Gattopardo
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Focher Str. 84, 42719 Solingen
Restaurant Pizzeria
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GastroGuide-User: Shaneymac
Shaneymac hat Gattopardo in 42719 Solingen bewertet.
vor 6 Jahren
"Motiviert, bodenständig und herzlich – eine vielversprechende Neueröffnung im Walder Niemandsland"
Verifiziert

Geschrieben am 31.05.2018 | Aktualisiert am 05.06.2018
Besucht am 30.05.2018 Besuchszeit: Mittagessen 1 Personen Rechnungsbetrag: 17 EUR
30.5.2018 - Tag 1 nach den verheerenden Gewittern in Wuppertal, die Bewegtbilder der Wassermassen in den (sozialen) Medien machten es nur schwer fassbar, das diese Gewitterzellen nur einige wenige Kilometer entfernt ihr zerstörerisches Werk taten, da hat die Bezeichnung „lokales Wetterereignis“ wirklich mal seine Berechtigung gehabt.

Nur gut, daß der 2017er Wahlkampf schon längst Geschichte ist, peinliche Bilder einer medienwirksam krisenmanagend inszenierten Frau Merkel in Gummistiefeln und Ostfriesennerz in der Elberfelder City sind uns so womöglich erspart geblieben - wer weiß, zu welch bizarren Einfällen übereifrige PR-Berater fähig gewesen wären….

Der gestrige Mittwoch sollte wieder besseres Wetter bescheren und schon am Morgen regte sich in der Magengegend der Wunsch nach etwas Bella Italia auf dem Teller. 

Italia? Moment, da war doch was, stimmt, GG-Kollege Turbo war doch unlängst so begeistert, irgendwas an der Focher Straße! Also, schnell nochmal die Kritik überflogen, die mittäglichen Öffnungszeiten geprüft, daraufhin einen anmutigen Flickflack in stilvolle Flip-Flops hingelegt und vorfreudig das Vehikel geentert – am Appetit sollte es heute nicht scheitern!

Die Lage des Restaurants wurde hier schon treffend beschrieben, obwohl in den Räumen seit Jahrzehnten Gastronomie betrieben wird (bislang immer gut-bürgerlich wenn ich mich richtig erinnere), ist diese alles andere als ideal.

Im Umfeld eines Baumarktes und einer Tankstelle ist Laufkundschaft auf dieser belebten Durchgangsstraße eher ein frommer Wunsch, umso wichtiger erscheinen in diesem Licht die wenigen, zum Restaurant gehörenden Parkmöglichkeiten und meist recht gute Chancen an der Straße selbst.

Den Eindruck, den das Gebäude von außen macht, ist mit „unscheinbar“ sicher fair beschrieben, ein biederes, nicht sonderlich attraktives, zweigeschossiges Wohnhaus, etwas helles Gelb und etwas Klinker - Solinger Neobarock at its best.



Einen Hauch italienisches Flair bringen die etwas unorthodox angebrachten Schilder über den Fenstern, hier gibt’s maritime Eindrücke aus dem Süden, sowie das schicke schwarze Emblem über dem Eingang.

Die Straße ist natürlich nicht gerade als ruhige Nebenstraße zu bezeichnen, allerdings ist Solingen auch nicht unbedingt eine Metropolregion und wir reden nicht über die Hanauer Landstraße, somit entschied ich mich bei schwül warmen 29 Grad für das kleinere Übel und setzte mich unter einen schattenspendenden Sonnenschirm an einen der Außentische.



Vorab warf ich einen kurzen Blick in den vom Vorkritiker bereits hinreichend abgelichteten Innenraum und wurde bei dieser Gelegenheit vom sympathischen, jungen Betreiber und Koch, sowie seiner nicht minder freundlichen Frau begrüßt, ich fühlte mich auf Anhieb herzlich willkommen.

Die Karte wurde gereicht, ein recht schmuckloser, von der Brauerei gesponserter Einband, der Inhalt wartet ohne große Überraschungen auf. Bemerkenswert allenfalls die recht große Zahl an Fleischgerichten mit diversen zur Wahl stehenden Beilagen, dafür etwas reduziert in der Abteilung „Pesce“, dazu gepflegter Mainstream bei Pizza und Pasta.

Dies alles zu sehr irdischen, familienfreundlichen Preisen: Pasta Bolognese zu  6 Euro, kleine Pizzen ab 4 Euro, das ist mehr als günstig zu nennen und erinnerte mich preislich an Unterfranken.

