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GastroGuide-User: Carsten1972
Carsten1972 hat KnypHaus · Draiser Hof in 65346 Eltville am Rhein bewertet.
vor 5 Jahren
"Da muss noch etwas nachjustiert werden"

Geschrieben am 26.03.2019 | Aktualisiert am 26.03.2019
Besucht am 24.03.2019 Besuchszeit: Mittagessen 4 Personen Rechnungsbetrag: 100 EUR
Nachdem wir unsere Pfalzweineinkaufstour am Samstag in Deidesheim beendet hatten, die uns begleitenden Freunde waren dort noch nicht gewesen und so ergab sich eine Orts- und Weinguterkundung von Deidesheim, und wieder sehr erfreulich im Weingut Siben Erben gegessen hatten, ging es Sonntagmorgen von Deidesheim wieder Richtung Norden.

Zeitlich bot es sich an, den Mittag / Nachmittag im Rheingau zu verbringen, da wir vor der Rückfahrt nach Rheine noch jemanden in seinen Geschäftsflieger von Frankfurt nach Riad / Saudi Arabien setzen mussten. Somit schloss sich noch eine kompakte sonntägliche Rheingau Tour an die Pfalz Tour an. Mit der Fähre ging es in Bingen über den Rhein, und hoch nach Johannisberg, siehe mein Bericht vom Caffeehaus Moser. Danach wurde das Kloster Eberbach und das schwarze Häuschen in der Domäne Steinberg besucht. Von dort dann hinunter nach Eltville, besser Erbach.

Hier wollten wir ein wenig essen. Die neue Weinstube im Knyphaus auf dem Weingut Baron Knyphausen wollte ja kurz nach der Eröfffnung besucht werden. Viel wird ja nicht veröffentlicht im Netz, also ein wenig ein Schuss ins Trübe, als wir den Wagen vor dem gräflichen Park mit Weingut, Hotel, Vinothek und Weinbar parkten. Das Gelände ist sehr weitläufig.

Hinten im Park die bei schönem Wetter immer zu empfehlende Weinlounge, die auch bei dem nicht ganz so sonnigen Frühlingstag Ende März gut besucht war. Vorne, linker Hand vom Eingang auf das Gutsgelände das zum Knyphaus umgebaute alte Wirtschaftsgebäude des Weinguts.

Drinnen die sehr großzügige Vinothek mit großem Sensorikbereich, einem Bereich für weitere Hofwaren und natürlich allen Weinen des VDP Weingut Baron Knyphausen. Geht man dann nach links, kommt man in den soeben eröffneten Bereich der Weinbar 1818, modernes Ambiente, zurückhaltend und kühl gestaltet.

Es war nichts los, also fragten wir zuerst, ob überhaupt geöffnet sei, und wir zu viert einen Tisch zum speisen bekommen könnten. Das wurde bejaht, und wir suchten uns einen Tisch im Gastraum, außer uns vielleicht noch 4 weitere Gäste, es füllte sich aber zunehmend während wir speisten. Über unseren Köpfen ein Wandbild mit Informationen zum gräflichen Geschlecht (alte Ostfriesenhäuptlinge!) und ihrem Weinbau.

Die junge Dame im Service war allein und offensichtlich ungelernt, denn erst Mal wurden wir vergessen, und nur hinter der Theke gewuselt. Irgendwann fielen ihr unsere Blicke doch mal auf und die Karten kamen an den Tisch.

Ich nahm mal das Angebot in Augenschein. Offen gab es nur Weine bis zu den Orts(VDP)-Qualitäten zu bestellen. Das ist doch etwas mager, wenn ich schon in einem Weingut einkehre, würde ich auch gerne mal die Gelegenheit haben, mich durch die Premiumqualitäten Glasweise zu probieren. Das WG Sieben Erben in Deidesheim macht es vor, dort gibt es in der Straußwirtschaft GG Qualitäten aller Lagen und verschiedener Jahrgänge offen zu verkosten. Neben den Weinen Craft Beer, muss heut zu Tage wohl sein, und warmes und kaltes ohne Alkohol. Die Gerichte passten auf eine DIN A4 Seite im Klemmbrett.

Ich mag ja kleine Karten, aber dass war etwas mager, 4 kleine kalte Platten (Käse, Wurst, Vesper), ein Hinweis auf Kindergerichte, Nachtisch und Kuchen, dann links 11 als Tapas deklarierte Gerichte. Des weiteren ein Hinweis auf Tagesgerichte, nach denen ich dann fragte. Die Antwort war erstaunlich: Gestern hat die niemand bestellt, deswegen gibt es heute keine! Okay? Vielleicht haben ganz viele den kleinen Hinweis in der Karte nicht gesehen, und wenn man Tagesgerichte anbietet macht es auch immer Sinn an den Eingang eine Tafel zu stellen, auf der man die verkündet, dass lockt möglicherweise Kunden und veranlasst diese, die Tagesgerichte zu bestellen. Oder aber man lässt das ganz......das war jedenfalls eine verwirrende Auskunft, die am Ende des Besuchs noch eine Diskussion nach sich zog.

