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GastroGuide-User: Ehemalige User
Ehemalige User hat Gasthaus Zum Karpfen in 76777 Neupotz bewertet.
vor 3 Jahren
"Gutbürgerliches Kleinod auf der Neupotzer „Paniermeile“ neu entdeckt"
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Geschrieben am 19.02.2022 | Aktualisiert am 19.02.2022
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Besucht am 27.01.2022 Besuchszeit: Abendessen 2 Personen Rechnungsbetrag: 78 EUR
Neupotz und so…
 
Es gibt wahrscheinlich keinen zweiten Ort in der Südpfalz, wo so viele gute Restaurants auf kleinstem Raum versammelt sind wie in dem an einer Altrheinschlinge gelegenen 1900-Seelendorf Neupotz. Fährt man durch den schmucken Ortskern, kommt man automatisch an der besternten Krone und dem Traditionsgasthof „Zum Lamm“ vorbei. Etwas außerhalb, im Neubaugebiet Hardtwald betreibt Martin Gehrlein seit Jahren sein gleichnamiges Restaurant, das sich bei Freunden exquisiter Landhausküche einer großen Beliebtheit erfreut.
 
Allein diese drei Einkehradressen – von den roten Michelin-Männchen mit einem Stern bzw. jeweils einem „Bib Gourmand“ ausgezeichnet – sind schon Grund genug, um regelmäßig einen kulinarischen Abstecher nach Neupotz zu wagen. Über jedes dieser Top-Lokale habe ich in den letzten Jahren mehrfach und ausführlich berichtet. Auch das direkt am Altrhein gelegene Anglerheim, ein einfaches Ausflugslokal mit bodenständiger Fischküche, habe ich vor ein paar Jahren rezensiert. Nun war endlich der zentral gelegene „Karpfen“ an der Reihe.
 
Ich kenne dieses gutbürgerliche Lokal noch aus früheren Zeiten. Damals war es für mich so etwas wie der Inbegriff einer grundehrlichen „Dorfwirtschaft“, wie man sie in ländlichen Gegenden häufig antraf. Auf den Tellern ging es bürgerlich-deftig zu. Das Fleisch bezog man direkt aus der eigenen Metzgerei. Die Nähe zu den Gewässern des Altrheins sorgte zusätzlich für frischen Fisch. Hier ging man stets gut gesättigt nach Hause, denn die Portionen waren reichlich.
 
„Zander-Struck“
 
Dass ausgerechnet in Neupotz der etwa 35 Kilometer lange Radweg namens „Vom Riesling zum Zander“ endet, ist kein Zufall, haben doch viele Restaurants des ehemaligen Fischerdorfes das im Dorfwappen verewigte Schuppentier auch heute noch als kulinarisches Erbe in ihren Speisenkarten gelistet. Der im Ganzen panierte und frittierte Zander gehört dabei zu den festen Größen Neupotzer Gutbürgerlichkeit.
 
Noch heute erinnere ich mich an die knusprigen „Kaventsmänner“, die sich meine Mutter im „Hardtwald“ vor vielen Jahren schmecken ließ. Ich dagegen wählte stets das panierte Filet des größten, im Süßwasser lebenden Fisches aus der Familie der Barsche. Der Anblick eines ganzen Fisches war mir damals noch zu viel des Tieres auf dem Teller.
 
Vom Zander zum „Karpfen“
 
Irgendwie stolperte ich über die informative Webseite des „Karpfens“. Dabei sprang mir das Logo des Slow Food Deutschland e.V. auf deren Startseite gleich ins Auge. Die Empfehlung dieses Gasthauses im Slowfood-Genussführer 2021 ließ mich aufhorchen. Daneben vermittelte die Auflistung der überwiegend aus der Region stammenden Lieferanten einen guten Eindruck und schuf gleich transparente Verhältnisse in Sachen gelebter Regionalität.
 
