Wir verwenden Cookies
Wenn Sie unsere Webseiten besuchen, kann Ihre Systemsoftware Informationen in Form von Cookies oder anderen Technologien von uns und unseren Partnern abrufen oder speichern, um z.B. die gewünschte Funktion der Website zu gewährleisten.
(Erstveröffentlicht RK 1.6.14)
Da Renato
Seit 1988 gibt es in Bad Schönborn in einem recht unscheinbaren aber gepflegten, grau gestrichenem kleinen Haus mit grauen Fenstermarkisen an der Rochusstraße das Da Renato. Parkplätze sind direkt an der Straße davor und im Hof hinter dem Haus.
Vom Bürgersteig geht es direkt zwischen einem Aufsteller und Fass durch die Haustüre in den ersten zunächst ca 30qm großen Gastraum mit einem gewaltigen Tresen, vor dem sich wenige kleine Tische befinden , linker Hand erkennt man eine Emporenkonstruktion, d.h. zwei Ebenen, die auch je 20-30qm Fläche haben dürften. Rechts von der Eingangstür geht es durch eine offene Zimmertüre ein paar wenige Stufen runter in einen ca 40qm großen Raum, man sieht beim Eintreten gegenüber eine weitere offene Türe, die tiefer in eine Art Wein-Keller führt, nach links geht der Blick in den Gastraum der in zwei Ebenen gegliedert ist, eine kleine Treppe mit weiß gestrichenem Blütenkunstschmiedegeländer führt zu einer weiteren kleinen auf Erdbodenniveau liegenden Hochfläche, mit großer Fensterschiebetür zur Terrasse. Auf dem Podest vor dem Fensterbereich ein Vierertisch und ein Kamin. Der Architekt hat ganze Arbeit geleistet, viele Plätze ohne offensichtliche Enge, was man dem kleinen Bau von außen nicht ansieht. Und innen hat man geschafft, dem Raum ein etwas übertriebenes fünfziger Jahre Gardasee-Sissi gefühl zu vermitteln, wozu aber Balken und wie Schlammputz aufgetragene Wände in Ockerfarbe einen rustikalen Gegensatz bilden. Das mag für manche Gäste gehoben wirken, ist nicht ganz nach unserem Geschmack, aber nicht so, dass wir uns unwohl fühlen. Auf der kleinen Fläche bieten sich an kleinen Tischen und zwei Rundecken ca 22 Gastplätze.
Alle Tische bis auf einen Vierertisch, an dem wir platziert werden, haben einen Reservierungsaufsteller. Auf jedem der weiß gedeckten Tische, die mit Besteck, umbrafarbiger Papierserviette und kleinem Stilglas vorgedeckt sind, befinden sich zwei Mühlen und eine einzelne Rose – als Vase dienen "stylisch" leere 0,5l Flaschen eines Barbera d’Asti von Marco Bofante und weiter steht eine silberfarbige Kugel mit Teelicht , das vom Gastgeber bei der Platzierung angezündet wird.
Die kleinen Stühle sind doch bequem, nicht neu aber gepflegt. Der Patrone vermittelt italienisch in hoher Lautstärke sein Regiment über sein Restaurant, nicht nur in der freundlich zurückhaltenden Begrüßung des sonoren „Buona sera“, sondern auch sonst. Man sieht, der Service ist natürlich, hervorragend geübt, aber leider nicht geschult. Doch manchmal beachtet er (wie ich später bei einem jungen Paar sehe, das Fotos von den Tellern gemacht hat) dann doch Formen und reicht nicht wie bei uns die Karten oder das Essen quer über den Tisch.
Die Karte ist relativ umfangreich und zu meiner Überraschung möchte ich sie mal als preislich sehr moderat bezeichnen. Bei Fleischgerichten (Involtino) um 16,50, Rumpsteak (sehr italienisch?) 18,50 – Salate um 10, Pasta, Pizza, 8 und- also „normal“ . Nach kurzer, mit lautstarken Anweisungen und mehreren „Buona Sera“ aus dem Tresenraum, kommt er zur Aufnahme unserer Bestellung. San Pellegrino 0,75 zu 4,90 ist klar, wir fragen nach Empfehlung – Fisch oder Fleisch wird gefragt, um uns nach meinem Achselzucken nach einer Aufzählung einiger Fischarten von Lachs Wolfsbarsch bis Dorade dann die hausgemachten Nudeln mit Rucola-Pesto und Lachs zu empfehlen und frisches (was sonst?) Kalbskotelett mit Gemüsen. Wir fragen nach dem auf Schiefertafeln an der Wand angebotenen offenen Weinangebot, Nero Tavola und Lugana, 0,2l zu je 4,50. Die offenen italiener in der Karte liegen darunter. Ich bestelle den Lugana für meine Frau und Lambrusco für mich – das bringt den Patrone kurz durcheinander, denn er spricht beim Notieren mit, sagt 0,5l Lugana und Lambr.. stockt selbst kurz und ich korrigiere 0,2, was er zur Bestätigung wiederholt. Das finde ich gut, so werden Missverständnisse vorab vermieden. Ebenso wiederholt er unsere Essens- Bestellung - wir nehmen die empfohlenen Penne und das Kalbskotelett.