Damit waren wir also auf eine Seite beschränkt in Sachen Hunger stillen. Muss ja grundsätzlich nicht schlecht sein. Folglich die nächste Frage, wie viele Tapas braucht es, bis man satt ist? Drei bis vier kam die schnelle und selbstischere Antwort. So kam es, das jeweils 4 Tapas an die Männer am Tisch gingen, und je 3 Stück an die Frauen (boh, wat für ein Klischee!). Ich will hier meine 4 Tapas vorstellen:

Lauwarmer Linsensalat mit Ziegenkäse. Der Honig in der Vinaigrette und auf dem gratinierten Ziegenkäse laut Karte vom eigenen Bienenvolk auf dem Hof. Kombi passte und der kleine Teller war appetitlich angerichtet. Der zweite Teller

Bio-Ei mit grüner Sauce. Wir sind ja in Hessen, also muss was mit Grüner Sauce dabei sein. Soweit ich das als Nordlicht beurteilen kann, war die gut gelungen, mir schmeckte sie gut. Das Ei war mir zu hart gekocht, wachsweich finde ich die besser. Den Crunch in Form von frittierten Kartoffelscheiben hätte es nicht gebraucht. Aber auch dieser Teller war schmackhaft. Die Vitamine kamen dann auch noch in Form von

verstecktem Kartoffelmousse. Galante Formulierung für Kartoffelpüree umwickelt mit Mangold. Aber manchmal sind ja die einfachsten Aromen die Besten, wenn sie gut präsentiert werden. Und dieser Teller war mal wieder so ein vermeintlich schlichtes, aber dafür nachhaltig in Erinnerung bleibendes Gericht. Lecker Stampf, nicht zu fein, blanchierter Mangold darum, und dass ganze im einem Saucenspiegel aus einem sehr guten Petersilien-Pesto. Klasse! Ein bisschen tierisches Eiweiss gehört ja auch noch auf die sonntägliche Tafel, also als letzter Teil meines Mittagessen

lackierter Schweinbauch. Ein Stück Schweinebauch, vermutlich vorher Sous vide gegart, danach recht süßlich mariniert und dann noch mal knusprig unter dem Salamander fertig gegart schmeckte gut. Klassisch dazu ein kleiner Semmelknödel. Höhepunkt wieder die Sauce, eine recht süße Zwiebeljus, stückig, dickflüssig. Dass passte 100% zum Schweinefleisch. Auch ein feines Gericht. Eine Frage in die Runde verriet ähnlich zufriedene Tischgenossen. In Sachen Qualität der angebotenen Gerichte gab es keine Kritik. Die empfohlene Menge von 3 bis 4 Tapas ist auch sättigend, auch das passte. Man ist dann aber auch bei mindestens 20 EUR für ein Essen.

Jetzt aber zu den Punkten, die mich doch Kritik äußern lassen. Da waren zum einen die nicht angebotenen Gerichte. Um nachhaltig eine Gastronomie zu etablieren fehlt es an etwas mehr Alternativen in der Karte und es gibt sicher auch viele Menschen, die ein klassisches Gericht einem Sammelsurium an kleinen Tellern vorziehen. Also, Aufsteller draußen und Tafeln drinnen beschaffen und eine Handvoll Tagesgerichte darauf, mit saisonalen und regionalen Bezug und schon ist alles Töfte. Besonders am Ablauf in Küche und Service muss gearbeitet werden. Wenn ich die Kunden dazu zwinge, pro Person 3 bis 4 Tapas zu bestellen, dann sollten diese in einer angemessenen Zeit gemeinsam am Tisch serviert werden, ein Zeitraum von 25 Minuten, bis alles am Tisch ist, ist nicht angemessen.

Fazit: Licht und Schatten in der neuen Gastronomie im Weingut Knyphausen. Man muss sich entscheiden, bleibt man Bistro mit entsprechender Karte oder will man mehr in Richtung volle Bewirtung gehen? Im Moment ist weder schwarz noch weiß, sondern grau. Bitte auch unbedingt die Weinkarte ergänzen um ein paar anspruchsvollere Weine. Ich werde sicher noch einmal in diesem Jahr einkehren und hoffe, dass bis dahin die Anlaufschwierigkeiten überwunden sind, und ich einen weiteren Bericht mit mehr Sternen versehen kann. Trotzdem sei ein Besuch des Anwesens jedem Rheingau Besucher empfohlen. Nicht vergessen Quintus zu kraulen, der liebste Weinguthund der Welt.
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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