Landhaus Spatzenhof
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Süppelbach 11, 42929 Wermelskirchen
Restaurant Hotel Ausflugsziel
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GastroGuide-User: kgsbus
kgsbus hat Landhaus Spatzenhof in 42929 Wermelskirchen bewertet.
vor 9 Jahren
"Kritiker-Treffen im Bergischen Land"
Verifiziert

Geschrieben am 24.04.2016 | Aktualisiert am 14.05.2016
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Besucht am 16.04.2016
„Wir kommen nach Wermelskirchen in den Spatzenhof“, schrieb mir Obacht!. „Du hast doch Zeit? Dann komm einfach mit zu unserem Treffen.“
Das musste man mir nicht zweimal sagen bzw. schreiben. Da wollte ich gerne dabei sein. Der Termin passte auch gut.
Ich habe solch ein Treffen bisher noch nicht erlebt – aber die betreffenden Gastro-Guides sind mir von ihren Berichten her ein Begriff und eine Bank für aussagekräftige Berichte.
 
Wir waren: Obacht! und Schatzl, First und Gattin, Shaneymac und meine Wenigkeit.
Und ich fühlte mich kurz vor dem Eintreffen der GG-Freunde fast wie beim „Perfekten Dinner“ auf Vox beim ersten Tag: ein Blind Date.
Doch wir verstanden uns prächtig – auf Anhieb – und wir mussten nicht einmal selber kochen. Aber wir wollten am Ende schon Punkte verteilen.
 
Genießer können ohne Probleme ständig über Essen und Trinken reden; über Zubereitungsarten und Anrichteweisen; über Zutaten und Gewürze. Das macht richtig Laune.
 
Ambiente
 
Wir saßen in der „Büßerecke“. Da der Spatzenhof bei seiner Gründung ein Kinderheim war, erinnern die Namen der Räume an diese Zeit: Schlafsaal, Besenkammer, alte Küche, Speisekammer.
Jede Abteilung ist entsprechend dekoriert.
Die Büßerecke ist ein kleiner aber gemütlicher Bereich. Wir saßen zu sechs an einem Tisch. Das war für unsere Unterhaltungen recht gut, weil wir nahe beieinander saßen, für die Teller war gerade noch Platz. Service ist aber nur schwer möglich (also ideal zum neuen Konzept „Weniger ist mehr“).
Ich selber schätze die „Speisekammer“ als Raum am meisten. Auch ein kleiner Bereich. Aber man kann die Fenster öffnen und so für sich eine optimale Temperatur herstellen und man hat einen Blick auf die Küchentür (wenn sie aufschwingt, sehe ich die Köche teilweise beim Arbeiten).
 
Service
 
Der neue Gastgeber – Ronny Kabai – zeigte, dass er sein Handwerk versteht. Er hat neben der Ausbildung Restaurantfachmann auch Koch gelernt und blieb uns keine Antwort schuldig. Auch bei den Getränken zeigte er seinen Kenntnisreichtum.


Die jungen Damen im Service blieben dagegen etwas blass bzw. wollten keine Fehler machen und wirkten dadurch etwas gehemmt.
Aber Freundlichkeit zeichnete alle aus.
Allerdings bereiteten einzelne Aktionen bei uns Kopfschütteln oder auch Heiterkeit. Das kann jeder bei Obacht! oder Shaneymac nachlesen, weil sie es unnachahmlich zutreffend schildern.
 
Die Karte(n) 
 
Zwei Menüs sind aufgeführt: kreativ, bergisch (die Gerichte sind auch einzeln bestellbar) und die Abteilung „Klassiker“ (a-la-carte)
 
Es gibt also kein Problem bei der Auswahl. Die Karte ist übersichtlich und gleichzeitig abwechslungsreich.
 
Die verkosteten Speisen 
 
Ich habe das „Kreative Menü“ (4-Gang Menü  € 79,00 – Weinbegleitung 30,00 €) gewählt. In der Karte wird es der kleine Bruder des „Hommage-Menüs“ (hier waren die Gänge zur Erinnerung nach berühmten Waisen benannt, denn der Spatzenhof war bei seiner Gründung 1913 ein Kinderheim) genannt.
 
