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GastroGuide-User: carpe.diem
carpe.diem hat Restaurant Haarschlotzer in 73262 Reichenbach an der Fils bewertet.
vor 10 Jahren
"Hier kann man herrlich versumpfen"
Verifiziert

Geschrieben am 13.01.2015
Besucht am 11.10.2014
Fazit (für schnelle LeserInnen vorab)

Der relativ neue "Haarschlotzer" ein uriges Restaurant mit original schwäbischer Frischeküche. Das meiste perfekt hausgemacht (Oma lässt grüßen). Für Freunde von Cordon Bleu, es gibt sechs Variationen davon auf der Karte. Mein Wildgericht (s.u.) setzt die kommenden Wild- bzw Gänsewochen in ein sehr interessantes Licht. Ich werde auf alle Fälle dabei sein.

Lage und Anfahrt

Reichenbach liegt rd. 25 km von Stuttgart und ist leicht über die B 10 (Richtung Ulm) zu erreichen. Das Lokal liegt in unmittelbarer Nähe der Haltestelle der DB, die im Stundentakt (R 1, Stuttgart Ulm) angefahren wird. Die Ausschilderung ist unverfehlbar. Vor dem Lokal gibt es ca. 10 Parkplätze, die aber vermutlich auch von Gästen des Rock Cafés genutzt werden. Der große Parkplatz am Edeka Supermarkt wird leider nach Geschäftsschluss mit einer Schranke abgeschlossen. Von Plochingen aus gibt es auch noch div. Busverbindungen. Die meisten Busse halten aber in der Stuttgarter Straße. Erkundigungen beim Fahrer rate ich an.

Ein bisschen Chronik

Klaus Vögele und seine Frau Silvia haben rund 20 Jahre lang bis zum Februar 2014 das Waldheim in Esslingen-Berkheim (Sportgaststätte des TSV Berkheim) betrieben. Seit dem 15.03.2014 betreiben sie den Haarschlotzer in Reichenbach, inzwischen ein heißer Tip was regionale, saisonale, original schwäbische Küche betrifft. Ein Touch Cross Over aus dem reichhaltigen Repertoire von Klaus Vögele lässt sich aus der Speisekarte auch erkennen.
Dass die Reichenbacher mit Spitznamen "Haarschlotzer" (eingedeutschter Name, schwäbisch richtig wäre "Hoorschlotzer") genannt werden, war mir schon bekannt, doch was steckt hinter dem Namen? Klaus Vögele half mir auch da auf die Sprünge. Im Jahr 1877 gründete die Firma "Otto Garne" in Reichenbach eine Baumwollspinnerei. Sie wurde schnell zum bedeutendsten Arbeitgeber des Ortes, beim dem viele Reichenbacher Arbeit fanden. Um die feinen Baumwollgarne besser in den Griff zu bekommen, befeuchteten die emsigen Damen ihre Finger hin und wieder mit der Zunge. Dies sah wohl ähnlich aus wie das Ablecken (schwäbisch: schlotzen) der haarfeinen Fäden, weshalb ein Aufseher seine Mitarbeiterinnen liebevoll "Meine Hoorschlotzer" genannt haben soll. Dieser Spitzname ist den Reichenbachern bis heute geblieben.

Bedienung
Empfang

Gleich beim Eintreten in den Gastraum entdeckte ich Klaus Vögele (Wirt und Koch) hinter dem Tresen. Ich wurde sehr freundlich begrüßt und an meinen reservierten Tisch begleitet. Trotzdem, dass sein Nebenzimmer mit den Teilnehmern eines Klassentreffens voll war, nahm er sich Zeit mit mir - als neuer Gast - ein kleines Gespräch zu führen (erstes Plus).

