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GastroGuide-User: DerBorgfelder
DerBorgfelder hat La Villa - Kays Culinarium in 28203 Bremen bewertet.
vor 10 Jahren
"Jetzt erst recht! Diese Leistungen verdienen Unterstützung."
Verifiziert

Geschrieben am 16.10.2015 | Aktualisiert am 04.11.2015
Mehrere Folgebesuche im "neuen" La Villa haben inzwischen den guten ersten Eindruck bestätigt. Das junge Team um Chef Emil Karnacewicz und seine charmante Partnerin Janina Geils im Service liefert konstant Leistungen auf unerwartet hohem Niveau ab.
Und hat dabei mit erheblichen Widerständen zu kämpfen: Bereits dreimal wurde seit der Übernahme am 1. September eingebrochen. Offensichtlich von Tätern aus der Gastronomie oder mit entsprechenden Auftraggebern. Denn gestohlen wurden gezielt teure Produkte wie Champagner oder hochwertige Gewürzmischungen. Ätzend. Da es bereits einen weiteren Einbruchsversuch gegeben hat, verhandelt das junge Paar jetzt mit dem Verpächter über Sicherheitsmaßnahmen. Wie immer eine Frage des Geldes. Es wäre schade, wenn ein so ambitioniertes Projekt an diesen Umständen scheitern würde. Denn die Mannschaft ist hoch motiviert, es macht Freude die drei Köche bei ihrer konzentrierten Arbeit zu beobachten. Die durchaus mit Nachteilen (u. a. schlechtes Licht für Fotos) verbundene Enge des Souterrains schafft eben auch Nähe. Der Service ist freundlich, natürlich und gegenüber Verbesserungsvorschlägen offen (ja, was dem Ego des alternden Chronisten schmeichelt). Nicht alles ist schon perfekt, aber man redet miteinander, improvisiert und hat den Gast im Fokus. Dazu mit Herrn Karnacewicz einen Koch, der bereit ist, seine Gerichte zu erklären. Und da geht es nicht um verkopfte Philosophien, sondern um Produkte, deren Zubereitung und ihre Kombination.

Natürlich gilt auch hier Adi Preißler: Entscheidend is aufm Teller.
Es gab erneut drei Sorten Brot: Sardelle, Walnuss, Zwiebel mit schöner Kruste, dazu Maldon-Salz und nicht zu harte Butter. Eine Pfeffermühle soll es nicht geben, stattdessen wird ein Schälchen mit passender Mischung serviert.
Zweites Amuse ist diesmal ein Parmesansüppchen mit etwas Chiliöl, dazu ein Crostini mit Knoblauch und Linsen. Gut und kräftig.
Als Vorspeise Blattsalate mit gelben Minitomaten, Orangenfilets und Scheiben von der Jakobsmuschel, sehr zart und mit ganz wenig Paprika pikantisiert. Exzellent. Wenn auch unerwartet, da die Menuekarte die 3-Gang-Variante "ohne" Muschel ankündigte. Was mir recht war, da ich auf das Entrecôte gespannt war. Kurze Verblüffung bei meinem Gegenüber, da es genau anders herum geplant war. Kurzerhand wurde die Muschel zum weiteren Amuse erklärt und mir bald darauf ein dünnes Rindersteak nach Pariser Art serviert. Kurz gebraten, etwas durchwachsen, saftig und für eine Vorspeise eher zu viel. Dazu Würfel vom Hokkaidokürbis auf dem Punkt und Zwiebeln ebenfalls noch mit etwas Biss. Den weiteren Salat hab ich nicht angerührt, zu viele Vitamine sind bestimmt ungesund. Yummy.
Hauptgang war überraschend Ochsenschwanz mit viel Collagen in einer kräftigen dunklen Sauce, leicht säuerliche Linsen und Topinambur als Püree und wie gewachsen. Einige Tomatenwürfel sollten die Wurzel geschmacklich abrunden. Ebenso wie der Kerbel. Sehr gutes herbstliches Gericht. Der weiche, tanninfreie und überraschend dunkle südfranzösische Grenache noir traf meinen Geschmack, manchem wäre er nicht kräftig genug gewesen.
Da ich ja schon meine ursprünglich beabsichtigten drei Gänge hatte, bestellte ich heldenhaft das Dessert ab und bereitete mich zufrieden auf den Kaffee vor. Meine leicht satte Unaufmerksamkeit nutzte der Zweitkoch, mir einen "Probierteller" unterzuschieben. Mit dem Bemerken, er glaube, die Schokolade sei ihm heute ganz gut gelungen. Dieser Teufel! Ich revanchierte mich beim Gehen mit dem Hinweis, dass ich bei ihm Potential sehe. Ob er wohl daran denke, das Kochen beruflich zu betreiben? Natürlich hatte ich nicht den Hauch einer Chance, das Dessert nicht anzurühren. Ausgestrichene Blattschoko, saftiger Kuchen, Eis mit Stücken desselben und ein unfassbar cremiges Praliné. Alles mit der nötigen leichten Bitternote. Dazu ein Strich intensives Erdbeermark. Ja, doch. Kann man machen...
Nach dem guten Lungho in vorgewärmter Tasse kam mit der Rechnung, die ich entsprechend den genossenen Gängen aufstockte, noch ein kleiner Rausschmeißer. Eine Gin-Tonic-Granita! Süß, säuerlich, alkoholisch, phantastisch.
Was für ein Genuss zur Mittagszeit.

Im Rahmen eines Kurzberichtes mag das genügen. Ein Opus Magnum harrt der weiteren Bearbeitung.


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