Nach kurzer Wartezeit kommt zunächst das SP, dann bringt die als zweite Servicekraft arbeitende Frau ein Körbchen mit einem in Scheiben aufgeschnittenen Pizzateigbrötchen und ein kleines Töpfchen mit schmackhaften Oliven. Einen längeren Moment später werden der Lugana und der Lambrusco gebracht – Lugana richtig temperiert, der Lambrusco für mich könnte gerne kühler sein, aber okay- das ist ja auch kein „Wein“. Wir sind positiv angetan – der Service sagen wir mal freundlich rustikal, zeitlich gutes Timing, ein Gruß dazu, die Preise sehr schön – so wird zum 26Jährigen Bestehen Montags ein 4-Gang Menu (Fisch oder Fleisch) zu 26 Euro als „Glücksmenu“ angeboten –
Denn das Da Renato hatte es vor gut zwanzig Jahren innerhalb von 95Minuten bei uns auf den schwärzesten des Schwarzen Index der „gesperrten Lokale“ geschafft – damals weit und breit als Edelitaliener gepriesen, fanden wir damals beim ersten Besuch einen ruppigen Service, absolut überhöhte Preise - trotz halb leerem Lokal unverschämte Wartezeiten auf abgestandene Getränke und – 60 Minuten Wartezeit bei einfachen Spaghetti Carbonara (die wohl auch solange gekocht worden waren) samt groben sagen wir vorsichtig „Fehlern“ bei der Abrechnung. Im Zuge zweier weiterer Besuche Jahre später auf Grund Gruppenentscheidung - hatte ich da zwar etwas Besserung gefunden, aber nicht so überzeugend, dass das Lokal von meinem Index kam. Daher war unser heutiger spontaner Entschluss zum Besuch mehr der Faulheit weit zu Fahren und der Müdigkeit geschuldet - ein Test, zumal ein freier Parkplatz direkt vor der Tür im Vorbeifahren lockte, ich dann dreimal um die Ecke bog und so gegenüber unserem ursprünglichen Ziel rund 30km Kurzstrecke ade sagte.
Das Restaurant füllt sich – die reservierten Plätze - und draußen auf der Terrasse ist auch gut besucht. Die beiden Servicekräfte (die weibliche Servicekraft ist zwar geübt, freundlich, aber vermutlich völlig schulungsfrei) rennen fleißig treppauf treppab, nutzen den Terrassenausgang der Küche und den beim Tresen, so dass zwar nicht gerade Hektik, jedoch das Gefühl von Betriebsamkeit entsteht – zusammen mit den immer noch lautstarken Ansagen des Chefs und dem Erzählen der Gäste kommt sogar etwas Italien-Stimmung auf. Wir sind positiv angetan.
Dann wird mein Salat gebracht – eine Schüssel in grün weiß - Eisbergsalat, Tomatenachtel, etwas Radicchio, eine Scheibe Gurke, frischgehobelte Gemüse-Zwiebelringe mit einem Joghurtdressing, das wohl eine mit Sahne aufgepeppte Conveniencebasis haben könnte- aber so gut schmeckt, dass ich sehr angetan bin. Die Portionsgröße ist sehr gut für einen Beilagensalat. Ein paar feine Möhrenjulienne geben dem Grün am Ende noch etwas Farbe. Da meine Frau auch etwas vom Salat nascht, beurteilen wir beide den Salat für angenehm, nichts Besonderes, aber gut.