Letztlich war es aber ein Blick in das nicht allzu umfangreiche, und daher umso verlockender erscheinende Speisenprogramm, das mein Interesse weckte und mich an einem Donnerstagabend Ende Januar in Begleitung eines kollegialen Genusskumpanen dort einkehren ließ. Den Tisch für zwei hungrige Hausmannskostgänger reservierte ich ein paar Tage zuvor. Das war auch ratsam, denn es war gut was los in der von Inge Gehrlein seit vielen Jahren geführten Gastwirtschaft.
 
Rein in die gute Stube!
 
Es waren hauptsächlich ältere Semester und kleinere Familien, die es sich in dem sympathisch anachronistisch anmutenden Gastraum gut gehen ließen.
Der Stammtisch
Ehrlich gesagt hätten wir es nicht unbedingt erwartet, dass hier donnerstagabends zu Omikron-Hoch-Inzidenz-Zeiten nahezu jeder Tisch besetzt sein würde. Aber das spricht natürlich auch für den guten Ruf, den der „Karpfen“ in und um Neupotz genießt.
 
Nachdem wir das Auto um die Ecke in der Hinterstraße abgestellt hatten, betraten wir das propere Anwesen. In unmittelbarer Thekennähe wurde uns ein Tisch zugewiesen und die geboosterte Drei-Impfigkeit sogleich überprüft. So weit so gewöhnlich.
 
Der Hugo
 
Dann folgte die Überraschung des Abends. Direkt hinter der Theke betätigte sich ein alter Bekannter von uns als Schankmeister. Hugo war früher ein sehr beliebter Lehrer an unserer Schule. Seit einigen Jahren befindet er sich im (Un-)Ruhestand. Der rüstige Pensionär vertrieb sich nun als „diplomierter Buffetier“ die Zeit hinterm Tresen, wo der um keinen Spruch verlegene Ur-Neupotzer den Zapfhahn bediente und die Luft aus den Gläsern ließ.
Zwischen Karpfen und Hochprozentigem regiert ein Diplom-Buffetier!
Dass er mit der Inhaberin des „Karpfens“ verwandt ist, wusste ich noch von früher, da wir hier vor Urzeiten das Schuljahr mit dem Kollegium kulinarisch ausklingen ließen.
 
Wir freuten uns wie die beiden üppigen Schnitzelportionen, die gerade aus der Küche getragen wurden, über das unerwartete Wiedersehen. Na da fing der Abend doch gleich mal gut an. Nach dem Motto: „Wohlgehopft bestellt sich’s besser!“ gab ich bei Hugo gleich ein 0,4er Silberpils (3,20 Euro) in Auftrag. Man ließ uns nicht lange dursten. Das frisch gezapfte Bellheimer wurde zusammen mit einer Flasche Mineralwasser (3,80 Euro) zeitnah geliefert.
 
Kartenkunde
 
Währenddessen stöberten wir in der übersichtlich angelegten Karte, die aus einem beidseitig bedruckten, laminierten DIN-A4-Blatt bestand. Zusätzlich wurde uns eine auf einem schmalen Kunststoff-Klemmbrett befestigte Empfehlungskarte gereicht. Darauf waren ein paar hausmannsköstliche Klassiker verzeichnet, die man nicht mehr so oft in Gasthäusern mit deutscher Küche antrifft.
 
Paniertes Kammkotelett mit Rotkraut und Salzkartoffeln (18,50 Euro) weckte Erinnerungen an die Brutzeleien meiner Oma Elisabeth. Das Lammfilet mit Knoblauch und Kartoffelgratin (26,50 Euro) ließ mich sehnsüchtig an die nächste Grillsaison denken. Beim in Butter gebratenen Bachsaibling mit Salzkartoffeln und Salat (26,50 Euro) lief mir das Wasser im Mund zusammen, während die bloße Existenz eines gebackenen Hechtkoteletts mit Salat (21,50 Euro) selbst bei einem Fischliebhaber wie mir für ungläubiges Staunen sorgte.
 