Meine Mitstreiter*innen haben zusammen gesehen fast die ganze Karte ausprobiert.
 
Seit der Änderung des Konzeptes des Hauses gibt es keine Grüße mehr; jedoch noch frisches Brot.
Ich vermisse natürlich die kleinen Köstlichkeiten aus der Küche. Es waren oft „bergische Häppchen“ wie Dhünn-Forelle, Kottenbutter oder Käsesalat dabei.
Wenn ich die Preise vergleiche ist das für mich auch nur schwer nachzuvollziehen. Vor sechs Monaten habe ich für ein vergleichbares Menü 73 Euro – mit den Amuse bezahlt;  allerdings für den Wein 45 Euro.
An den Gerichten habe ich aber gar nichts zu bemängeln.
 
 Wachtel und Leber
 
Gebratenes Wachtelbrüstchen und Stopfleber
Pastinake und Rhabarber mit Thymianjus und Baiser
 
Das kleine Hühnchen war zart und saftig. Ich mag Gänseleber gerne – es muss nicht unbedingt die Stopfart sein – und fand sie auch lecker (Dass man die Wachtel nicht ohne die Leber bekommen kann, verstehe ich nicht – oder es war ein Kommunikationsproblem -> herrliche Beschreibung bei Shaneymac). Sie harmonierte für mich besonders gut mit dem Rhabarber. Das Gemüse Pastinake verarbeite ich auch gerne selber zu Hause. Hier war es ein Püree. Wenn nicht bei jedem Gang ein Breichen vorkommt, ist das für mich in Ordnung. Vor allem wenn eine Sauce mit Kraft und Geschmack dabei ist, hat für mich das Gericht schon gewonnen. Und diese Jus war prächtig. Beim Anrichten war auch beachtet worden, dass das Fleisch nicht überschwemmt wird. Einzig das Baiserstückchen habe ich nicht verstanden. Der Klecks war relativ hart und klebte am Teller, für mich war es eher wie ein Zuckerguss. Ich brauche das nicht. Aber sonst war der Teller für mich ausgesprochen gelungen.
 
Dreierlei vom Hummer – Hummerschaumsuppe
auf gebratenem Spargel, Hammerschwanz au Four mit Trüffel Hollandaise
 Hummer
In den Staub-Töpfchen waren die drei Gerichte nicht nur schön anzusehen, sondern wurden auch optimal warm gehalten.
In der Mitte war die Suppe. Sie schmeckte mir ausgezeichnet. Kraft und Aromen waren stark ausgeprägt.
Die knusprige Frühlingsrolle mit Hummer in der nächsten Kokotte, war für Obacht! besonders gelungen. Dem kann ich mich anschließen, aber die anderen Töpfchen fand ich nicht weniger gelungen.
Der Hummerschwanz mit Risotto hat mir ebenfalls gut gemundet. Aber es geht mir wie Shaneymac: Graupen sind nicht meine Zutat.
Trotzdem würde ich diese Komposition jederzeit wieder bestellen bzw. in einem Menü belassen. Sollte das Gericht jedoch für mich speziell erstellt werden, würde ich Philipp Wolter bitten die Graupen zu ersetzen und vielleicht etwas mehr Trüffel (im Winter) zu benutzen oder im Frühling dafür eine andere Komponente zu verwenden.
 
In Apfelbalsam geschmorte Kalbshaxe und rosa gebratenes Kalbsfilet
mit Kaiserschoten, Erbsen und Kartoffelkrapfen
 Kalb - Hauptgang
Ob Lamm oder Kalb, hier verwendet das Haus Fleisch aus der Region und von ausgezeichneter Qualität. Ich liebe sowohl Schmorgerichte als auch Kurzbratstücke und hier bekam ich beides. Die Sauce – für mich eine ganz wichtige Zutat auf dem Teller – war einfach Klasse. Das Gemüse (Schoten und Erbsen) war knackig, hatte einen feinen grünen Farbton und war zurückhaltend gewürzt; aber das ist für mich die Kunst, das Aroma der Pflanzen zu erhalten und nur leicht abzurunden.
Die Kartoffelkrapfen waren eine gute Begleitung. Sie waren kross gebacken, nahmen aber auch noch Jus auf. Die Reste der Sauce habe ich noch mit Brot aufgetunkt (es wurde kein Gourmetlöffel eingedeckt; es war Zufall, das noch Bot da war, denn es wurde zwar nachgereicht, war aber oft im passenden Augenblick nicht zur Hand).
Für mich ein würdiger Hauptgang.
 
