Wir verwenden Cookies
Wenn Sie unsere Webseiten besuchen, kann Ihre Systemsoftware Informationen in Form von Cookies oder anderen Technologien von uns und unseren Partnern abrufen oder speichern, um z.B. die gewünschte Funktion der Website zu gewährleisten.
So lehnte ich bei meiner folgenden Übernachtung im Uhle die geschäftstüchtige Frage nach einer Tischreservierung im Hause ab und machte mich auf den Weg ins Cheval Blanc, der dritten Empfehlung des Guide Michelin für Schwerin. Für Schwerin? Das zweifelnde Gemurmel des Taxifahrers, er glaube zu wissen, wo das sei, hätte mich stutzig machen müssen.
Tatsächlich im ca. 30 km entfernten Kuhlen-Wendorf gelegen, dauerte die einfache Fahrt eine gute halbe Stunde und schlug mit über 40€ zu Buche. Navi-Irrweg zur Pferdekoppel inklusive. Und zurück musste ich ja auch.
Also besser mit dem eigenen Wagen anfahren oder gleich im sehr schön renovierten Schlosshotel übernachten, für ein paar Runden auf dem nahe gelegenen Golfplatz oder wie wohl die meisten Gäste für Reiterferien de luxe in der Pferdesportarena. Das ganze Gelände atmet Geld und Geschmack, und die Beschäftigten fahren possierlich in Golf-Carts umher.
Das Restaurant ist in einem Nebengebäude "situiert" und innen ganz im englischen Landhausstil gehalten. Es dominieren ein dunkles Rot und warme Hölzer
Pferdebilder und Reitutensilien allüberall. Gut eingefügt sind moderne Akzente wie der schöne Kamin und das namensgebende weiße Pferd in unterschiedlichen künstlerischen Ausführungen. Wobei hier aufgrund der frankophilen Weinbegeisterung des Inhabers eher das berühmte Château im Bordelais Pate bei der Benennung stand.
Letzteres erzählte mir die Gastgeberin Birgit Brandmayr, die trotz Kreuzbandriss den Service professionell und resolut im Griff hatte. Zwar hielt sie Garten und Birnbaum nicht strenge verwahrt, doch etwas englische Landlady kam schon durch. Dabei immer mit einem Charme, denn sie sei eben eine "österreichische Batriotin", was gleich auch den zweiten Schwerpunkt der Weinkarte erklärte.
Die Betreuung in der ersten halben Stunde hatte noch eine Kollegin übernommen, nicht weniger freundlich und sachkundig, wobei die Weinberatung klar Domäne der Chefin ist. Die Begrüßung war sehr herzlich, was sich später durch eine Verwechslung mit einem Stammgast erklärte, dessen Anreise für den Tag angekündigt war. Der erschien dann aber doch nicht, so dass ich mich ab 21:00 Uhr über die ungeteilte Aufmerksamkeit des Teams erfreuen durfte. Zu Beginn des Abends war noch ein Paar zu Gast, was aber natürlich für die Wirtschaftlichkeit auch nicht ausreicht. Ein 5-Sterne-Resort in der "Pampa" muss vermutlich trotzdem ein Gourmetrestaurant vorhalten. Wobei man auf dieses Attribut schon verzichtet habe, um die Hemmschwelle für externe Gäste zu senken, wie Küchenchef Marco Röhrs berichtete. Der unkomplizierte Hesse kam zweimal für einen Plauderei an den Tisch.
Für mich war ein großer runder Ecktisch eingedeckt, an dem ich mich etwas verloren gefühlt hätte. Ich wechselte daher an den kleinen Zweier mit Fensterblick
und stellte mir bei einem Campari (zusammen mit einer Flasche Selters 13,40€) aus der edel daher kommenden Karte
ein recht klassisches Menü zusammen:
Gänseleber auf kandierten Rhabarber mit Tahitivanille und Bergpfefferjus
Bärlauchsüppchen mit Langustino (auf Wunsch statt Bio-Garnele)
zusätzlich eingeschoben: Hausgemachte Tagliatelle Pfifferlinge Spargel Parmesan
Steinbutt mit Kalbsbries und Beurre blanc
Rücken und Hüfte vom Lamm Artischocken und Bohnenkerne Olivenjus
Mousse von Urkarotte Nusscrumble Sauerrahmsorbet
Für ein 5-Gangmenü werden mit (!) Weinbegleitung 124€ aufgerufen, die zusätzliche Pasta (+Wein) und die eingetauschte Qualität bei der Suppeneinlage wurden zusammen nur mit zusätzlichen 11€ berechnet. Das ist außergewöhnlich gutes PLV, auch die Portionen waren reichlich, wie bislang stets im Land der Seen und Wälder.
Der Abend startete leicht, aber lecker
Es gab ein selbst gebackenes Ciabatta, mit krachender Kruste und luftiger Krume. Ein leichter Hefeteiggeruch war zu erschnuppern. Mit griechischem Olivenöl wurden Meersalz natur, mit Olive, mit Chili und - mein Favorit - mit Rose und Hibiskus
gereicht.
