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GastroGuide-User: DerBorgfelder
DerBorgfelder hat Klinkel's Restaurant in 26160 Bad Zwischenahn bewertet.
vor 8 Jahren
"Schöner Neustart am See."
Verifiziert

Geschrieben am 19.05.2017 | Aktualisiert am 21.05.2017
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Besucht am 26.03.2017 Besuchszeit: Mittagessen 1 Personen Rechnungsbetrag: 74 EUR
Kai Klinkel wirkte fast vier Jahre im sterngekrönten Apicius, zuletzt als Küchenchef. Während man sich dort (überraschender Weise nur recht kurz) von der Gourmetküche verabschiedete, reiften bei dem ambitionierten Koch bei seinen Stationen im Bestial (Oldenburg) und Kalaboush (Bakum) offenbar Pläne für die Selbstständigkeit. Und so findet sich seit letztem Sommer am Nordufer des Sees, nur wenige Schritte vom Anleger Dreibergen entfernt, in den Räumen des ehemaligen Eshramo nun Klinkel's Restaurant. Ein echter Familienbetrieb, denn Ehefrau Christel Klinkel schmeißt (bei unseren Besuchen jeweils allein) den Service und wirkt auch als Sommelière. Und laut Karte könnte es gelegentlich sein, dass abends "zwei Zwerge im Schlafanzug" im Restaurant erscheinen. Immerhin könne der Nachwuchs über das W-LAN-Passwort Auskunft geben, und in der Tat, der Internetempfang ist hier recht bedauernswert. Diese ungezwungene Freundlichkeit setzte sich fort, sei es mit der fröhlichen Bestätigung bei der telefonischen Reservierung, der persönlich wirkenden Begrüßung im Lokal durch Frau Klinkel oder auch bei der Fachsimpelei mit dem Chef, der zusammen mit einer weiteren Köchin in der teilweise einsehbaren Küche konzentriert arbeitet und offenbar regelmäßig einzelne Gänge selbst an den Tisch bringt. Das ist ein offenes, modernes Konzept, das eine positive Beziehung zu den Gästen schafft. Sehr gut.
Die Leistung "am Gast" war auch im Übrigen aufmerksam und fachlich versiert. Die Karten wurden offen gereicht, für das Einsetzen von der "falschen" Seite um Verständnis gebeten, die Nachfrage kam rechtzeitig und interessiert. Mein Wunsch nach einem Seitenwechsel am Tisch wurde gern und durch schnelles Eindecken erfüllt.
Bei meinem ersten Besuch war ich wegen krankheitsbedingtem Ausfalls der Gattin allein. (Sie hauchte nur schwach: "Fahr nur, du sollst es gut haben!" Oder sie murmelte: "Fahr nur, ich wollt' es ruhig haben!" Egal, sie ist eine Heilige.) Schon da habe mich aufmerksam betreut und daher wohl gefühlt. Erst recht zwei Wochen später beim gemeinsamen Nachholspiel. Die Beschreibung der Speisen bezieht sich auf den ersten Besuch. Fotos auch von der zweiten Einkehr.

Da beide Termine noch in der Fastenzeit lagen, haben wir uns über das Angebot des alkoholfreien, recht melonigen Angebots von Schloss Vaux (Cuvée Rosé 5,5€) ebenso gefreut, wie über mehrere Fruchtsecci von Jörg Geiger (5,6€). Veltins alkoholfrei für 2,5€ und L'eau sans souci mit 5,5/2,0€ preislich in annehmbaren Regionen.

Die Einrichtung wurde teilweise vom Vorpächter übernommen, wirkt aber noch leidlich modern. Das gilt besonders für einen etwas erhöhten Raum in eleganten Grautönen und der inzwischen häufig gesehenen Naturstein-Klinkerwand. Der vordere Teil um die recht viel Platz einnehmende Theke wirkt dagegen etwas rustikaler. Dazu trägt das schon ein wenig abgestoßene helle Holz von Theke und Tischen (mit unpraktischem Mittelfuß) ebenso bei, wie der schon bei meiner Eshramo-Kritik bemängelte, braunmelierte Schlingenteppichboden in Teilen des Raumes. Dafür ist auf weißem Tuch klassisch eingedeckt, zweifach Besteck, drei Gläser, Brotteller mit Buttermesser. Als Deko ein kleines Blumengesteck und ein Grablicht. Frau Klinkel berichtete, dass es demnächst neues Geschirr geben wird. Schön und bequem die dunklen Hochlehner. Vielleicht lässt der Eigentümer eine Renovierung des restlichen Mobiliars springen, wenn sich das Restaurant etabliert hat.
Popmusik à la Phil Collins ist nur sehr leise zu hören.

Eine lobende Erwähnung im 2017 Guide Michelin lässt eine gute Küche erwarten und das kleine Team zudem auf Konzentration hoffen. Dementsprechend öffnen Klinkels erst ab 18:00 Uhr, zusätzlich Sonntagmittag. Vorbei kommende Fahrradtouristen mit frühem Appetit auf Kaffee und Kuchen wurden freundlich auf den benachbarte Fährkroog verwiesen. Gut so für eine klare Positionierung.

Aus den je vier Vorspeisen, Zwischengerichten und Hauptgängen wählte ich

- Alte Kuh, dry aged/Sülze/Kimchi/Feldsalat/Buchweizen
- Kartoffelrahmsuppe/Petersilienpesto/Pulpo/frittiertes Dinkelbrot
- Parmesan-Biskuit-Roulade/geschmolzene Tomaten/Blumenkohl-Püree
- Heimisches Wildschwein, saftig rosa und geschmort Möhre/Bärlauch- strudel/Kräuterseitlinge

Für 4 Gänge fielen 59€ an, beim Besuch mit weiblicher Begleitung für deren bescheidene drei noch 48€.