Für Fisch- und Fleischverzichter hielt man Dinkel-Champignonküchlein mit Lauchgemüse und Thymiankartoffeln (16,50 Euro) bereit. Zusätzlich listete die Saisonkarte drei recht passabel klingende Vorspeisen. Lauchcrèmesuppe, Endiviensalat mit Entenbrust und ein kleines Rindertatar gab es „außer der Reihe“ vorweg.
 
Aber auch das Angebot von der Standardkarte konnte sich sehen lassen. Markklößchensuppe „wie zu Omas Zeiten“, Schnecken in hausgemachter Kräuterbutter, gebackener Camembert mit Preiselbeeren und ein Tatar vom Pfälzer Rind in Normalgröße standen als erste, ernstzunehmende Hungerzügler den furchtlosen Vorspeisenaspiranten zur Wahl.
 
Dem folgte ein klassischer Kanon handfester Fleischküche. Rumpsteak, Filetsteak, Ochsenfetzen, Wiener Schnitzel, Kalbssteak, Cordon Bleu (vom Kalb), Rehbraten und Kammschnitzel vom Schwein ließen allerhöchstens eingefleischte Vegetarier kurz zusammenzucken. Wir Karnivoren wähnten uns dagegen im siebten Himmel und hatten eher Probleme mit der Entscheidungsfindung. Zumal auch noch der „neupotz-typische“ Zander in diversen Varianten auf der Karte vertreten war.
 
Der darf schließlich in den (meisten) Lokalen auf der Neupotzer „Paniermeile“ nicht fehlen! Ich widerstand jedoch der knusprigen Versuchung und vertagte die Bestellung eines ganzen Zanders aus der Fischfritteuse auf den nächsten Besuch. Als er später am Nebentisch serviert wurde, reute mich die Fischverweigerung ein wenig. Ein Foto von dem röschen Prachtstück durfte ich aber dennoch schießen.
Ein ganzer Kerl!
 
Rind und Kalb und Klößchensuppe
 
Wir wählten beide die Markklößchensuppe vorweg. Mit 6,50 Euro nicht gerade schüchtern bepreist, aber Gutes darf bzw. muss ja auch was kosten. Mein Kollege freute sich auf ein Rumpsteak (23,50 Euro), das er ganz „natur“, sprich: ohne die obligatorischen Schmorzwiebeln bzw. ohne Kräuterbutter, genießen wollte. Meine Entscheidung fiel auf das Cordon Bleu vom Kalb (22,50 Euro), das mir mein ehemaliger Kollege hinterm Tresen wärmstens empfahl.
 
Die schon allein wegen ihrer verzierten Tasse an frühere Zeiten gemahnende Terrine gründete auf ehrlicher Fleischfondbasis. Ihre trübe Färbung kündete von etwas angeschwitztem Mehl bei der Zubereitung. Ich persönlich mag die Dreingabe von etwas Grünkernmehl sehr. Sein nussig herzhafter Geschmack tut bekanntlich jeder hausgemachten Fleischsuppe gut.
 
Diese hier kam ohne das unreif geerntete Dinkelkorn aus, was ihrem wohlig-runden Geschmack keineswegs schadete. Auch die fluffigen Markklößchen ließen auf grundanständiges Handwerk schließen. Mein Kollege meinte zwar, dass es diese auch in vergleichbarer Convenience-Qualität gäbe, aber ich war mir ziemlich sicher, dass im Hause Gehrlein noch selbst gerollt wurde.
Markklößchensuppe (tatsächlich wie zu Omas Zeiten)
Zu unseren Hauptgerichten wurde ein ganz „oldschool“ angemachter Endiviensalat mit etwas Rohkost und Roter Beete gereicht.
Endiviensalat, der I.
Der kam uns als zwischenzeitliche Erfrischung nach der heißen Suppe gerade recht.
Endiviensalat, der II.
Das zweite Silberpils aus Bellheimer Landen hatte da gerade sein Fass via Zapfhahn verlassen und wurde mit stolzer Schaumkrone in Griffweite platziert.
 
