TiZé
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Altonaer Straße 2, 44145 Dortmund
Restaurant Gasthaus
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GastroGuide-User: Siebecko
Siebecko hat TiZé in 44145 Dortmund bewertet.
vor 10 Jahren
"Portugiesische Institution in der Dortmunder Nordstadt. Einfaches Kneipenambiente, bodenständige, einfache aber aromatische Schätze aus Portugals Küche zu günstigen Preisen. Wer braucht da noch Fast-Food-Restaurants? Ich nicht!"

Geschrieben am 12.02.2015 | Aktualisiert am 12.02.2015
Besucht am 30.05.2013
 Monatsende, Portemonnaie fast leer. Da fällt mir dieses sehr preiswerte portugiesische Restaurant in der Dortmunder Nordstadt ein. Über 10 Jahre waren wir nicht dort. Warum eigentlich nicht?
 
Lage

Die Nordstadt: Überwiegend fünfgeschossige Bauweise, viele Wohnhäuser noch um die Jahrhundertwende des letzten Jahrtausend erbaut, die Fassaden teilweise öde langweilig, teilweise mutig farblich aufgepeppt.
Eine unauffällige Eckkneipe, vormals eine biedere deutsche Kneipe namens Haus Grobe, ich glaube seit Jahrzehnten das Domizil einer portugiesischen Familie. Mama kocht noch immer wie früher, als damals einer von uns den Laden entdeckte und unsere Clique so manchen Abend dahinpilgerte, um für wenige DM original portugiesisch zu schlemmen in original landestypischem Flair. Für uns war das immer wie ein Sprung ans Mittelmeer.
Wir sind gespannt. Wie ist es wohl heute dort? Wir marschieren auf den Eingang des ebenerdigen Restaurants zu. Aha, vor dem Haus lungern einige portugiesische Männer rauchend rum und schauen uns neugierig an. Also heute hier drinnen Gott sei Dank rauchfrei!

Ambiente

Wir treten ein. Waren wir wirklich über 10 Jahre nicht hier? Alles wie damals. Etwas dunkel und die Wände gelb verräuchert. Der Blick fällt sofort auf den mächtigen, geschwungenen Tresen mit der alten Fliesenverkleidung. Die geschwungenen alten Kupferleuchten baumeln immer noch von der Decke und beleuchten den Tresen spärlich. Überall steht und hängt viel Kitsch. Der Chef, scheinbar bis auf den inzwischen breiteren Scheitel kaum gealtert, wirbelt hinter dem Tresen geschäftig rum und bedient die ständig wechselnden überwiegend portugiesischen Gäste am Tresen mit Bier aus Portugal, Kaffee und anderen Getränken.
Rechts daneben die "Randale-Ecke" mit zwei lauten Spielautomaten, die von einigen Portugiesen ständig gefüttert werden. Dazwischen oben an der Wand ein Regal mit etlichen Pokalen.
Ich lasse den Blick nach links schweifen. Oh, die Neuzeit hat auch hier Einzug gehalten! Auf einem hohen, alten, roten Kühlschrank steht immer noch ein großer Fernseher, heute ein Flachbildfernseher und unterhält alle Gäste lautstark mit portugiesischen Fernsehprogrammen, ob sie wollen oder nicht.
Links daneben eine alte Butzenscheiben-Doppeltür, darüber ein langes Regal, wieder mit Pokalen ohne Ende.
Ganz links immer noch die alten unbequemen Sitzbänke, hässlich braun lackiert und ohne weiche Polster. Aber wir wollen dort ja nicht übernachten. Davor wuchtige Tische mit hellbraunen Resopalplatten. Tischdeko: nein, man will was essen und nicht Tischwäsche, Blümchen und Kerzen gucken. Auf den leicht schmuddeligen Fensterbänken verknöcherte, robuste Grünpflanzen.

Hinter dem Schankraum gibt es einen mittelgroßen Gastraum, der bevorzugt auch von einigen wenigen Deutschen und vielen Portugiesen als Speiseraum genutzt wird. Einfache Holzbestuhlung. Die Tische eingedeckt mit einfachen gelben Stofftischdecken, darüber weiße Papierdecken von der Rolle, die die Kleckereien der Gäste auffangen sollen. Darauf einfache Kerzenleuchter und einfache rote Papierservietten. Der Raum ist bei unserer Ankunft gut gefüllt mit hungrigen Gästen, die bereits genüsslich essen.
Wir bevorzugen wie früher den vorderen Tresenraum und machen uns an einem der Tische breit, denn hier pulsiert lautstark original das portugiesische Leben.

