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Jaaaa…. er lebt noch, er lebt noch, er lebt noch… :-)
Herrschaften, zunächst einmal eine kleine Entschuldigung für meine wortlose Abwesenheit, aber es liegt eine ausgedehnte Kur in Unterfranken hinter mir und obwohl ich mir fest vorgenommen hatte, schon während dieser Zeit den ein oder anderen Bericht zu produzieren, hatte ich vor Ort aufgrund der vielen wunderschönen Aktivitäten, die ich mit wohlgesonnenen Kurkomplizen unternahm, nie die richtige Muße, dies in Ruhe anzugehen.
Wieder zu Hause angekommen ist mir nun zudem beim Sichten hunderter Bilder bewusst geworden, dass ich sicher zwei Wochen brauchen würde, nur die kulinarischen Highlights meines Aufenthaltes angemessen auf GG zu beleuchten.
Alleine die Qual der Wahl des ersten solchen hat mir just einige Kopfschmerzen bereitet: „Oh, das tolle Kasino Restaurant, uh da ist ja der grandiose Ramsthaler Gasthof, hmmm und da das urige Forsthaus, seufz, und da lacht der phänomenale Sauerbraten in Würzburg… etc. etc.“.
Aber ich denke, mit dieser Zusammenfassung zweier Besuche bei Kunzmann einen guten Start hinlegen zu können, der Anblick der maximal beglückenden Desserts gab den entscheidenden Ausschlag!
Kritik:
Das „Kunzmann´s“ ist seines Zeichens ein inhabergeführtes Hotel-Restaurant in Bad Bocklet, Wellness hat man sich für die Hotellerie auf seine konzeptionellen Fahnen geschrieben, trägt vier Sterne und rühmt sich einer gehobenen, kreativen Küche – und ja, auch die Bewertungen auf den üblich-verdächtigen Plattformen machten durchaus Lust auf einen Besuch.
Gesagt getan also, die abendliche Anfahrt gestaltete sich - typisch für die Rhön – entspannend, denn die Verkehrsdichte in manchen Ecken der Region lässt die Golanhöhen vergleichsweise wie Manhattan zur Rushhour erscheinen und einige Orte hinterlassen nach Einbruch der Dunkelheit einen dermaßen verlassenen Eindruck (Licht aus und Rollladen runter scheinen hier erste Bürgerpflicht zu sein…), das man sich bisweilen in einem potemkinschen Dorf auf einem Panzer-Truppenübungsplatz wähnt.
Das Gefährt kann bequem auf dem Hotel-Parkplatz untergebracht werden und ein erster Blick auf den kleinen Gebäudekomplex offenbart einen eher sachlichen Architektur-Stil, ein Anbau wartet mit einer sehr nüchtern wirkenden Glasfassade auf.
Im Foyer angekommen wurde ich angenehm überrascht, zur linken prasselte ein Kaminfeuer, an diesen Bereich grenzte die in einem wilden Art-Deco Mix gestaltete Hotel-Bar an, zur rechten fand sich die Rezeption, leise Jazz-Musik untermalte die Szene, eine freundliche Begrüßung durch die Dame am Empfang erfolgte prompt, das Restaurant sei nur wenige Schritte entfernt, charmant wies man uns den Weg.
Im Restaurant übernahm eine Kollegin nicht minder routiniert charmant den Service: Die Garderobe wurde uns behände abgenommen, die Reservierung erfragt und wir wurden mit herzlicher Freundlichkeit an unseren Tisch komplimentiert.
Erneut schweifte der Blick, der hässliche Fliesenboden des Foyers beleidigte leider mit seiner 80er-Jahre-Revival-Optik auch hier das Auge des Schmalspur-Ästheten aus dem Bergischen Land, ansonsten herrscht eine gewisse austauschbare, uninspirierte Sachlichkeit vor, nicht reservierte Tische werden nicht eingedeckt und wirken mit ihren grauen Platzsets etwas nüchtern.
Nicht zuletzt durch die angenehme Lichtstimmung und die guten akustischen Eigenschaften des Gastraumes, die Störungen durch laute Gespräche an anderen Tischen oder Lärm aus der Küche komplett unterbanden, kann man sich hier dennoch sehr wohl fühlen.