Ich stolperte über ein zum Wetter passendes Pasta –Gericht, „Spaghetti auf sizilianische Art mit Sardellen, frischen Tomaten, Knoblauch und gerösteten Brotkrümeln“. Ich meine mich zu erinnern, in diversen italienischen Ausgaben der Arte Serie „Zu Tisch in…“ dieses geröstete Brot als Käse-Ersatz in der Arme-Leute-Küche gesehen zu haben und wollte fast schon zugreifen.

Dann aber lachten mich Scaloppine, Piccata und Co. derart an, daß sich doch der Karnivore in mir durchsetzte, spontan erinnerte ich mich an eine vor Jahren mit großer Freude verschlungene Scaloppine Variante mit luftgetrocknetem Schinken und mildem Käse, auch einem Saltimbocca alla romana war ich nicht abgeneigt, dies fand sich aber leider nicht auf der Karte.

Bei der Bestellung plauderte ich kurz gut gelaunt mit dem Pächter, erzählte von meiner „Scaloppine alla Cordon Bleu Erfahrung“ und Saltimbocca Gelüsten, es machte ihm spürbare Freude, sich über italienische Küche zu unterhalten und er bot aus freien Stücken sofort an, mir sehr gerne ein Saltimbocca brutzeln zu können, was ich gerne annahm.

Seine bezaubernde Frau brachte mir das zuvor georderte kleine Wasser zu günstigen 2€, das sprudelnde Haaner kam bestens gekühlt in der vorbildlichen 0,25l Gastroflasche, letzteres  in diesem Preissegment hierzulande leider nicht immer eine Selbstverständlichkeit, wie wir alle wissen.

Ich genoss das gute Wetter und den ein oder anderen Windhauch und war froh über meine Entscheidung, al fresco zu tafeln, auch wenn mir die Amalfi Küste als Szenerie sicher lieber gewesen wäre, als der Ausblick auf ein pittoreskes Teilstück der Focher Straße in Solingen Wald.

Saltimbocca („alla Shaneymaggio“) – 13€

Die in der Vorkritik erwähnte Bruschetta mit Oliven gibt es mittags anscheinend nicht vorab, nach ca. 15 Minuten kam der als eine von zwei Beilagen georderte Blattspinat auf den Tisch, der Hauptdarsteller sollte wenige Momente später folgen.



Der Spinat sah sehr gut aus, er traf auf appetitlich zerschmolzenen Käse – mir schon einen Hauch zuviel – und eine sich als Tomaten-Concassée entpuppende, geschmackliche wie optische Bereicherung aus der Abteilung Pomodori.

Das machte Laune, dann kamen die Protagonisten auf den Tisch und sorgten erst einmal für Irritation bei mir. Dafür, daß frischer Salbei fehlte, entschuldige sich der junge Betreiber von sich aus beim Servieren auf überaus nette Weise, man merkte, daß ihm das tatsächlich unangenehm war.



Das aber mit „Herz gekocht“ wurde, dafür solle schon die in „forma di cuore“ gebrachte rote Paprika Garnitur stehen, sehr putzig.

Aber schon Auge und Nase stellten umgehend fest, daß das erwartete Saltimbocca alla romana von einer herzhaften Käse-Sauce bedeckt war und das es sich mitnichten um Kalbfleisch handeln konnte.

Es sollte sich im Nachhinein herausstellen, daß der liebenswürdige Koch meinem vorherigen Schwärmen über die Cordon Bleu Scaloppine aufmerksam gelauscht hat. Da er weder frischen Salbei noch Kalbsfleisch im Haus hatte, ergo ein Saltimbocca alla romana ohnehin nicht zu machen war, entschied er sich kurzentschlossen zu improvisieren um mir etwas schmackhaftes zu zaubern.

Salltimbocca vom Schwein? Kein Salbei? Alles unter Käsepampe? Ich kann mir jetzt die Puristen-Fraktion lebhaft vorstellen, das gute Italien-Kochbuch von anno 83 wird hektisch hervorgekramt und schnell stellt man fest: unerhörte Blasphemie, non si fa cosi!!!

Auch ich war anfänglich etwas irritiert, warum hat er nichts gesagt bevor er improvisiert? War ihm das zu unangenehm nachdem er feststellte, was er vorrätig hatte?

Aber ich war nicht in der Laune zu diskutieren, dafür sehr hungrig und die entwaffnende Herzlichkeit die mir entgegenschlug erstickte jeden Anflug Kritik äußern zu wollen, und somit ergab ich mich meinem Schicksal.

