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GastroGuide-User: Siebecko
Siebecko hat China-Restaurant Lung-Sing in 44225 Dortmund bewertet.
vor 11 Jahren
"Anspruchslose Allesfresser sind hier gut aufgehoben. Wer gut pariertes Fleisch zu schätzen weiß, sollte den Laden ignorieren."

Geschrieben am 01.11.2014 | Aktualisiert am 01.11.2014
Fazit vorab
Lung-Sing: Seit Jahrzehnten ansässig im südlichen Vorort Dortmund-Barop direkt an der Stockumer Straße.
Anspruchslose Allesfresser sind hier gut aufgehoben. Wer gut pariertes Fleisch zu schätzen weiß, sollte den Laden ignorieren.
Der Koch verarbeitet alles inklusive Sehnen, Haut, Knorpel und versteckt dann alles unter dicker, pampiger Sauce. Die Räumlichkeit sollte man mit Taschenlampe betreten, da die schwache Beleuchtung in Verbindung mit der dunklen Einrichtung einen düsteren Eindruck vermittelt. Hier ist die Zeit nicht im positiven Sinn stehen geblieben.

Ambiente

Links und rechts neben dem ebenerdigen Eingang erschrecken mich geschnitzte runde Holzsäulen, aus denen zwei gierig anmutende Drachen herauslugen. Ob mich diese gruseligen Wächter hereinlassen? Über eine Stufe will ich geradeaus das Restaurant betreten …und renne vor eine Holzwand. Nanu, geschlossen? Nein, unscheinbar zur linken liegt die Eingangstür. Blöd.

Innen empfängt mich eine düstere Räumlichkeit. Doch geschlossen? Nein, an der dunklen Holzdecke hängen ganz oben einige schwach erleuchtete asiatische Lampen. Und durch die Fenster zur Straße hin gelangt wenigstens etwas Tageslicht in den Raum.

Die dunkle Atmosphäre setzt sich beim dunkelblau gemusterten Teppichboden fort. Die Wände sind mit asiatischen Holzmotiven verkleidet. Dunkelbraun lackierte Trennwände passen optisch in diese Höhle. Dunkelrot sind die dunklen Holzbänke und Holzstühle gepolstert. Überall asiatische Figuren und Ornamente.

Ein Lichtblick: weiße Stofftischdecken auf den Tischen. Einfache rote Papierservietten. Gabel und Löffel. Und selbstverständlich auf den Tischen die obligatorischen Menagen mit Sambal Olek, Sojasauce, Salz, Pfeffer, Essig.

Der Raum wirkt auf mich insgesamt antiquiert konservativ.

Speisekarte

Der klassische Chinese allgemein hat mindestens 200 Positionen auf der Karte. Hier natürlich auch. Ich beschränke mich auf das Studium der Mittagskarte mit 15 Gerichten, ergänzt durch eine Pekingsuppe oder eine Frühlingsrolle wahlweise vorab, klassisch.

Ich will Hähnchenfleisch. Das wird in sechs Varianten angeboten. Ich wähle „Gebackenes Huhn mit Erdnußsoße“ zu € 8,80 und träume dabei von der köstlichen, hocharomatischen Erdnusscreme, wie ich sie anderen chinesischen Lokalen kennen gelernt habe.

Service

Ein jüngerer Chinese, der gut deutsch spricht, begrüßt mich und bietet mir einen Platz zur Wahl an. Ich entscheide mich für den hellsten Tisch am Fenster. Er bringt mir sofort die dicke rote Karte und kurz danach das bestellte Selters Mineralwasser 0,25 l zu € 2,10 gut gekühlt.

Ich frage ihn, ob das gebackene Huhn paniert wäre. Er verneint und sagt, das wäre kurz frittiert und würde mit Sojasprossen und Erdnusssauce angerichtet. Nun gut.

Da der junge Mann einen vernünftigen Eindruck auf mich macht, schildere ich ihm nach dem Essen, was mir nicht gefallen hat. Er nimmt das mit Unverständnis zur Kenntnis, bleibt aber höflich und bringt allgemeine Sprüche wie „die Geschmäcker sind unterschiedlich, wenn man vom Huhn nur die Brust übrig lässt, bleibt ja fast nichts übrig, usw.“. Dann sollten die Gerichte aus Resteverwertung zum halben Preis angeboten werden, meine ich.