Bevor ich vergesse es zu erwähnen, zum Thema Wohlfühlen trug bei meinem zweiten Besuch der hochengagierte, leicht in Ehren ergraute Kellner maßgeblich bei, optisch hätte er der kleine Bruder von Gunther Emmerlich sein können.
So etwas aufmerksames und beredt-höfliches habe ich in dieser Preisklasse selten erleben dürfen: die fachlich fundierte Weinberatung wurde gar durch das Servieren von Probeschlückchen in separaten Gläsern erleichtert. Man war immer präsent, flink und ohne jeden Anflug von Hektik, auch wenn gerade viel zu tun war; ein ganz großes Kompliment an dieser Stelle.
Ich werde nun die Gänge beider Besuche einzeln bewerten, wobei ich das beim ersten Besuch verkostete jeweils als erstes unter die Lupe nehme und die Gerichte mit „1.“ und „2.“ kennzeichne:
Amuse-Gueule
1. Ein cremiger Frischkäse mit rosa Pfeffer und feinen krossen Speckwürfelchen wurde mit frischem hellem Weizen-Brot serviert. Nicht unbedingt eine Kreativ-Großtat aber geschmacklich überzeugend, gut abgeschmeckt, der krosse Schinkenspeck sorgte für Abwechslung in der Textur, ein willkommener kleiner Happen.
2. Nun, ich möchte es mal Variation einer Taboulé nennen, etwas Couscous, etwas Mandel, etwas Safran, etwas Curcuma, dazu ein Klecks Tahinicreme. Die ganze Komposition entpuppte sich als durchaus schmackhaft, hinterließ allerdings sehr blasse Eindrücke, nicht nur optisch.
Vorspeisen
1. Wachtelbrust und –keule – 11€
2015 Chardonnay, Vin de Pays du Jardin de la France, Weingut Justin Monmousseau, Loire, Frankreich - 0,125l zu 3,10€
Das Gericht verströmte appetitliche Noten von gebratenem Geflügel und einem Hauch Majoran, optisch ansprechend arrangiert auf einer leichten Jus machte der Anblick Appetit.
Flankiert wurden die beiden Keulen und die Brust von säuerlich marinierten Sellerie Brunoise, leicht karamellisierter Walnuss und Birne, sowie ein paar Blättchen Wildkräutersalat (ich glaube es war Brunnenkresse); einige momentan ja sehr moderne Gemüsechips (hier von der roten Bete) komplettierten.
Durchaus sehr schmackhaft hatte das Gericht leider das Problem, das hier gastrotrendgeschuldet mit Temperaturen gespielt wurde, alles außer der Wachtel und dem Jus war kalt, der Teller daher nicht vorgewärmt.
Dadurch war der Jus beim Servieren nur noch lauwarm und die Wachtel nicht viel heißer, dennoch harmonierten die Komponenten ausgezeichnet, süß und salzig traf auf bitter und erdige Noten, die Nüsse und rote Beete Chips brachten den gewünschten Knuspereffekt.
Der gut gekühlte Chardonnay war meine leicht durchwachsene Wahl zu diesem Gericht, für sich genommen ein schöner Wein, seine Hauptnoten von Südfrüchten, Ananas und Banane verstanden sich aber mit der Kombination von Sellerie und Birne nicht so gut wie erhofft.
2. Rindertatar – 11€
2015 Bordeaux, Appelation Contrôlée, Haut-Médoc, Frankreich – 0,2l zu 6,50€
Eine für meine Begriffe gelungene Variante eines Tatars, nicht nach allen Regeln der Klassik was die Beigaben und Zutaten angeht, dennoch sehr beglückend.
Das Fleisch wurde auf einem kleinen Spiegel einer Karotten-Creme serviert, obenauf Kresse, und eine keck in die Höhe ragende kleine Pipette mit einer geschmacklich an Frankfurter grüne Soße erinnernden Kräuter-Emulsion. Gebackene Kapernäpfel und ein klassisches Wachtelei bildeten dann doch noch ein Zugeständnis an allgemeingültige Tatar-Traditionen.
Das hochklassige Rinderfilet wurde mit dem Messer in die für mich ideale Form gebracht, und zwar etwas grober als man es gemeinhin kennt, ich liebe es so, wenn die Fleischqualität stimmt wie in diesem Fall.