Nun war ich für das mit einem Extraschälchen Rahmsauce (1,50 Euro Aufpreis) servierte Cordon Bleu bestens gewappnet. Als Beilage dienten die handelsüblichen, frittierten Kartoffelzylinder, mit denen ich recht gerne k(r)okettiere. Der Kollege setzte bei seiner Operation „Rumpsteak“ auf die klassische Kartoffelstäbchenbeilage. Sein Steak stammte, das ließ bereits sein Cut vermuten, vom deutschen Rind. Dies wurde uns später auf Nachfrage bestätigt. Alle Fleischwaren würde man von der regional bekannten Metzgerei Scherer aus Hatzenbühl beziehen.
 
Na da hatte mein Kollege doch so richtig was zum Kauen auf seinem Teller liegen. Statt butterzartem Pampa-Beef aus Südamerika war das ein deutsches Charaktersteak mit intensivem Fleischgeschmack. Mit entsprechenden Schneide- und Kauwerkzeugen ausgestattet, ließ sich aber auch dieses nur mit Salz und Pfeffer gewürzte Stück vom Roastbeef in aller Ruhe genießen.
Lass dich nicht lumpen, schneid an den deutschen Rumpen!
Begeistert war ich indes von meinem saftig-zarten Kalbs-Cordon-Bleu.
Das Cordon Bleu mit einer Scheibe von der Zitrone
Da floss mir der Emmentaler Käse beim ersten Anschnitt entgegen.
Das Cordon Bleu im Anschnitt
Seine Panade geriet locker und hob sich dank kleinerer Soufflierpolster leicht ab. Sein dünn geklopftes Fleisch war ausreichend mit Pfeffer und Salz gewürzt.
Nochmal das saftige Kalbs-Cordon-Bleu
Bei Kalbfleisch ein unbedingtes Muss, da es ja von Natur aus eine gewisse Geschmacksneutralität aufweist.
 
Keine Frage, hier wurde nach allen Regeln hausmannsköstlicher Kochkunst geklotzt statt gekleckert. Die separat im Kännchen gereichte Rahmsauce schmeckte genauso nach ehrlichen Grundzutaten wie vorher die Markklößchensuppe. Den Gebrauch von Hilfspülverchen trifft man in der gutbürgerlichen Küche leider viel zu häufig an. Umso schöner, wenn in Lokalen mit deutscher Küche diese außen vor bleiben.
 
Der einzige echte kulinarische Kritikpunkt des Abends fiel auf meine Kroketten-Beilage.
Blasse Kroketten
Die recht blassen Frittierfinger aus der TK-Tüte hätten ruhig noch ein paar Minuten länger im Fettbad brutzeln dürfen. Ansonsten waren wir mit dem Gebotenen hochzufrieden. Selbst das Bällchen Schoko-Eis mit Sahne (2 Euro), das ich mir zum süßen Abschluss noch gönnte, erfüllte seinen Zweck. Auch solche mit Sprühsahne verzierten Kindheitserinnerungen müssen ab und an mal sein.
Ein Bällchen Schoko-Eis mit Sahne

Resümee
 
Natürlich setzte sich Hugo noch zu uns an den Tisch und wir plauderten wie in alten Zeiten. Den „Karpfen“ in Neupotz sollte man auf der Rechnung haben. Zumal diese besserbürgerlichen Lokalitäten immer weniger werden. Hier stimmt jedenfalls das häufig so stiefmütterlich behandelte Verhältnis von gastronomischem Anspruch und kulinarischer Wirklichkeit. Neben den drei Neupotzer Toplokalen spielt der „Karpfen“ zwar in einer anderen, aber in keiner schlechten Liga.
 
Klare Empfehlung für gutbürgerlich gesinnte Gaumenfreunde, die sich mit Produkten aus der Region zufriedengeben und mal wieder wie zu Omas Zeiten einkehren möchten.
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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