Service

Eine nette jüngere Dame brachte mir die ansprechende, gut aufgemachte Speisekarte (zweites Plus) und wartete geduldig das Ergebnis meines Kartenstudiums ab, bis sie die Bestellung von Essen und Trinken entgegennahm. Flink brachte sie mir das gut eingeschenkte Weihenstephaner Kristallweizen und wenig später die Tomatensuppe. Fast punktgenau mit dem letzten Löffel Suppe kam der Beilagensalat. Das Hauptgericht folgte nach angenehmer Wartezeit. Jeder Gang wurde mit einem freundlichen "Wohl bekomm‘s" oder "Lassen sie sich's schmecken" serviert, ohne die Frage "ob alles recht war" zu vergessen. Sie entpuppte sich zu einem wahren Wirbelwind. Kaum hatten Gäste ihren Tisch verlassen wurde abgeräumt und eine neue Beidecke aufgelegt und immer ein freundliches Lächeln im Gesicht.
Ein kleiner Gruß aus der Küche und ein bisschen weniger husch, husch hätten den 5.* in greifbare Nähe gerückt.

Das Essen
Meine Entscheidung für das Essen
...
stand schnell fest. Als Liebhaber von Wild entschied ich mich für


  •  Wildhasenrückenfilet, rosa gebraten an Wildrahmsoße, handgeschabten Spätzle und Salat  16,20 €



Das Fleisch war sehr zart, auf den Punkt medium gebraten, ca. 1 mm schmackhafte Kruste mit köstlichem Röstaroma. Das Zentrum gleichmäßig dunkelrosa, saftig und trotzdem schnittfest. Schon beim Anblick bildeten sich Pfützen auf meiner Zunge. Der Wildgeschmack sehr angenehm. Als Geheimnis verriet mir der Wirt, dass er sein Wild möglichst direkt beim Jäger kauft und so gut wie nie beizt. (ich verabscheue Essig- oder Buttermilchbeizen, die leider immer noch zum Einsatz kommen).
Die handgeschabten Spätzle dazu (auf die Haselnussspätzle lt. Karte musste ich leider wegen einer Allergie gegen Haselnüsse verzichten, der Tausch war unproblematisch), eine Offenbarung für sich. Zusammen mit dem Rahmsössle ein Gaumenkitzler der besonderen Art. Geschmacklich gut abgestimmt die eingelegte Birne mit Preiselbeerkompott.

Dazu passte mein Weihenstephaner Kristallweizen  (0,5 l 3,40 €)

Das alles lässt mich in diesem Fall die etwas schwache Präsentation vergessen und ich runde die Bewertung ausnahmsweise auf 5 * auf. Der Haarschlotzer ist ja schließlich "nur" ein schwäbisches Wirtshaus und kein Gourmettempel. Hoffe, dass Klaus Vögele diesen Standard noch lange halten kann.

Das Ambiente
Das Gute zuerst

Das Restaurant wurde nach gründlicher Renovierung am 15. März unter der Leitung des Ehepaares Vögele neu eröffnet. Der Eingangsbereich ist dekoriert mit Kunstdrucken von Grafiken von Picasso und Da Vinci. Leider setzt sich das im Gastraum nicht fort.

Der Gastraum

eingerichtet als Bauernstube mit der dafür bekannten Möblierung aus hellem Holz, Kiefernholzverkleidung der Wände und entsprechenden Raumteilern ist soweit noch akzeptabel. Der viele Krimskrams auf den Borden, eine Mischung aus Flohmarkt (Milchkannen, Geschirr, Küchen- bzw bäuerlichen Geräten, Modellautos und Krafträder u.a.m.), Souvernirs (amerikanische Autokennzeichen) und Puppenstube ist mir einfach zu viel. Kann mir aber durchaus vorstellen, dass es dafür Liebhaber gibt.
Positiv erwähnen möchte ich das alte Saba Radio aus den 50er Jahren und den antiken Grammofonschrank mit Handkurbel. Die haben ein gewisses Etwas.
Die neue Toilettenanlage gehobener Standard.

Sauberkeit
Gasträume und Toiletten blitzen vor Sauberkeit.
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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