Dazu schmeckte hervorragend ein vergleichsweise fruchtbetonter Bordeaux mit gut eingebundenem Holz der zuvor bei einer vom obig erwähnten Helden-Kellner spontan kredenzten Proberunde das Rennen gegen einen regionalen Domina machte, obgleich ich die Frankenweine während meines Aufenthaltes sehr schätzen gelernt habe.
Hauptgerichte
1. Landschweinfilet – 19€
2015 Bordeaux, Appelation Contrôlée, Haut-Médoc, Frankreich – 0,1l zu 3,30€
Wie richtet man eine überaus üppige Portion filigran an, ohne, dass das Ergebnis zu gewollt ausschaut? Nun, ich denke vor dieser Frage stand auch der Koch dieses Gerichtes, ob er eine befriedigende Antwort gefunden hat möge jeder selber beurteilen, ich fand es durchaus ansprechend.
Drei hauchzart-rosa gebratene Medaillons unter einer Kräuterkruste auf Cognac-Rahmsauce und Sellerie-Püree, dazu Speckrosenkohl (in Franken ist es per Gesetz verboten, bestimmte Gemüse wie Rosenkohl oder Bohnen ohne Speck zuzubereiten!) und auf meinen Wunsch statt Drillingen Pommes dauphine, dazu eine Garnitur aus Kresse und momentan allerorten unvermeidlichen Gemüsechips!
Sicher keine Hochküche, allerdings wenn handwerklich so tadellos zubereitet auch ein kleiner Hochgenuss. Die Sauce hatte eine schöne Cognac-Note, ein ehrlicher Fond schmeckte durch, das Püree sämig ohne jeden Kleister-Ansatz, der Rosenkohl mit zartem Biss, das Fleisch saftig und aromatisch, die Kartoffeln leicht knusprig, frisch und heiß aus dem Fett kommend (ohne fettig zu sein wohlgemerkt!) nur die Kräuterkruste einen Hauch trocken und belanglos – wobei letzteres ausdrücklich unter „Jammern auf hohem Niveau“ verbucht werden darf.
Warum ich zu diesem Gericht unbedingt einen relativ schweren Bordeaux haben musste kann ich rückblickend nicht mehr genau sagen, hierzu hätte auch ein sicher nicht zu Unrecht in der Vergangenheit oft verrufener fränkischer Rotling gepasst. Dennoch funktionierte der Wein gut mit der Sauce, ich genoss jeden Bissen mit einem Schlückchen und erfreute mich am angenehmen Tischgespräch.
Meine Begleitung labte sich derweil hochzufrieden an einem Rehrücken mit Sauerkirschjus, Kürbispüree, Essigspitzkohl und Löffelspatzen. Ich durfte kosten und konnte die Zufriedenheit nachvollziehen, man möge mir das ausgelutschte Sprachbild verzeihen aber das Reh „zerging auf der Zunge“ und die Kombination von Jus, Kohl und Fleisch war denkwürdig gut.
2. Weidelammrücken – 22€
2015 Bordeaux, Appelation Contrôlée, Haut-Médoc, Frankreich – 0,2l zu 6,50€
Auf dem Teller wesentlich mehr für das Genießer-Auge als das Landschwein wusste der liebevoll arrangierte Lammrücken aus heimischer Provenienz zu bieten.
Verheißungsvoll rosa und saftig schimmernd thronte das Fleisch auf einem Bett von verschiedenen Bohnen und Selleriepüree, umspielt von einem Halbmond von Lavendel-Knoblauchjus.
Garniert wurde mit geschmacklich indifferenten und damit weitgehend überflüssigen Gemüsechips und einer aromatischen, angeschmelzten Kirschtomate. A part wurde noch eine kleine Portion Kartoffelgratin gereicht.
Konsistenz und Beschaffenheit des Fleisches lassen auf Sous Vide Garung schließen, ich hätte mir im Anschluss an diese einen Hauch mehr Röstung gewünscht, geschmacklich blieben jedoch keine Wünsche offen.
Vom Jus hätte ich gerne - um es mal auf fränkisch zu sagen - „a weng“ mehr gehabt, so himmlisch kraftvoll und rund wie er auf der Zunge daherkam, ein Gedicht.
In diesem Fall blieb ich wie schon beim Tatar beim mittlerweile „altbekannten“ Bordeaux und dieser Wein war zum Jus mit seinem handfesten Lavendel-Knoblauch-Unterbau und dem Lamm eine klassische, perfekte Begleitung.
