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GastroGuide-User: Ehemalige User
Ehemalige User hat Steverding's Isenhof in 76879 Knittelsheim bewertet.
vor 8 Jahren
"Auch ohne Stern vom Allerfeinsten"
Verifiziert

Geschrieben am 02.05.2017
Besucht am 07.04.2017 Besuchszeit: Abendessen 2 Personen Rechnungsbetrag: 189 EUR
Peter Steverding kocht seit neuestem „schnörkellos gut“. Nicht dass der Herxheimer Herdzauberer jemals schlecht gekocht hätte, aber die gastronomische Ausrichtung seines Isenhofs hat sich seit dem Verzicht auf den Michelin-Stern im vergangenen Jahr merklich geändert. Seit 1995 besaß Steverding ein einsterniges Dauer-Abo beim Guide Michelin. Nun zog er selbst einen Schlussstrich und das aus recht banalem Grund. Sein zweiter Mann in der Küche wollte sich selbständig machen. Der mittlerweile 57jährige Chefkoch wollte keinen neuen Nachfolger ausbilden oder sich mit einem neuen „Souschef“ arrangieren, weshalb ihm letztlich gar nichts anderes übrig blieb, als den Aufwand herunterzuschrauben. Der Verzicht auf den Stern war eine logische Konsequenz, die auf den Produktfanatiker Steverding anscheinend sehr befreiend wirkte.
 
Mit jeder Menge neuer Motivation und den Kopf voller kulinarischer Ideen steht nun der frühere Tellerakrobat weitestgehend allein am Herd und will einfach nur „schnörkellos gut kochen, ohne dabei auf Qualität zu verzichten“. Denn seine hohen Ansprüche an das von ihm verwendete Material und dessen Verarbeitung sind noch immer sterneverdächtig. Ich war also sehr gespannt, wie das wohl auf dem Teller aussehen würde.
 
An einem Freitagabend Anfang April war es dann soweit. Wir hatten Grund zu feiern und der Gutschein anlässlich meines Geburtstages flehte nach Einlösung. Da hatte sich meine Mutter ein paar Monate zuvor nicht lumpen lassen. Aus meiner anfänglichen Absicht, den Isenhof an einem sogenannten „Schüssel-Sonntag“, bei dem es vier Gänge für gerade einmal 49 Euro zu erstehen gibt, zu besuchen, wurde nichts, da schon alle Plätze vergeben waren. Also reservierte ich einen Tisch für Zwei am Abend.
 
Mein letzter Besuch in der Knittelsheimer Gourmetadresse lag sicherlich schon gute 15 Jahre zurück. Aber an den leckeren Hummer (der Erste meines Lebens…) von damals erinnere ich mich heute noch. Parkmöglichkeiten waren an der Hauptstraße genügend vorhanden. Nach ein paar Schritten standen wir vor dem liebevoll restaurierten, indirekt angestrahlten Fachwerkhaus, das bei Dunkelheit besonders anziehend wirkte. Servicechefin Petra Dollt, die Lebensgefährtin von Peter Steverding, war gerade beschäftigt, weshalb wir von ihrer Kollegin sehr freundlich in Empfang genommen wurden. Die kannte ich noch aus altehrwürdigen Bärenklause- bzw. Keschdebusch-Zeiten, als sie das Duo Bernhard/Sitter im Service unterstützte. Die Gastrowelt der Pfalz ist klein.
 
Genau wie in früheren Zeiten tischt der Meister nur ein Menü auf, das er im monatlichen Wechsel anbietet. Das Menü „Frühling“ passte zum warmen Aprilanfang ganz wunderbar. Es beinhaltete sechs Gänge und war für 108 Euro in der Komplettversion zu haben. Beim Hauptgang und beim Dessert durfte man zwischen Kaiserbarsch und Stubenküken bzw. Erdesbacher Ziegenkäse und einem „süßen Erwachen“ wählen. Gerne können auch einzelne Komponenten des Menüs geordert werden. Alles ganz easy, alles ganz locker in der Isenhof Version 2.0.
 
Und genau davon machte meine Begleitung an jenem Abend auch Gebrauch. Sie entschied sich für den gebratenen Alpen-Saibling mit Auberginen-Lasagne (22 Euro), das Rucola-Sorbet (11 Euro) und den Kaiserbarsch mit Topinambur und Frühlingsgemüse (34 Euro), während ich die verkürzte Fünf-Gang-Version des Menüs (ohne den Rotgarnelen-Jakobsmuschel-Cocktail) wählte (89 Euro).
 