Panna Cotta von der Erdbeere
mit Marsala Ganache und Zitronensorbet
 Dessert
Panna Cotta ist ein Klassiker der italienischen Küche und kann davon (wenn sie gut gemacht ist) eigentlich nie genug bekommen. Sie muss aber cremig und locker sein; denn wenn zu viel Gelatine oder zu wenig Sahne verwendet werden, wird es auch schon mal ein Flummi. Hier war das aber alles gelungen. Und Erdbeeren kommen jetzt schon auf den Markt, genau wie Spargel. Im Frühling kann ich mir nicht besseres als diese Komponenten vorstellen.
Auf die Ganache war ich besonders gespannt, weil ich beim Dessert-Kurs (an dem ich teilgenommen habe) gesehen habe, wie aufwendig die Herstellung sich darstellt. Ich liebe aber auch Schokolade – und die Würzung mit Marsala war eine neue Erfahrung. Die Ganache war durch eine Presse zu Spaghetti-Nudeln geformt worden. Zu der feinen Süße kam nun noch eine leichte Säurenote durch das Zitronensorbet dazu.
Ein großer Abschluss des Menüs.
 
Getränke 
 
Mineralwasser (6,80 €)
 
Cocktail „Spatz“ (7,20 €)
 
Der Spatz im April: Die Schlehenfrüchte wurden von einem Bauern aus der Region im vergangenen Spätherbst gesammelt. Im Spatzenhof wurden diese Früchte mit braunen Rohzucker angesetzt, passiert und mitfrischem Zitronensaft angereichert. Der "Spatz" wird dann mit Eis ins Glas gefüllt und mit Secco aufgegossen.
 Bordeaux - Pinot
Weinbegleitung (30,00 €)
 
* VILLA JL Riesling 2013 Weingut Wolf Pfalz
 
Das Weingut Wolf gehört zum „Weinimperium“ von Ernie Loosen von der Mosel. Er übernahm 1996 den Betrieb und ergänzte damit seine Palette. Seitdem konzentriert er sich hier auf die Erzeugung trockener Weine aus Riesling, Weißburgunder, Grauburgunder und Spätburgunder. Der einfache klare Riesling hat mich durchaus überzeugt.
 
* Deja-vu 2014 Weingut Sonnenberg feinherb (Cuvee aus Riesling und Gewürztraminer)
 
Das Gut liegt im Landkreis Bad Dürkheim in Neuleiningen. Es ist ein echter Familienbetrieb (Besitzer Karlheinz Nippgen). Die feinherbe Cuvee hat mich positiv überrascht. Der Wein passte gut zur Speise und war auch pur eine schöne Erfahrung.
 
* Schlossberg Spätburgunder 2013 Weingut Seckinger Pfalz
 
Die beiden Brüder beschreiben ihre Arbeit so: „Unsere Weine werden selektiv gelesen, schonend gepresst und vorwiegend spontan vergoren. Wir arbeiten eng mit der Natur zusammen und nutzen die natürlichen ökologischen Gegebenheiten. Dabei legen wir viel Wert auf Handarbeit. Unsere naturbelassenen Weine sind alles andere als uniform.“
 
Der Spätburgunder hat mir schon pur zugesagt und er passte sehr harmonisch zum Fleisch. Von diesem Weingut habe ich schon bei früheren Besuchen Kostproben erhalten und fand die Produkte stets gelungen.
 
* Chateau Roc Amphora 2012 Cotes de Bordeaux Castillon  (Cuvee aus Merlot und Cabernet Franc).
Die Appellation besteht als eigene Region erst seit 1989. Einige namhafte Güter aus dem Nachbargebiet Saint-Émilion haben sich danach hier eingekauft. Seither gilt die Qualität dieser Merlot-Weine als verbessert und beachtenswert.
 