Desserts
1. Zwetschgen Crumble – 7€
In Sachen Nachtisch hatte ich es in Franken insofern nicht leicht, dass ich normalerweise gut auf ein Dessert verzichten kann, mir meine Schwäche für Mehlspeisen allerdings den Verzicht angesichts der angebotenen sündigen Optionen oft quasi unmöglich machte.
Crumble liebe ich in allen Varianten, sei es mit Rhabarber, Äpfeln, Kirschen; die Kombination aus warmen, duftenden Streuseln mit zurückhaltend gezuckerten Früchten, dazu ein schönes Eis oder Custard und die Welt ist schön!
In der Kategorie „duftend“ hatte der Kunzmann Crumble schon einiges zu bieten, die a la minute zubereitete Portion kam glühend heiß aus dem Ofen und verströmte geradezu betörende Noten von Zimt, warmem Teig und Zwetschgen.
Dazu eine Kugel Vanilleeis guter Qualität, Mandelsplitter, Tupfen einer Sauerrahm-Creme sowie eine kleine Dekoration aus weißer Schokolade.
Alles, was ich wie oben beschrieben an einem Crumble liebe, wurde hier geboten, die Früchte waren nicht übersüßt und voller Geschmack, das Eis verstand sich mit seinem cremigem Schmelz nur zu gut mit seinem fruchtigen, heißen Mitspieler von der anderen Seite des hübschen Tellers, ein wunderbares Desssert!
2. Karthäuser Kloß – 6€
In seliger Erinnerung an meinen ersten Nachtisch bei Kunzmann konnte ich beim zweiten Mal hierbei natürlich nicht schwächeln, die fränkische Variante des „Armen Ritters“, der Karthäuser Kloß lachte mich verheißungsvoll von der Dessert-Karte an.
Und man sollte es gut mit mir meinen, es kamen gleich zwei fulminante Brocken in Tennisballgröße auf den Tisch, das Ganze auf einem Spiegel einer lauwarmen Weinschaumsauce neben heißen, leicht beschwipsten Sauerkirschen.
Dazu das schon bekannte Vanilleeis, das Halt auf etwas Kakao-Sand fand und stolz ein kreisrund ausgestochenes Stück eines Schokogitters aus Vollmilch- und weißer Schokolade trug.
Die in Zimtzucker gewälzten Klöße kamen genauso heiß und frisch zubereitet auf den Tisch wie das Crumble, der Teig war fluffig und wiederum auf den Punkt gezuckert, ein Stückchen vom Kloß mit Kirschen und der Weinschaumsauce bildete eine himmlische Kombination.
Sicher, das ist alles weit weg von Sterneküche, aber für solche Desserts kann man mich gerne Nachts wecken, Sterne sehe ich dann in einer klaren Nacht auch ohne Michelin-Weihen und habe dabei noch ein tolles Crumble vor mir – oder gar einen Karthäuser Kloß!
Fazit
Grundsolides ehrliches Handwerk regiert in der Küche, hier wird mit guten Zutaten zu frankentypisch günstigen Preisen hervorragend und mit Liebe zum Detail gekocht. Für die Küchenleistung möchte ich wegen minimaler Kritikpunkte 4,5 Sterne vergeben.
Der Service stand der Küche in Nichts nach, man war durchgehend vom Fach, präsent, aufmerksam, höflich und zuvorkommend und all dies in einer natürlichen, ungekünstelten Art, die man in gepflegter Gastronomie zumindest in meiner Region nur noch selten findet, das ist mir gerne die volle Punktzahl wert.
Das Ambiente empfand ich als angenehm und man kann es hier auch länger aushalten, aufgrund der 80er-Jahre Details u.a. in Form der schrecklichen Fliesen und einer gewissen stereotypischen Grundstimmung würde ich aber nicht über 4 Sterne hinausgehen wollen.
Das PLV empfand ich wie bereits angesprochen als überdurchschnittlich gut, auch hier 4,5 Sterne.
Wäre dieses Restaurant in meiner Nähe, würde ich sicher alle paar Wochen einmal reinschauen, hier war ich gerne zu Gast und kann es jedem bedenkenlos weiterempfehlen, der in der Gegend um Bad Kissingen Abwechslung von Schäufele und Co. sucht.