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GastroGuide-User: Ina12
Ina12 hat Restaurant Südtiroler Hütte in 28195 Bremen bewertet.
vor 9 Jahren
"Ihr wollt Südtiroler sein?"
Verifiziert

Geschrieben am 12.03.2016
Besucht am 13.01.2016
Ich habe einen Freund, einen guten Freund.
Er ist WerderBremen Fan.
Und es gibt ein Restaurant, das von einem Ex-Werderprofi betrieben wird.
Er heißt Nelson Valdez. Er stammt aus Paraguay.

Das Lokal, so nenne ich es seit unserem Besuch, heißt "Südtiroler Hütte" und befindet sich in der Nähe des Bremer Hauptbahnhofs.
Also ganz zentral.

Erwähnter Freund lud ein paar Freunde (auch mich) an einem Abend vor einigen Wochen dort zum Essen ein.
Er meinte, die Speisekarte klinge gut. Auch war er schon oft im Motorradurlaub in Südtirol und hat dort nach eigenen Angaben immer sehr gut gegessen.
Das genügte uns, wir freuten uns auf einen leckeren und gemütlichen Abend.

Von außen passt die "Südtiroler Hütte" so gar nicht in die Betonwüste am Bremer Hauptbahnhof.
Ein Traum in hellem Holz, Marke Blockhütte, mit Butzenfenstern und einer Rampe in demselben Holz für die Rollifahrer steht geduckt  neben den  hässlichen Bürogebäuden der 60er Jahre. Eine fiese Ecke. Als Frau gehe ich bei Dunkelheit nie allein in diese Gegend.

Es war kalt an diesem Abend, richtig eiskalt. Doch kaum hatten wir den Gastraum betreten, erschlug uns die Hitze. Mindestens 25° C stürmten auf uns ein.
Der Gastraum  der "Südtiroler Hütte" ist vollgestellt mit langen Holztischen, sehr eng stehenden, glatten Holzstühlen Marke Berghütte.
Auf einigen  Stühlen liegt der Dekoration wegen ein Schaffell. Das nützt aber nichts, der Raum wirkt trotzdem kahl, ungemütlich, wie eine Jugendherberge.
An einigen Wänden des großen Raumes hängen Monitore, die die wunderschöne Landschaft Südtirols zeigen.
Auch das nutzt nichts, es ist kahl, kahl, kahl .... heiß..... und sehr laut!
Mangels schallschluckender Materialien im Gastraum verdreifacht sich jedes Geräusch, jedes gesprochene Wort und jeder Fußtritt.

Kaum sitzen wir zu viert am Tisch, stürmt auch schon eine männliche Servicekraft in Lederhosen und uns völlig unverständlichem Akzent (sollte das südtirolerisch sein?) auf uns zu. Nicht, um uns mit den auf den Tischen fehlenden Speisekarten zu versorgen, mitnichten.
Er verteilt pro Person eine Nummer! Tatsächlich, wir bekommen jede/r eine Nummer! Ich bekomme die Nummer 2. Mit dieser Nummer soll ich alle Bestellungen aufgeben.
Der Mann redet laut mit uns. Er brüllt fast. Das muss am Umgebungsgeräusch liegen.
Meine Ohren dröhnen.

Speisekarten werden gebracht. Nicht jeder bekommt eine, es gibt insgesamt nur zwei.
Für 4 Personen.
Das heißt, man muss sich beeilen. Da wartet noch jemand auf die Karte, um auszusuchen.
Blöd, sowas.

Ich wähle aus: Südtiroler Schlutzkrapfen mit Parmesan und Butter. Eine Art Ravioli, klärt mich mein südtirolerfahrener Freund auf. Soll sehr lecker sein. Dazu ein Schoppen Weißwein.
Ich bitte den Servicemann um eine Empfehlung und erkläre ihm, dass ich ganz trockene, fruchtige Weißweine bevorzuge. Er erschrickt, schaut in die Speisekarte, schaut mich an und verschwindet, um einen Kollegen zu befragen.
Zurück am Tisch, empfiehlt er mir den Chardonnay von der Karte. Ganz trocken und gaanz fruchtig, brüllt er mir ins Ohr. Ich bestelle also den Chardonnay.

