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GastroGuide-User: marcO74
marcO74 hat Reuters Holzappel in 76889 Pleisweiler-Oberhofen bewertet.
vor 6 Jahren
"Kulinarische Heimspiele im sympathischen Familienbetrieb"

Geschrieben am 26.10.2018
Besucht am 24.08.2018 Besuchszeit: Abendessen 2 Personen Rechnungsbetrag: 90 EUR
Bei uns in der Südpfalz gibt es jede Menge verlässliche Adressen, in denen es sich vortrefflich einkehren und genießen lässt. Der von Wolfgang und Ulrike Reuter schon seit den 90er Jahren betriebene „Holzappel“ in Pleisweiler-Oberhofen (Ortsteil Oberhofen) zählt da zweifellos dazu. Mein letzter Bericht liegt schon über zwei Jahre zurück. Zeit also für ein kleines Update, das auf zwei relativ dicht aufeinanderfolgenden Besuchen Ende August bzw. Mitte September basiert.
 
Über das Interieur des geschmackvoll eingerichteten Fachwerkhauses aus dem 18. Jahrhundert habe ich schon ausführlich berichtet. Genau wie über die herzliche Art der Hausherrin, mit der sich eigentlich immer ein netter Plausch im Laufe des Abends entwickelt. Schade nur, dass die jungen weiblichen Servicekräfte – mit Ausnahme des manchmal aushelfenden Sohnes Justus – diese Form der Kommunikation mit den Gästen kaum pflegen.
 
Da freut man sich jedes Mal, wenn Ulrike Reuter persönlich am Tisch vorbeischaut und man sich mit ihr über Wein, den Pfalz-Tourismus oder gastronomische Neuigkeiten aus der Region austauschen kann. Das eine oder andere Probiergläschen zur Erweiterung des vinophilen Horizonts springt dabei oft heraus. Was tut man nicht alles, um sich fortzubilden. „Per aspera ad astra“ – wie nicht nur der weinaffine Altsprachler zu sagen pflegt.
 
Apropos Wein. Die Weinkarte der Reuters kann sich nach wie vor sehen lassen. Listet sie doch einen guten Querschnitt durch die Südpfälzer Reblande. Regionale Winzer aus der Nachbarschaft, wie z.B. die ortsansässigen Weingüter Leonhard und Wilker, sind da genauso vertreten wie Bekanntes aus der VDP-Liga (Becker, Bernhart, Rebholz, Minges). Die Auswahl an offenen Kreszenzen ist respektabel. Aber der Flaschenweinbestand toppt das noch. Hier lässt sich die ein oder andere fair bepreiste Trouvaille entdecken, wobei der Schwerpunkt klar bei den Weißweinen liegt. Bei dem Angebot an Riesling, Silvaner, Bukett- und Burgundersorten werden selbst norddeutsche Mitglieder der „WRF“ („Weiße Reben Fraktion“) fündig.
 
Eine Flasche Tönissteiner Sprudel (0,7l für 3,80 Euro) war schnell geordert. Das Viertel von Friedrich Beckers „Guillaume“, einer sicheren Bank in Sachen Rotwein-Cuvée, hatte natürlich auch seinen Preis. Aber die 7,50 Euro waren gut angelegt. Qualität kostet eben. Außerdem gönnt man sich ja sonst nichts. Deutlich weniger stoffig, dafür mit etwas mehr Frucht im Glas, präsentierte sich der trockene Rote vom Weingut Villa Pistoria (5,60 Euro fürs Viertel). Das hoch oben an den Hängen des Bad Bergzaberner Liebfrauenberges gelegene Weingut von Michael Naab liefert erstaunliche Qualitäten zu zivilen Preisen. Und mit dem Grauburgunder vom Stiftsweingut Meyer aus Gleiszellen (2,80 Euro fürs Achtel) machten wir sowieso nichts falsch.
 
Zwei Sorten Brot und ein Schälchen vom hausgemachten Kräuterquark bilden seit jeher eine verlässliche Kombination zum Amuse. Es sind ja oft die einfachen Dinge, die – wenn sie gut zubereitet sind – das Herz des Genießers erwärmen. Und – wie in dem Fall – die Lust auf weitere Genüsse befeuern.
 
Bei unserem Besuch im August genossen wir vorweg die gebratenen Jakobsmuscheln in milder Currysauce zusammen mit feinen Sepia-Nudeln und Kaiserschoten (15,50 Euro) sowie einen kleinen Blattsalat (4 Euro). Das Muschelfleisch war innendrin noch schön glasig. Drei perfekt gebratene, stattliche Exemplare (keine Baby-Kamm-Muschel-Kuriositäten wie man sie in Neustadt-Gimmeldingen gerne untergejubelt bekommt) lagen auf süßlich-aromatischer Curry-Sauce. Die helle Sauce bot zusammen mit den schwarzgefärbten Nudeln und den grünen Zuckerschoten eine stimmige Farbkombination auf dem Teller. Da ließ ich mir selbst die knallrote Cocktailtomate als zentralen Farbtupfer gefallen. Einziges kleines Manko an diesem ansonsten einwandfreien Teller waren die Kaiserschoten, die jeglichen Biss vermissen ließen.
 
