenossen sowie eine Riesling Beerenauslese Forster Ungeheuer 1994 vom Deidesheimer Weingut Reichsrat von Buhl (6 EUR!).

Da konnte ich natürlich nicht widerstehen, Farbe war schon Port, Geschmack aber nicht, der war faszinierend. Ungewöhnlicher Aperitif, aber so gut, dass er noch mal während des Essens geordert wurde. Dazu wurde Wasser bestellt und zwei Flaschen Weißburgunder von zwei Weingütern aus benachbarten Orten, einmal jung und spritzig für das Hunsrücker Paar, einmal aus dem Holz und gereift für die Münsterländer. Die Küche begrüßte uns mit einem kleinem Amuse gueule.

Ein Kartoffelmousse begleitet von einem Linsensalat (glaube ich, Petra mag mich korrigieren) und einer Tomatenreduktion. Insbesondere die knackig mit Muskat abgeschmeckte Mousse gefiel mir. Nach dem Küchengruß durfte es dann losgehen. Wir hatten Hunger! Ich will mich in dieser Kritik auf die Gerichte meiner Frau und mir konzentrieren, Kollegin Petra wird ganz sicher auch noch einen Bericht verfassen.

Meine Frau und ich waren uns bei der Vorspeise (die Auswahl der Speisen aus dem Angebot war sehr schwer gefallen) einig, es sollte Ziegenkäse Panna Cotta, glacierte Tomaten ( aus dem eigene Garten ) und Pfifferlingen sein.

Color Blocking auf kulinarisch, geometrisch sauber arrangiert! Trotzdem war doch mit Bedacht arrangiert, die Panna Cotta war recht zurückhaltend aromatisiert, meiner Frau war fast zu wenig Ziege schmeckbar, da aber sowohl Tomaten und insbesondere die Pfifferlinge kräftig gewürzt waren, war das ein gutes Gegengewicht. Der Teller war ausgeglichen, Süße und Säure durch die Tomaten, herzhaft durch die Pilze, eingefangen durch die cremige Panna Cotta, mir gefiel es. Es durfte so weiter gehen. 

Für meine Frau ging es mit Fisch weiter in den Hauptgang. Medaillon vom Seeteufel, Scampischaum, Ratatouille und Würfelkartoffeln hatte die Karte zu diesem Gericht verkündet.

Tja, und so wurde es serviert, Fisch, Schaum, Gemüse und Kartoffeln, dass war's, Pfälzer Zurückhaltung beim Anrichten, wie gestern im Kirchhölzel. Das war jetzt ein bisschen viel Weinstube für ein Restaurant mit dem Anspruch des Castells, zumal wenn für ein Gericht 29 Euro aufgerufen werden. Die einzelnen Zutaten laut meiner Frau und kleiner Happen meinerseits waren gut zubereitet, aber insgesamt hatte dieser Teller keine kulinarische "Klammer", irgendeine Idee, warum er so zusammen gestellt war. Das passte alles nicht recht zusammen. Meine Frau und auch Petra mit dem gleichen Hauptgericht waren nicht uneingeschränkt zufrieden. 

Bei der Auswahl des Hauptgangs war ich mit Petra's Mann einig, vegetarisch wurde bestellt, nicht aus Überzeugung, sondern weil Steinpilze diesen Gericht bestimmten. Frische Steinpilze, Schnittlauchrahm, Semmelknödel und Blattsalat.

Die Steinpilze konnten nicht aus dem heimischen Pfälzer Wald stammen, es gibt bisher schlicht keine, genauso wenig wie im Hunsrück bei Petra und im Münsterland bei uns. Diese waren aus dem Bayerischen Wald. Und auch wenn der Teller wieder sehr hausbacken angerichtet wurde, waren zwei Herren an unserem Tisch äußerst glücklich mit diesem Teller. Sehr gute Knödel waren drauf, perfekt ergänzt durch eine durch die Pilze aromatisierte Sahnesauce, und in der Sauce die leckersten aller Pilze (Trüffel lass ich hier jetzt mal außen vor) in kleinen Scheiben. Besser geht es nicht, dieses einfache Gericht! Jam! Salat gab es auch dazu.

Zwei Herren waren mit ihrem Teller wesentlich glücklicher als die beiden Damen am Tisch. 

Und weil wir noch nicht genug geschlemmt hatten, gab es noch Dessert. Frau und Herr Carsten1972 wählten den angeboten Käseteller mit Produkten der Ziegenkäserei die Meckerei aus Landau. 

Dazu wieder ein Glas der Beerenauslese vom Beginn, das passte so gut, dass Petra alle guten Vorsätze des Verzichtens auf ein Dessert über Bord warf und den Käseteller nachorderte. Die Käse waren wieder durch die Bank recht sanft und mild für Ziegenkäse. Für mich als Liebhaber französischer Käse darf es ruhig auch mal mehr Bumms haben, aber ich verstehe, dass man damit bei den allermeisten Kunden nicht gut ankommt. Die Desserts besänftigten dann auch die Damen wieder und bescherten ihnen einen schönen Menüabschluss.

Der Service war sehr professionell, den Damen und Herren unterliefen eigentlich, bis auf eine Wasserkaraffe am falschen Platz, keine Schnitzer. Die durchweg junge Truppe, die Frau Lauth untersteht, ist gut ausgebildet, könnte aber manchmal etwas herzlicher in ihrem Kundenkontakt sein, wie die Chefin selber. Trotzdem war das eine gute Leistung.

Kann ich also zum Fazit kommen. Sucht man in Leinsweiler eine Küche abseits der Pfälzer Weinstubenromantik, dann ist man im Castell gut aufgehoben. Die Preise sind ambitioniert und waren bei den 3 Gerichten der Herren angemessen, bei den beiden Damen im Hauptgericht etwas eingeschränkt angemessen. Insgesamt aber war die Leistung fast durchgehend gut in meinen Augen. Ich komme gerne wieder. 

Im Dunklen ist es dann auch deutlich stimmungsvoller!
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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