Nach angenehmer Wartezeit, in der ich das Ocker an der Wand betrachte und nicht ganz schlüssig werde, ob die dunklen Stellen nun farbliche Akzente oder nur Spuren früherer Besucher sind, bringt die weibliche Bedienung unsere Hauptgerichte. Ca 30x30 Zentimeter große weiße Porzellan-Platten mit Rand. Die Penne liegen mittig, nur einlagig in der Fläche und lassen so den Teller noch größer erscheinen. Fünf bis sechs Minitomaten (aber nicht Cherry, sondern die länglichen) geben Farbe in die nach gelben Schnibbel-Bohnen aussehenden Nudeln. Mit dem Backpinsel sind links und rechts auf dem Teller etwas festgebacken pinselbreite Streifen des Pestos aufgemalt und wären die Penne nicht schon leicht mit dem Pesto überzogen, wäre das nicht nur optisch wenig, nichts. Die Nudeln schmecken tatsächlich frisch, sehr angenehm, aber selbst meine Frau, die wirklich nur kleine Portionen isst, meint zur Portionsgröße „gerade so“ – Kinderportion. Mein Kalbskotelett glänzt dagegen auf dem Teller mit einem immens großen Knochen, der den Tellerraum voll nutzt, das Fleisch dabei aber klein aussehen lässt. Das Stück ist fein auf Broccoli, Möhren und Spinat angerichtet, ein Zweig Rosmarin liegt auf einem Pesto-Pinselstrich, buttriges Fett macht das Gemüse glänzend. Eine dicke Scheibe frische Zitrone ist hälftig eingeschnitten, die Schnittteile verdreht und sehen so wie ein Flügelrad aus Zitrone aus, weiter steht noch etwas unmotiviert einer der modernen Vorspeisenlöffel mit gefrosteter Kräuterbutter auf dem Teller. Das Kalbskotelett ist gekonnt zubereitet, das Gemüse knackig, die Kräuterbutter nicht nur völlig überflüssig, sondern schmeckt auch nicht frisch. Doch insgesamt bin ich nun gespannt – möchte noch einen Nachtisch ordern. Während ich da mit meiner Frau drüber diskutiere, kommt die Servicekraft an den Tisch – ich bin fertig, meine frau pickt noch an drei Nudeln und zwei Tomaten herum – die Servicekraft schaut – mein leeres Weinglas wartet auf Füllung, mein Wasserglas auch – und zack, ist mein Teller wortlos weg. Die Gläser bleiben leer. Also gieße ich selbst nach. Da ich weder für die hausgemachten Nudeln noch meine Kalbskotelettempfehlung eine Preisangabe habe, bin ich darauf auch gespannt. Nach wenigen Minuten schreitet der Patrone daher, „Espresso?, Kaffee?“ ist sein Kommentar zeitlich parallel zu meinem Frageansatz nach Dessert. Er wiederholt noch mal – und ich krame ein „Tiramisu“ hervor, er „ Ey, Pannacotta“, ich „und?“ er „ „Ah Tiramisu, Pannacotta“ – ich schaue – er sagt- „ah mache wir eine Platte gemischt, mit Alles – für Beide“ – ich „ja“ – er „und Espresso, Kaffee?“ ich schüttle den Kopf – er nimmt den leeren Teller meiner Frau mit einem „war gut?“ – dann passiert nichts. Auch mein Glas, das zwischenzeitlich wieder leer ist, wird nicht aufgefüllt, beide Servicekräfte laufen stumm mehrfach am Tisch vorbei, ab und zu hört man kurze Anweisungen gerufen – „drei Kugel“ - sonst – keine Frage bei uns – an einem Nachbartisch höre ich beim Abräumen nur ein einziges kurzes „Geschmeckt?“ ohne Antwort. In meinem Rücken höre ich, dass anscheinend ein Stammgast in weiterer Begleitung gekommen ist, der nicht reserviert hat. Alles sei reserviert, hier vorn ein Tisch in 10 bis 15 Minuten - doch dann platziert man die Gäste an einem Tisch, nimmt das Reserviertzeichen weg – und übergibt die Karten mit freundlichem Gespräch. Wir warten. Irgendwann sieht mich der Patrone von der Terrasse aus, kommt an den Tisch im Vorbeigehen – „Ey Espresso, Kaffee.. ach“ und ist zack schon vorbei und weg. Wenige Minuten später kommt er vorbei und bringt eine große Vorlegeplatte – darauf in einer Ecke ein großer Klacks Sprühsahne, ein schwarz schokoglänzender kuppelförmiger massiver Zylinder, daneben eine Kugel Eis, ein kleines Wasserglas mit Panna Cotta und einer riesigen brombeerartigen Beere darauf, daneben ein flach bestäubtes Tiramisu nehme ich an und in einem weitern Sahnebett eine drapierte Erdbeere. Viel, so sieht es aus und ist es auch. Der Schokozylinder ist wie erwartet ein warmer Schokokuchen, die Tiramisu ist eine Enttäuschung mit Sprühsahnetopping auf Bisquitmasse, das Eis etwas sorbetartig kristallin Vanille – hervorragend ist das Panna Cotta. Nun verstehe ich die Sprachlosigkeit des Wirts und sein Panna Cotta Hinweis und wäre wohl doch noch besser seinem „Espresso“ gefolgt – viel heißt ja nicht auch gleich noch gut. Meine Bitte nach der Rechnung wird mit einem zackigen „Si“ beantwortet, und ja 95 Minuten waren es auch diesmal – aber positiv.
Fazit: Unsere Indizierung des Lokals wird vorläufig aufgehoben – wir werden an einem der kommenden Montage mal das Glücksmenu probieren und dann weiter sehen. Das Kalbskotelett hat an diesem frühen Abend übrigens wohl 16,90, die hausgemachten Nudeln 11,90 und die Nachtischplatte 11,90 auf die Rechnung gebracht.