Bei den Hauptgängen fiel die Entscheidung auf das ausgelöste Stubenküken auf Pfifferling-Kartoffelragout (21,50 Euro) sowie das Lamm-Zweierlei (kurzgebratenes Lammfilet und geschmorte Lammschulter) auf cremigen Schnippelbohnen mit Rosmarinplätzchen (24 Euro), das sich meine Begleitung schmecken ließ. Das Junghuhn lag zerteilt auf delikatem Pilz-Kartoffel-Ragout, dem es nicht an feiner Säure fehlte. Ein köstlicher Umami-Teppich, auf dem das ausgelöste Stubenküken seine perfekt gewürzte Ruhe fand. Außen knusprig und innen saftig, war das Gourmet-Geflügel der reinste Gaumenschmaus. Schade nur, dass diese jungen Dinger nicht größer werden. Auch die Dame gegenüber lobte ihr rosa gebratenes Lammfilet, das ausgezeichnet mit dem cremigen Bohnengemüse harmonierte. Die dicke Tranche von der geschmorten, mit mediterranen Kräutern gefüllten Lammschulter fiel herrlich mürbe aus und ließ ebenfalls nichts zu wünschen übrig. Ein ansehnlicher Saucenspiegel, dessen Duft auf eine würzige Lamm-Jus schließen ließ, komplettierte dieses hochwertige Fleischgericht. Die als Rosmarinplätzchen bezeichnete Kartoffelbeilage, kenne ich als Resteverwertung für übriggebliebenes Püree. Auf beiden Seiten in Butter angebraten eignen sich diese Kartoffelküchle oder –plätzchen sehr gut als „Saucenschwämmchen“.
 
Ein paar Wochen später wagten wir uns vorweg an die sauren Zipfel (2 Stück für 7 Euro). Diese fränkische Spezialität lässt sich der Franke Wolfgang Reuter von der Bergzaberner Metzgerei Kieffer nach seiner Vorstellung „zusammenwursten“. Serviert wurden sie in einem Suppenteller, denn sie schwammen in warmem Zwiebelsud. Zusammen mit den weichgekochten Zwiebeln und der leicht säuerlichen Brühe war das eine Vorspeise mit viel Schmackes und Charakter. Ein unerwartetes kulinarisches Highlight war auch der herzhaft-saure Blattsalat mit Speck und Croutons (6,50 Euro). Sein einfaches, aber perfekt abgeschmecktes Essig-Öl-Dressing sowie seine knusprig-würzigen Beigaben machten ihn zu etwas Besonderem.
 
Diesmal entschieden wir uns für das gekochte Rindfleisch mit feiner Meerrettichsoße und Bouillonkartoffeln (16,30 Euro) sowie den aus Lachs und Zander geflochtenen „Fischzopf“, der von feinen Bandnudeln, Brokkoli-Röschen und einer intensiven Safransoße begleitet wurde. Für 21,50 Euro ein verdammt gutes Fischgericht, bei dem Frische und Würze harmonisch ineinandergriffen und für ein ausgewogenes Geschmacksbild sorgten. Besonders die hocharomatische, auf delikater Schalentierbasis erstellte Safransoße hatte es mir angetan. Ich kann mich nicht erinnern, jemals eine bessere gegessen zu haben. Auch nicht im Lamm zu Neupotz. Wären wir allein im Gastraum gewesen, hätte ich zweifellos die Reste vom Teller geleckt. Die Idee, Kartoffeln in Brühe zu kochen, ist ja nicht neu. Und gerade zu Tafelspitz bzw. zu gekochtem Rindfleisch mit Meerrettich passen sie als Beilage sehr gut.
 
An diesem Abend war nach dem Salatteller, den sauren Zipfeln und den Hauptgängen kein Platz mehr für einen süßen Abschluss. Ein paar Wochen davor ließen wir uns gemischte rote Beeren mit zwei stattlichen Nocken vom weißen Schokomousse (8,50 Euro) schmecken. Frisch, fruchtig, süß und dazu nicht allzu schwer, war das eine ideale Portion zum Teilen.
 
Schade, aber verständlich, dass das Ehepaar Reuter nach so vielen Jahren in der Gastro ans Aufhören denkt. Das lauschige Fachwerkhäuschen steht jedenfalls zum Verkauf, wie uns zu Ohren kam. Doch es scheint gar nicht so einfach zu sein, die passenden Nachfolger zu finden. Hoffentlich dauert es noch ein paar Jahre. Den vielen zufriedenen (Stamm-)Gästen kann es nur recht sein.
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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