Service

Flink kommt ein junger, sympathischer Portugiese, säubert mit einem sauberen Papiertuch unseren Tisch von nicht sichtbaren Flecken und bringt die Speisenkarte. Der hat den Überblick und reagiert sofort, wenn wir einen Wunsch äußern. Die Größe der Weingläser lässt zwar mit jeder Runde nach, aber der Inhalt nimmt jedes Mal zu. Wie der mein letztes bis auf den letzten Millimeter gefülltes Glas ohne zu kleckern geradezu artistisch an unseren Tisch gebracht hat, ist für mich immer noch ein Rätsel.
 
Speisenkarte

Sauberer roter Plastikeinband in DIN A 5 mit Plastikeinsteckhüllen für die gedruckten Speisenblätter. Inhalt so ungefähr 3 Suppen (ca. 3-4 €), 3 Salate, 3 Fingerfood, 10 Vorspeisen (ab 4 € bis 11 € für Gambas), 20 Fischgerichte (ca. 9-12 €), 10 Fleischgerichte (ca. 9-12 €), 5 Desserts und noch ein paar Gerichte, die ich nicht mehr weiß. Eine Webseite haben die nicht.
Gleichzeitig ordern wir ein großes Mineralwasser mit Kohlensäure (0,75 l von Ardey zu 3 €) und zwei Gläser offenen, trockenen, einfachen Weißwein (großzügig eingeschenkte 0,1 l zu je 1,50 €).
 
Unsere Speisen

Gegen den ersten Hunger gibt es frisches, warmes Bauernweißbrot mit großem Lochmuster und dazu eine köstliche, frische Knoblauch-Petersilien-Butter, Klasse! Manche Italiener können mit ihrer langweiligen, manchmal leicht ranzigen Kräuterbutter davon lernen.
Der nostalgische Clou sind die alten Brotteller aus Porzellan von Seltmann Weiden, die man heute nur noch auf Trödelmärkten findet – wenn man Glück hat. Das gereichte Besteck war kreativ zusammengewürfelt. Einfache weiße Papierservietten.
  
Gambas in Knoblauchöl (10 €)

Sieben heiße Gambas in einer kleinen braunen Auflaufform, aromatisiert mit viel Olivenöl, Knoblauch, Brandy und Anchovis. Komplett befreit von den Därmen und ohne Schalen. Die dickeren Dinger noch leicht glasig, die dünneren leider etwas trocken. Im Geschmack durch die Anchovis leicht salzig. So kannten wir dieses Gericht von früher. Mmmm, der Geschmack des ganzen Mittelmeeres vereint sich in dieser Vorspeise!!
 
Gegrillte Sardinen (8,50 €)

Fünf richtig dicke Sardinen, jede geschätzte 15 cm lang, liegen auf dem großen rot-weißen Schätzchen von Teller, begleitet von drei dicken, halbierten, mehligen Salzkartoffeln, zwei geviertelten Zitronen und für die Pose zwei Salatblätter. Dazu gibt es einen kleinen rustikalen Salat, bestehend aus Eisbergsalat, Gurkenscheiben, Tomatenscheiben, dicken halben Ringen von Zwiebeln und Essig-Öl-Dressing. Eine uralte Menagerie mit Salz, Pfeffer, Essig und Öl komplettiert das unglaubliche Arrangement.
Meine Begleitung, Experte im Filieren von Fisch, beugt sich über den Teller, saugt den Geruch von Kräutern und Knoblauch auf und legt gleich los. Ratzfatz sind die Fische von den feinen Gräten befreit und die Gräten auf den Brotteller befördert, und der Essteller wird immer leerer. Perfekt gegrillt und nicht trocken, was bei Sardinen gartechnisch gar nicht einfach ist.
 
Hühnchen im Tontopf (9,50 €)

Da liegt das Hühnchen in einer großen braunen Tonauflaufform, vier große Teile mit Knochen, im Ofen geschmort in einem Sud aus Brühe und Tomaten korrekt durchgegart aber noch richtig saftig in der Konsistenz. Das Fleisch löste sich wunderbar leicht von den Knochen. Rustikal aber hoch aromatisch. Dazu auch drei dicke, halbierte, mehlige Salzkartoffeln, die die kräftige Sauce wunderbar aufsaugen. Zum besseren Verzehr hat der junge, charmante Portugiese einen weißen Teller vor mir platziert.
Ich habe beim Transport von der Form zum Teller wirklich nur ein Mal voll gekleckert! Meinen Dank an den Resopaltisch!
 
Fazit

Wer den besonderen Charme dieser einfachen Gaststätte zu schätzen weiß, wird hier herzlich bedient und kann für wenig Geld bodenständige, einfache aber aromatische Schätze aus Portugals Küche genießen.

Erklärung zu den Punkten

Essen: 4 Punkte, weil es sich um eine bodenständige, landestypische, zwar einfache aber sehr schmackhafte und ehrliche Küche handelt.

Aktuelle Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag
Küche geschlossen 15 bis 17 Uhr
Toiletten ebenerdig.
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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