Die begleitenden Rosmarin Kartoffeln hatten ihren Namensgeber nur in gerebelter Form gesehen, das tat ihrem guten Geschmack allerdings keinen Abbruch, gut geröstet, angenehm im Biss und nicht zusätzlich mit Knoblauch oder Zwiebeln aromatisiert.

Der frische Spinat wie angedeutet gut, die leicht abgeschmeckten Tomaten brachten etwas geschmackliche Bereicherung, der Spinat an sich hätte im Gegensatz zu den Kartoffeln gerne etwas Knoblauch sehen dürfen, er war mir etwas zu naturbelassen, da half auch der Käse nicht viel.

Ich widmete mich dem Fleisch, anscheinend hatte er Schweinerücken plattiert und damit das Kalb ersetzt, im Inneren zeigte sich eine generöse Füllung aus aromatischem Parmaschinken.

Beim Anschneiden bemerkte ich erleichtert, das die Käsesauce in ihrer recht leichten, cremigen Konsistenz meilenweit davon entfernt war, eine „Pampe“ zu sein, wie vielleicht die Optik dem geneigten, oberflächlichen Betrachter vermeintlich ins Auge manifestieren könnte.

Natürlich war es auch nicht gerade eine vergleichsweise ätherisch anmutende Beurre Blanc, es war eine beherzt à la minute aus dem Bratensatz gezogene Käsesauce mit einem Schuss Wein, frischem Basilikum und einer relativ kräftigen aber mitnichten überwürzten Abschmeckung.

Das Fleisch war zart, saftig und trug appetitliche Röstaromen, ich habe aufgrund der Witterung zwar nur 2/3 des Tellers geschafft, war aber dennoch sehr zufrieden mit dem Gericht, ein Glas Wein war das einzige, was ich wirklich schmerzhaft vermisst habe.

Ob es mir schmecken würde, das fragte man mich während des Essens, und (mit leicht erschrockener Miene, weil ich nicht aufgegessen hatte…) hernach, meine Erklärung hierzu nahm man geradezu erleichtert auf.

Ich gönnte mir neben einem zweiten Wasser noch einen Espresso, welcher der Geräuschkulisse nach in einem wahren Trumm von Siebträgermaschine kundig zubereitet worden war und entsprechend gut schmeckte.
Was dieser kostet, kann ich nicht sagen, ich bemerkte erst später, daß dieser nicht berechnet wurde.



Die Bezahlung geschah problemlos bargeldlos mit einem der neuen app-gestützten EC-Terminals im weißen Apple Copycat Design, die Verabschiedung seitens des jungen Betreiber Paares liebenswürdig, ungekünstelt und menschlich - ach, nicht nur aber auch deshalb liebe ich diese Art von Gastronomie….

Fazit

Sagt was ihr wollt, als Saltimbocca alle Romana nach Lehrbuch hat das Gericht natürlich völlig versagt; wiederum den Geschmack, das Handwerk, die Zutaten und nicht zuletzt die Intention des Kochs (er hat mir erklärt, warum er das mit der Sauce gemacht hat und er mir einen Gefallen tun wollte, s.o.) berücksichtigend, hatte ich ein äußerst schmackhaftes Gericht auf dem Teller und das ist mir nach einigem anfänglichen Hadern (ich wollte schon das Kochbuch von anno 95 zitieren…) schließlich gerne 4 Sterne wert.

Der Service hat diesem Eindruck weitestgehend entsprochen, die junge Gattin ist nicht vom Fach, machte ihre Sache aber durch Freundlichkeit und Präsenz sehr gut und das ist mir im Zweifel immer lieber, als dressiertes Servicelächeln und freudloses, auswendig gelerntes Annoncieren –vier Sterne hierfür.

Das Ambiente kann auch Herzlichkeit nur bedingt verbessern, in Kombination von Innen- und Außeneindruck komme ich über 3 Sterne nicht hinaus, gebe aber gerne 5 Sterne für den gepflegten Zustand bzw. die Sauberkeit.

Beim Preis-Leistungsverhältnis komme ich auf 4,5 Sterne, das ist angesichts des Gebotenen sicher ein faires Fazit, den Espresso aufs Haus habe ich hierbei nicht berücksichtigt.

Ich kann mich meinem Vorkritiker gerne anschließen, Luft nach oben gibt es sicher noch aber der junge Mann hat viel Potential; ich werde sehr gerne bald noch mal reinschauen und wünsche dem Lokal eine erfolgreiche Zukunft.
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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