Als Appetithappen ein Krabbentartar, das ungewohnt puristisch, vulgo trocken daher kam. Auch geschmacklich kein Kracher, ein Hauch Salz hätte den Geschmack gehoben. Mit dem gerösteten Cashewkern auf Sauerrahm zusammen war es dann stimmig
Solide, (noch) nicht mehr.
Die gebratene Gänseleber des ersten Menügangs war exzellent
Leichte Röstaromen, minimaler Crunch außen, Cremigkeit innen. Der erbetene Sauternes war mangels Ankunft der Lordschlüsselbewahrerin noch im Keller eingeschlossen, so dass ich mich mit einer Beerenauslese 2013 vom Neusiedlersee (Kracher) tröstete.
Die Begleitung Rhabarber ließ mich nur so semi-begeistert zurück. Mit sauer hab ich es ja nicht so. Hier waren einige Stücke zudem noch recht fest. Und die Vanille war zu sparsam eingesetzt, um die Säure einzubinden. Einige Stücke der ausgekratzten Schote wurden zur Verschönerung eingesetzt. Diese Verwendung wurde mir auch klar, nachdem ich elendig lange darauf herum gekaut hatte. Ich bin ja der Meinung, dass das, was auf dem Teller liegt, von Offenkundigkeiten einmal abgesehen, auch zu essen sein sollte. Und wenn nicht, der Gast darauf hingewiesen wird. Hinterher ein lahmes "Das war wohl nur als Deko gedacht..." hilft jedenfalls nicht mehr. Ein Fauxpas, schade. Ein Teller mit Licht und Schatten.
Der Bärlauch für die am Tisch angegossene Suppe kam aus des Nachbarn Garten
Ich denke mal, er war informiert. Zunächst etwas salzig, war es mit der im Teller "wartenden" Crême fraiche ein perfekter (Spät-)Frühlingsgruß mit klarem Charakter. Sollte er auch, denn der Schwanz vom Kaisergranat war von sehr guter Qualität und konnte sich durchaus behaupten. Erst recht das Tartar, das mit Safran aromatisiert auf dem Tellerrand lockte. Die kleinen Croutons überzeugten mit sehr feinem Knusper.
Das war ein durch und durch gelungener "einfacher" Teller, der durch gute Produkte und klar heraus gearbeitet Geschmäcker überzeugte, ohne Nuancen zu vernachlässigen. Ebenso gut der begleitende junge Sauvignon Blanc von Glatzer aus Niederösterreich, der mit vielen gelben Früchten ganz gefällig Nase und Gaumen erfreute.
Zu den eingeschobenen Nudeln rann etwas Deutsches durch die Kehle, in diesem Fall ein Weißburgunder von der Nahe (Anheuser, 2013).
Das war ein Wohlfühl-Teller
Schmackig! - würde der Grob-Poet aus Dorsten ausrufen, vermute ich mal. Perfekt gegarte Hartweizennudeln in einer vom Parmesan vollmundigen Sauce mit einer angenehm groben Textur. "Ein Maul von Geschmack", wenn ich mal wieder einen Bremer Genussfreund zitieren darf, der nach wie vor seine Bewertungen auf einem großen Allerweltsportal "verschwendet"... Auch die begleitenden Pfifferlinge waren sehr schöne, aromatische Exemplare. Dazu kleine Tomatenwürfel, nicht gehäutet. Aber wo war der versprochene Spargel? Ein zufällig vorbei eilender Koch konnte keine befriedigende Auskunft geben, was - im Nachhinein betrachtet - vielleicht auch an einer Sprachbarriere lag. Ich verstand jedenfalls, dass der Chef entschieden hätte, den Frühlingsboten nicht mehr zu verwenden, Hm, das wäre der zweite Fehltritt gewesen, denn stillschweigende Änderungen mag ich nicht. Aber schon warf sich der Chef an meinen Tisch und erklärte sehr sympathisch, dass gekochte Abschnitte durch das Sieb gestrichen, die gerade so gelobte "schmackige" Sauce bereichert hätten. Danke, Maître! Das war eine durchaus elegante Idee, wenn sie bei Parmesan und Pfifferlingen auch etwas unterging. Wobei ich vielleicht aufmerksamer hätte hinschmecken können.
Zum folgenden Fisch gab es einen 2013er Chardonnay vom Johanneshof Reinisch aus der niederösterreichischen Thermenregion. Überraschend filigran.
Was erst recht für die Kreation auf dem Teller galt. Der Ostseebutt reicht nicht ganz an die Qualität seiner bretonischen Verwandten heran. Etwas dünner, etwas fester und eben auch eine Spur trockener, wenn man nur das Fleisch alleine beurteilt. Das ist kein Manko, so ist das Produkt eben. Und schon die aufgelegte dünne Scheibe Lardo sorgte für Süffigkeit. Darauf kleine Stücke filetierter Grapefruit. Überzogen mit einer Beurre blanc und von Minze gekrönt.