Nach wenigen  Minuten stehen zwei schöne, leere Weingläser und eine Karaffe mit 0,5 l  weißen Weins (13,80€) auf unserem Tisch. Ich teile mir den halben Liter mit einer Freundin.
Noch ist der Wein schön kalt. Leicht beschlagen ist die Karaffe, das ist ein gutes Zeichen. Wir schenken ein.
Wir probieren.
Hmm, nein: ach, wie schade!!  Ein völlig belangloses Tröpfchen ist das, nix Frucht, nix Säure, nix trocken.
Aber immerhin kalt. Noch ein Schluck.
Besser wird der Wein dadurch nicht.
Die Kühle des Weines hält bei den Saunatemperaturen im Lokal allerdings nicht lange an. Wenige Minuten später hat der Wein geschätzte 15 °C. 

Das Essen läßt 40 weitere Minuten auf sich warten. Dann kommen sie endlich, die Südtiroler Schlutzkrapfen.
Ein kleiner Teller, wie ein Kuchenteller, mit einigen dünnen, halbmondförmigen Ravioli. Ganz pur werden die serviert. Kein Salatblatt, keine Sauce, es gibt nichts dazu.
Leider schmecken sie genauso fade wie der Wein. Man kann sie essen, man kann es auch lassen. Satt werde ich so oder so nicht davon, die Portion ist wirklich sehr übersichtlich.
Auch meine Freundin, sie hat das Gleiche bestellt, fühlt nach dieser Vorspeise für saftige 11,80 € noch viel Luft im Magen.
Ich habe inzwischen die Nase voll vom warmen Chardonnay und bestelle mir ein kühles Bier. Der Hitze wegen.
Und der Leere im Verdauungstrakt wegen.
Das Bier ist super, kühl und lecker!
Immerhin.

Ich habe Hunger. Also bitte ich noch einmal um die Speisekarte, meine Freundin auch. Wir müssen wieder teilen. Nur eine Karte wird uns ausgegeben. Ob der Inhaber der "Südtiroler Hütte " so arm dran ist?
Das Lokal ist nicht mal halb voll an diesem Abend, und schon gehen die Speisekarten aus?
Ich bestelle mir aus Vernunftgründen den "Bergsteigerteller" zu 11,50 € mit Spiegeleiern, Schinken und Röstkartoffeln.
Der macht ja sicher pappsatt!
Was ich bekomme, sogar schon nach wenigen Warteminuten, macht mich fassungslos:
ein Napf, ein runder Napf Marke Hund, Durchmesser ca. 20 cm, gefüllt mit Bratkartoffeln (blass, dicke Scheiben, nicht kross), Spiegeleiern (Eiweiß teilweise noch roh) und ein paar dünnen Scheiben gebratenem Schinken,  der nach der großen Familienpackung beim Supermarkt ausschaut.
Egal, ich  habe Hunger. Also hinein mit der Gabel......und wieder hinaus! Bratkartoffeln ohne Röstaroma sind per se ja schon eine Zumutung, rohes Eiweiß beim Spiegelei ist es auch, aber der penetrante Geschmack alten Bratfetts ist einfach nur scheußlich! Ich lege Messer und Gabel nach wenigen Probierbissen weg und rühre den Napf nicht mehr an.
Obwohl immer wieder Servicemenschen an unseren Tisch treten (Frauen und Männer, eine eindeutige Zuordnung zum Tisch ist nicht zu erkennen) spricht mich keiner auf den Bergsteigerteller an, der vor mir langsam abkühlt. Es interessiert niemanden, ob den Gästen das Essen schmeckt oder nicht.
So stelle ich mir Systemgastronomie im schlechtesten Sinne vor.

Ich habe keine Lust mehr, hier zu bleiben. Wir bitten um die Rechnung.
Die Rechnung von Ü 40 € nur für mich kommt mir angesichts des gebotenen Desasters frech vor.
Ich gebe kein Trinkgeld. Aus Überzeugung.
Das kommt sehr selten vor. Hier finde ich es angemessen.
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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