Unser Gastgeber schenkte uns freundlicherweise eine Probe davon zusätzlich ein. Wir sollten uns ein Bild machen, ob der deutsche Spätburgunder oder der französische Bordeaux-Verschnitt uns besser passend zum Hauptgang erschien. Doch irgendwie konnte er uns an diesem Abend nicht überzeugen – auch nicht nach einiger Zeit im Glas. So etwas kann passieren und ist keine Katastrophe: Der Spätburgunder war ja prächtig.
 Sauternes
* Carmes de Rieussec, Sauternes 2007 (Die Rebsorten sind zu 80 % auf Sémillon, 18 % auf Sauvignon Blanc und 2 % Muscadelle aufgeteilt.)
 
„Der Zweitwein des Château Rieussec entsteht auf der gleichen Grundlage wie der Hauptwein. Er zeichnet sich immer wieder durch seine herrlich aromatische Fülle aus, bei der vor allem Zitrusfrüchte vorherrschen. Der Name Carmes de Rieussec bezieht sich auf die Karmelitermönche in Langon, die im 18. Jahrhundert die Eigentümer Rieussecs waren“ (Text von der Homepage). Heute gehört das Gut zum Lafite-Rothschild-Konzern.
 
Zu Käse und Süßspeisen nehme ich gerne diese edensüßen Exemplare aus dem Bordeaux als Begleitung. Auch dieses Mal passte der Wein gut.
 
 
Glenmorangie Signet (4cl zu 22,40€) und eine Variante aus Sherry Fässern
 
Für den Single Malt Signet wurde regionale Gerste verwendet. Dabei wurde das Gerstenmalz stark angeröstet, so entsteht das sogenannte 'high roasted chocolate malt'. Die Abfüllung beinhaltet sehr seltene Malts, teilweise wurden die ältesten Fässer der Brennerei verwendet (www.whisky.de/shop/Schottland/Single-Malt/Highlands/Glenmorangie-Signet.html).
 
Shaneymac und Herr Kabai haben da etwas Schönes ausgesucht. Die Verkostung der beiden Malts war ein perfekter Abschluss.
 
 
Preis-Leistungs-Verhältnis
 
Das Menü hat mir wirklich gut gemundet. Die Zutaten waren hochwertig.
Aber, dass es keine Grüße mehr gibt und auch beim Brot gespart wird, stimmt mich schon nachdenklich. Da muss ich Abstriche in der Bewertung machen.
Die Kalkulation bei den Weinen hingegen, erscheint mir günstig für den Gast zu sein. Gerade bei der Zusammenstellung der Menübegleitung war ich insgesamt mehr als zufrieden.
 
Fazit
 
Der Spatzenhof gehört zu den Lokalen, die mir grundsätzlich zusagen. Oder analog Boris Becker zu sprechen (Wimbledon ist mein Wohnzimmer): Hier entspanne ich, ich weiß, dass mich keine bösen Überraschungen erwarten. So komme ich vielleicht zu einer etwas „milderen“ Beurteilung als meine Kolleg*innen.
 
Fazit I – Kritiker-Treffen
 
5 – unbedingt wieder. Mit Gleichgesinnten gemeinsam ein Restaurant besuchen, macht unheimlich viel Spaß.
 
Fazit II – Speisen
 
4 – gerne wieder. Das kreative Menü war für mich eine reine Freude. Auch das bergische Menü war wohl ein Genuss. Und wer aus der Karte seine Wahl treffen möchte, findet auch eine angemessene Zahl von Angeboten.
 
Fazit III – Getränke
 
4 – Die Weinbegleitung hat mit zugesagt. Das Angebot im Bereich Aperitif ist mit groß genug (Schaumweine oder Cocktails reichen mir). Bei den Absackern ist die Breite wohl nicht so ausgeprägt (vergleiche Obacht!). Mit Whisky, Rum oder Kaffee bin ich jedoch auch einfach zufrieden zustellen.
 
(1 – sicher nicht wieder, 2 – kaum wieder, 3 – wenn es sich ergibt wieder, 4 – gerne wieder, 5 – unbedingt wieder – nach „Kuechenreise“)
 
Datum des Besuchs: 16.04.2016 – abends – 6 Personen
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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