Als Ergänzung zur klug arrangierten Weinkarte, die eine Art Best-of-Album in Sachen Pfalzwein darstellte, wurden noch ein paar Empfehlungen glasweise (0,1 l) angeboten. Neben der stattlichen Auswahl an Weißweinen namhafter Winzer, ist hier auch die Spitze roter Pfalzgewächse flaschenweise vertreten. Der 2007er Syrah von Diehl aus Edesheim (28 Euro) oder die Cuvée Nr. 37 vom Stiftsweingut Meyer aus Klingenmünster aus dem Jahr 2005 (40 Euro) sind richtig leckere Rotweine, die in keinem Pfälzer Weinkeller fehlen sollten. Zudem übertreibt man es nicht mit den Preisen. Der Pi-mal-Daumen errechnete Doppelfaktor wurde bei den Flaschenweinen nur geringfügig überschritten.
 
Den Auftakt machte ein spritziger, mit Winzersekt aufgegossener Rhabarber-Hauscocktail (7,80 Euro), der meinen Aperitifwunsch adäquat stillte. Die Flasche sprudelndes Mineralwasser der Marke Bellaris – für mich eines der besten überhaupt – schlug mit 5,90 Euro zu Buche. Ein Gläschen vom 2015er Grauburgunder „Grenzgänger“ von der Jungwinzerin Nicole Graeber aus Edenkoben (0,1l für 5 Euro) sollte es zum Menüstart sein. Eine gute Wahl, wie sich herausstellen sollte.
 
Doch zuerst grüßte „Preziosen-Peter“ höchst mediterran aus der Küche. Und zwar in Form eines als Amuse Gueule getarnten Miniaturgerichtes, das im Großformat einen euphorischen Hauptgang abgegeben hätte. Ein Stückchen in Tempura gebackener Zackenbarsch lag auf dem leckersten Häuflein Fenchelsalat, den ich bisher probieren durfte. In Kombination mit dem daneben verlaufenden Pesto-Streifen und zwei weiteren, präzise abgeschmeckten Saucen war das eine erste kleine Geschmacksbombe, die schon vor dem eigentlichen Menübeginn zündete. Das fing ja schon mal gut an.
 
Früher hätte der Küchenchef wahrscheinlich gleich drei oder vier solcher Gaumenkitzler ins Rennen geschickt und man wäre schon vor dem ersten Vorspeisenhappen gut gesättigt gewesen. Das waren wir nicht, wenn auch das delikat schmeckende, mit schwarzer Sepia-Tinte gefärbte Brot und die schmackhaft gewürzte Butter uns dazu hätten verleiten können.
 
Mein erster „echter“ Gang, der Tee vom Erstlingsgemüse, wurde passend im Glas serviert. In der herzhaft-frischen Gemüsebrühe schwamm neben kleingeschnippeltem Grünzeug auch ein aromatischer Bärlauch-Flan. Auf dem Glas thronte ein köstlicher, asiatisch angehauchter Poularden-Saté-Spieß, der ganz hervorragend dazu passte.
 
Meine Begleitung stieg erst beim nächsten Gang mit ein. Der hieß genau wie bei mir Alpen-Saibling und lag in gebratener und gebeizter Form auf einer Auberginen-Lasagne, die allein schon den Weg nach Knittelsheim wert war. Beim österreichischen Fisch des Jahres 2017 zeigte sich der Meister am Herd in Topverfassung. Sicherlich ein Sterne-Gang, bei dem in erster Linie mediterrane Aromen im Vordergrund standen. Mit intensiv schmeckenden Cocktail-Tomatenhälften aus dem Backofen und einem Krustentierschaum zum Niederknien. Süffig, leicht und doch substantiell. Der auf den Punkt gebratene Seesaibling war innen saftig-zart und außen schön kross geraten. Anders kann ein Saiblingsgericht sicher sein – besser wohl kaum! Hier gingen Produktqualität und technische Umsetzung in nahezu perfekter Art und Weise Hand in Hand. Eine geschmacklich sehr ausgereifte Kombination, die harmonische Aromenakkorde am Gaumen hervorrief. Schnörkellos großartig!
 