Wann ist der Auftritt eines Seiltänzers am besten? Wenn man den Atem anhält und glaubt Jetzt! Jetzt fällt er! Tut er aber nicht und man ist nur noch begeistert. So ein Teller war das. Zuerst dominierte die Zitrusfrucht. Und gerade, als ich erwartete, dass im nächsten Moment die Säure unangenehm spitz werden müsse, entfalteten sich alle anderen Komponenten in ihrer perfekten Komposition und umfassten die Frucht. Herrlich. Auch das glacierte Kalbsbries war von bester Qualität und steuerte süße, nussige Nuancen zu diesem wunderbaren norddeutschen Surf'n'Turf bei.
Für diesen Teller hatte die Fahrt schon mal gelohnt.
Da ich am Anfang etwas unsicher war, hatte ich vorsorglich gefragt, ob eine Erfrischung vor dem Hauptgang gereicht würde. "Selbstverständlich, Herr Kommerzialrat!", sagte natürlich niemand, aber meine Frage wurde doch freundlich bejaht.
So freute ich mich denn über das Brombeersorbet mit einer einzelnen vollmundigen Himbeere
Andere hätten darüber eher gelangweilt am Tisch Notizen gemacht (Ups...) oder sich im Gegenteil gefragt: Vollbringt diese Wirtschaft Wunder? (Naja.) Ich jedenfalls war gern Gast im Haus und gab fein Obacht! Denn das Sorbet schwamm nicht in teurem Schaumwein und war doch wertvoll umspült: Danziger Goldwasser weckte Lebensgeister und den müden Gaumen! Bravo, eine herrlich unkonventionelle und funktionierende Idee!
Vor dem Hauptgang wurde dem Syrah von Pravis aus Südtirol (also irgendwie auch noch Österreich - im großen historischen Blick) etwas Zeit im Dekanter gegeben.
Das Lammfleisch war ohne Fehl und Tadel
Das Rückenstück rosa und zart, die Hüfte wachsweich und saftig, mit Nusscrumble getoppt. Die Kalamata-Oliven in der Jus kamen angenehm durch. Gut. Noch besser haben mir die etwas neben den ausgetretenen Pfaden zubereiteten "üblichen Verdächtigen" geschmeckt. Paprika concassée, Bohnen als große grüne Kerne, angenehm weich, aber nicht mehlig. Eher selten servierte gestückelte Artischockenböden, ebenfalls exakt gegart und als kleine Überraschung Kräutergnocchi vom Koriandergrün! Bei diesem (überwiegend) mediterranen Teller passte die geschmolzene Kirschtomate her-vor-ra-gend. Bin ein großer Fan.
Ein wohlbekannter Teller für (Lamm-)Fleischliebhabende, aber mit etwas Twist bei den Beilagen, die oft (z.B. in den gehobenen Häusern der sogenannten gutbürgerlichen Küche) vernachlässigt werden.
Gespannt wartete ich nun doch auf das Dessert. Und erhielt leider von Frau Brandmayr eine Absage aus der Küche überbracht. Sehr charmant und zugewandt zwar das Fehlen der Urkarotte als wichtigsten Bestandteil erklärt. Alternativen von der Karte wurden angeboten, versprachen mir allerdings keine neuen Dessert-Erlebnisse. Ein wenig enttäuscht disponierte ich auf die letztlich wohl temperierten, geschmacksstarken französischen Rohmilchkäse mit einer (mittelmäßigen) Tawny Port-Begleitung um. Der zuvor aus dem Keller befreite Sauternes trat den Rückweg an, es sollte halt nicht sein. Dazu Baguette und ein gut zugekauftes Früchtebrot. Überzeugend die Senfzubereitungen mit Aprikose, gelber Feige und auch blauer Feige
Die frischen Früchte auf dem Brett waren ok bis aromatisch aber Herr Röhrs, der am Tisch die Käse erläuterte, hielt dann doch noch einen letzten kleinen Kick für mich bereit: Walnüsse waren in der Pfanne mit Rosmarin aromatisiert und dann nur mit Staubzucker hauchdünn karamellisiert worden
Extremst lecker, das Zeuch...
Für die Wartezeit auf's Taxi, das auf dem Heimweg erst Hase und dann Fuchs (via Stoßstange) beinah gute Nacht gesagt hätte, gab es noch ein paar anständige Pralinées
und ein Pläuschchen über die Schwierigkeiten, ausreichend Gäste für dieses schöne Restaurant zu begeistern. Ich denke, die Küche hätte noch mehr drauf, als sie zeigen durfte; es geht wohl auch um die Erwartungshaltung der eher konservativen Besucher.
Trotzdem gerne wieder! Dann aber mit Übernachtung im Schloss.