Zunächst grüßte Kai Klinkel mit selbst gebackenen, warmen Broten, die von Bad Essener Sprühsalz, spanischem Olivenöl, gewürzter Butter und einem leichter Kräuterquark adäquat begleitet wurden. Die Ciabattafinger konnten mit gut gewürztem Teig punkten, die Muffins mal mit Tomate, Basilikum und Olivenstücken (etwas trocken), mal mit Cranberries (sehr gut).
Weiter ging's mit einem kleinen Rahmsüppchen von Steinpilzen, dazu ein Probierlöffel mit einem Stück Pancetta und Portweincreme. Das war ein unerwartet herbstliches, aber sehr gelungenes Amuse. Deutliches, von der Sahne verfeinertes statt ins Ungefähre verdrängtes Steinpilzaroma, schmelzender Speck und eine feine Alkoholnote des Portweins ergänzten sich angenehm.

Der erste Gang brachte zunächst eine Überraschung. Anstelle einer festen Sülze war hier das gesottene, aromatische Rindfleisch gezupft worden und wurde locker in einem leicht gelierten Kochsud zusammen mit Feldsalat und einem angenehm pikanten Dressing serviert. Das war elegant. Ebenso wie der nicht zu scharfe fermentierte Weißkohl und der Buchweizen, der durch die Röstung sowohl nussiges Aroma, als auch angenehmen Crunch erhalten hatte. Eine angenehme Abwechslung nach den steinharten Körnern im Urgestein und den mehr gepappten als gepoppten Exemplaren im bean&beluga. Allein die Kirschtomaten dienten meiner Ansicht nach eher der farbigen Optik, als dass sie zum geschmacklichen Gesamtbild positiv beitragen konnten.

Auch die folgende, am Tisch angegossene Kartoffelsuppe mit kräftigem Petersilien(!)Pesto hielt eine überzeugende Klinkel'sche Note bereit. Das Dinkelbrot entpuppte sich als dicke, "a la coca" ausgebackene Scheibe, die neben der Knusprigkeit ein wundervolles Olivenölaroma einbrachte. Da gerieten der auf dem frittierten Brot drapierte, kräftig angeröstete und zarte Oktopus sowie die à point gegarten Paprikastreifen als quasi alte Bekannte völlig zu Unrecht ein wenig ins Hintertreffen.

Als Zwischengericht mal was Vegetarisches:
Eine mit Kräuterfrischkäse gefüllte, angebratene Parmesanbiskuit-Rolle. Wohl gewählte Begleiter waren geschmolzene Tomaten, ein pikant abgeschmecktes Blumenkohlpüree mit schöner Röstnote und eine beurre blanc. Ein solider Gang,
Gerichte ohne Fisch/Fleisch versetzen mich jedoch selten in höchste Verzückung.

Deshalb hat mir die Komposition des Hauptgangs wieder besser gefallen.
Wildschwein kombiniert mit einem teilweise knusprigen, sehr dünnen Strudelteig, der mit Hartweizengrieß und Bärlauch gefüllt war. Auch diese Scheibe angebraten und für mich leider etwas trocken. Das Gemüse konnte nicht vollends überzeugen. Die Kräuterseitlinge waren völlig ok, aber die Möhre einerseits als ausgestrichenes Mus wieder einmal sehr intensiv süß in Richtung Babybrei geraten. Andererseits in Form marinierter Julienne zu sauer. Das ergänzte sich für mich nicht harmonisch, sondern krachte aufeinander. Besser das Fleisch: Schwarzkittel aus hiesiger Jagd ist schon mal per se etwas Feines. Besonders gelungen waren die Pralinen vom sehr zart Geschmorten mit würzigem, geliertem Schmorsud. Dagegen konnten die kurzgebratenen, an sich zarten Rückenteile das Versprechen der Saftigkeit nur überwiegend einlösen. Eine Tranche war leider fast durchgegart.
Meine Kritikpunkte wurden mit echtem Interesse aufgenommen und mir sogleich (unverlangt, doch gern akzeptiert) ein Ersatzstück angerichtet, das sich eigentlich als ein veritabler Teller darstellte. Allerdings ohne die von mir monierten Möhren, auch das war in der Küche angekommen. Bravo!

Da noch Fastenzeit war, musste statt Dessert ein doppelter Espresso (3,2€) mit kräftiger Crema, serviert in einer vorbildlich heißen Tasse den Mittagsimbiss beschließen. Auch der als petit-four-Ersatz angebotene Schokoladenbruch fiel noch dem selbst auferlegten Mäßigungsgebot zum Opfer.

Nach einer abschließenden Plauderei mit dem sympathischen Ehepaar Klinkel eilte ich ans heimische Krankenlager, um durch Pflege und Zuwendung den nachzuholenden gemeinsamen Besuch baldigst zu ermöglichen. Hat ja geklappt und auch hier zeigten sich Küche und Service mit unverändert starker Leistung.

Bei Klinkel weiß man genau, was man kann (und das ist viel!), hält sich aber wirtschaftlich klug von jeglichem Sterneanspruch fern, der schon so manchen ambitionierten jungen Koch in finanzielle Schwierigkeiten gebracht hat. Wir werden den Sommer sicher für einen weiteren Ausflug an den See und einen Besuch in diesem schönen, empfehlenswerten Restaurant nutzen!
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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