Als Zwischengang dann ein geschmacklicher „Down-to-Earth-Grounder“, der es in sich hatte. Das Rucola-Sorbet-Türmchen kam mit knuspriger Sonnensegel-Hippe und nussig-süßer Pinienmasse on top. Bei dieser erfreulichen Kleinigkeit wurde der leicht bittere Rucola-Geschmack mit ein paar frischen Zitrusnoten aufgepeppt und durch die dezente Piniensüße gekonnt abgerundet. Ein sehr gelungener, wiederum sehr mediterran anmutender Gang, der die Geschmacksnerven für das Hauptgericht neu justierte.    
 
Das erste Glas Wein war mittlerweile zur Neige gegangen, also schnell vor dem Hauptgang noch eines nachordern. Die 2014er Chardonnay Spätlese vom Weingut Kleinmann aus Birkweiler (0,1l für 5 Euro) kam mir da gerade recht. Laut Aussage der Hausherrin Petra Dollt hat man Gott sei Dank noch ein paar Flaschen des mittlerweile nicht mehr käuflich zu erwerbenden Rebsaftes im Keller gebunkert. Ein Hammer-Wein – wie geschaffen für mein Stubenküken. Übrigens stand das, was Frau Dollt und ihre Kollegin im Service boten, der Küchenleistung in Nichts nach. Aufmerksames Nachschenken beim Wasser, charmante Erklärungen beim Wein und jede Menge Routine beim Kredenzen der Speisen. Das hatte Stil und sorgte ungemein fürs kulinarische Wohlbefinden.   
 
Das norddeutsche Traditionsgeflügel, dessen Pendant im Elsass bzw. in Baden unter dem Begriff „Mistkrätzerle“ firmiert und dessen Name von der früheren Haltungsform in der Wohnstube herrührt, lag als Brust mit Morchelfüllung und kross gebackener Quader von der Keule auf leicht bissfestem Topinamburgemüse. Perfekt im Gargrad das wunderbar knackige Frühlingsgemüse (Karotten, Bohnen etc.), das für die nötige Frische auf dem Teller sorgte. Das Fleisch des Federviehs war superzart und schön saftig. Zusammen mit dem mit Morcheln verfeinerten Füllsel und der geschmacksintensiven Glace ein absoluter Hochgenuss. Ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass dies die mit Abstand konzentrierteste Sauce war, die ich seit langem in einem Restaurant vorgesetzt bekam. Der Knittelsheimer Soßen-Gott zeigte mir damit so richtig wo der Hammer hängt. Bei ihm scheinbar auf ganz hohem Niveau. Schnörkellos geil!
 
Meine Begleitung hatte anstatt dem Stubenküken die Kaiserbarsch-Variante zum Hauptgang. Reduziert in der Anrichtung lag auch hier der Fokus ganz auf dem Geschmack des Meeresbewohners, der ebenfalls erstklassig gebraten und von buntem Frühlingsgemüse als Beilage unterstützt wurde. Da kann man nun diskutieren, ob noch mehr Akrobatik auf dem Teller für mehr Gaumenkitzel gesorgt hätte. Für uns war das alles sehr stimmig und ließ keine Wünsche offen. Ein nahezu perfekt arrangiertes Geschmackserlebnis, das definitiv Sterneniveau hatte.
 
Und dann war da ja auch noch unser „süßes Erwachen“, das wir uns am Tisch teilten. Frische Fruchtnoten (Rhabarber, Himbeeren, Erdbeeren), intensive Aromen (sagenhaft leckere Vanillemaultäschchen) und süße Versuchungen (Pistazienkugeln) stahlen sich auf dem Teller fast gegenseitig die Schau und sorgten in der Summe für einen rundum harmonischen Nachtischgenuss, der mit einem Gläschen Muskateller von Oliver Zeter (0,1 l für 4 Euro) passend korrespondiert wurde.
 
In der Summe hat uns der Abend in Knittelsheim sehr gut gefallen. Peter Steverding’s entschlackte Hochküche wurde von einem Service auf Topniveau kongenial ergänzt. Die neue Ausrichtung tut dieser Pfälzer Gourmetadresse so richtig gut, denn Qualität und Zubereitung der Speisen sind auch ohne Stern vom Allerfeinsten. Der „upgedatete“ Isenhof ist nach wie vor ein Ort des kulinarischen Wohlfühlens und Verweilens, der in der Pfalz-Liga der Genüsse einen der vordersten Plätze einnimmt. Und dass diese Art von Küche ihren Preis hat, versteht sich von selbst.
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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