Essen

Da ich der einzige Gast bin, kommt zügig die bestellte Frühlingsrolle auf einem blau-Weißen Chinateller, auf dem auch Gabel und Löffel liegen.

Die Rolle ist knusprig goldgelb aufgeplustert und nicht fetttriefend. Ich schneide sie mit dem Löffel mittig ein und entdecke fast nur frische, knackige Sojasprossen und kaum Fleisch.

Es muss Würze her. Das Sambal sieht ordentlich aus, nicht eingetrocknet.

Und noch Sojasauce. Oh, in diesem antiquierten Laden geht der Trend zu zwei Sojasaucen? Welche nehme ich? Beide. Es sind wohl beides helle Sojasaucen. Eine von beiden minimal heller. Also auf die eine Hälfte die eine und auf die andere Hälfte die minimal hellere. Bei der helleren stutze ich. Ich schmecke Essig. Verdammt. Wo ich so ein Essig-Sensibelchen bin und Essig nur in hömöopathischen Dosierungen ertragen kann. Sojasauce mit Essiggeschmack schmeckt mir widerlich und vermiest mir die Rolle.

Ich spreche den Kellner darauf an und rede gegen eine Wand. Den Essiggeschmack kann er sich nicht erklären.

Erst später wird mir klar was da wohl passiert ist. Jemand hat auf einen Rest Essig statt neuen Essig die Sojasauce in das Fläschchen eingefüllt. Deshalb auch die scheinbar zwei Sojasaucen auf meinem Tisch.

Dann werden das gebackene Huhn und eine Schale Reis auf den Rechaud gestellt. Der Deckel der Reisschale ist so heiß dass er mir aus der Hand neben den Rechaud fällt. Die Schale quillt über mit Reis. Da bleibt es nicht aus, dass mir beim Herauslöffeln einige Reiskörner auf die Tischdecke fallen. Ist mir inzwischen in solchen Fällen egal. Wenn in einem Restaurant die Servierbehälter so randvoll geladen werden, sind die selber Schuld, wenn die Gäste zwangsweise kleckern.

Nun zum gebackenen Huhn. Ich sehe zunächst nur einige braune Klumpen in einem Meer von dicker Pampe ertrinken.

Ich fische mir vorsichtig ohne zu kleckern aus der opulenten Saucenmasse einige Stücke Fleisch heraus und transportiere sie auf meinen Teller.

Ich bin zwar kein Pathologe, aber mit dem Besteck kann ich gut sezieren, was essbar ist. Da bleibt, rein optisch gesehen, neben Fragmenten von der Hühnerbrust nicht viel mit Genuss Essbares übrig. Sehnen, wabbelige Haut, Knorpel bleiben auf meinem Teller füllend liegen. Mag sein, dass man das in „old China“ traditionell verspeist. Ich mag das nicht.

Die nächsten Portionen trenne ich nach dem Motto Mülltrennung direkt auf der Servierplatte, weil sonst mein Teller von ungenießbaren Resten übergequollen wäre.

Und dann die Erdnusssauce: Muffige, fade, angeblich nur aus Erdnüssen zubereitete Pampe. So was kann man nur essen, wenn man noch nie bessere Erdnuss-Sauce probiert hat.

Erwähnen muss ich, dass sich unter dieser braunen Masse noch frische Sojasprossen und frische Möhrenstreifen verstecken, die ich mühsam herausgefischt habe.

Für das Essen vergebe ich nur 1 Stern, da es hier viel zu verbessern gibt.

Fazit

Dieses Essen ist für mich absolut kein Genuss. Es erinnert mich daran, dass vor Jahrzehnten sparsame Hausfrauen das fette Suppenhuhn total auskochten, um eine gute Hühnersuppe zu gewinnen. Danach wurden die ausgelaugten Hähnchenteile, denen jede Saftigkeit und Aromatik fehlte, weil alle Kraft und Aromatik an die Suppe abgegeben wurde, am nächsten Tag in der Pfanne kross angebraten und dadurch noch trockener und fader. Oberflächlich betrachtet, optimale Verarbeitung von Lebensmitteln. Ein Paradebeispiel für angewandte extreme Sparküche, hier par excellence in einer Chinaküche praktiziert. Genuss für mich gleich null.

Mai 2014
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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Carlo Attraversando findet diese Bewertung gut geschrieben.