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Umso überraschter war ich im Sommer dieses Jahres, als ich entdeckte, dass sich in diesen Räumen nun ein neuer gastronomischer Betrieb niedergelassen hat. Erfreulicherweise versprachen schon die Informationen auf der Website des "Jawed's Remise" wieder etwas neue Abwechslung in der Lübecker Restaurant-Landschaft. Zentralasiatische und insbesondere afghanische Küche kann man in der Hansestadt meines Wissens nach bisher noch nicht ausprobieren. Toll, dass ich der verpassten Chance mit der "Neuen Rösterei" nun also nicht mehr hinterhertrauern musste, sondern mich auf neue kulinarische Eindrücke im Nachfolger "Jawed's Remise" freuen konnte.
Die grundlegende Gestaltung vom Vorgänger haben die neuen Betreiber weitestgehend beibehalten. Die unverputzte Backsteinfassade ist ebenso geblieben wie die ikonischen Wandkacheln und der lange, geschwungene Tresen gleich am Eingang. Dort, wo in der "Neuen Rösterei" noch die großen Regale mit allerhand Kaffeesorten gefüllt waren, präsentiert man nun einen großen Weinbestand. Auch die klaren Formen und der Verzicht auf Schnick-Schnack im Interieur gleichen dem Vorgänger. Das Sitzmobiliar ist ebenso einfach, aber in gutem Zustand. Für ein besonderes Abendrestaurant wäre die Gestaltung eventuell weniger geeignet, aber für eine Ganztags-Gastronomie mit entspannter Atmosphäre ist sie durchaus ausreichend. Allerdings hätte ich mir gewünscht, den zentralasiatischen Charakter der hier gebotenen Speisen auch in ein paar authentischen Accessoires zu verbildlichen, denn sogar noch das Schild er ehemaligen „Neuen Rösterei“ prangte über dem Tresen.
Der Innenhof wird selbstverständlich auch als Freisitz genutzt, wobei die einfachen Sitzpartien farblich in diesem historischen Ambiente gewöhnungsbedürftig erscheinen.
Mit der Bedienung war zur Zeit meines Besuches ein junger Herr vertraut. Er empfing mich ebenso freundlich, wie er mir als spontanem Gast einen Tisch anbot und mir beim Abschied sogar die Tür aufhielt.
Überzeugen konnte er mich auch mit seinem Wissen um das Speisenangebot, welches er mir bei einer wissbegierigen Frage zur Gewürzwahl bewies. Seine Leistung verdient volle Punktzahl absolut.
Das Lokal scheint sich wie erwähnt nicht klar zwischen einem klassischen Abendrestaurant und einem Lokal für den ganzen Tag entscheiden zu wollen, denn einerseits wird bereits am Morgen Frühstück in verschiedenen Variationen angeboten, andererseits gibt es aber auch eine klassische Unterteilung in Vor-, Haupt- und Nachspeise mit bis in die Abendstunden geöffneter Küche.
Während die Frühstücksvariationen dabei kontinental bzw. deutsch und damit nicht außergewöhnlich sind, hält die Karte für die weiteren Mahlzeiten des Tages viele mir bisher unbekannte Gerichte aus dem zentralasiatischen Raum bereit.
Gefüllte Teigtaschen, "Sambosa" genannt, und im Backteig gebackene Speisen namens „Pakora“ sind sicherlich noch ein Begriff. Die Hauptspeisen mit Ragouts ("Qorme") verschiedenster Zusammensetzung und "zentralasiatische Klassikern" wie „Ashak“ (Pasta gefüllt mit Porree, an Fleischragout und Joghurtsoße) oder „Shola“ (Reis mit Rinderhackbällchen in pikanter Tomatensoße und Joghurt) versprechen hingegen viele Möglichkeiten zum Ausprobieren ganz neuer Speisen.
So entschied ich mich an diesem Nachmittag für eine ebenso interessante klingende kleinere Mahlzeit: „Shorbah“ als afghanische Suppe mit Lammfleisch, Möhren, Kichererbsen und Brotwürfeln für 8,5€.
Dampfend heiß serviert in einer tiefen Schale fiel das eher als Eintopf konzipierte Gericht sofort mit den größeren Würfeln von fluffigem, hausgemachtem Brot auf dessen Oberfläche auf. Tatsächlich waren die groben Stücke zu meiner Überraschung sogar wie Croûtons geröstet und wiesen somit noch eine rösche Kruste auf, während sie gleichzeitig den Geschmack der Suppe aufsogen. Das gefiel mir bereits sehr.
Die Brühe an sich hielt mit ihrer paprizierten Würzigkeit das, was die Farbe versprach. Pikant oder scharf war sie dabei nicht, was aber auch nicht so angekündigt war. Auf meine neugierige Nachfrage offenbarte mir der freundliche Mann aus dem Service, dass auch Kreuzkümmel, Koriander und Kardamom wesentliche Gewürze dieser Speise sind. Das bestätigte sich mich auch geschmacklich absolut. Das der Koriander für mich dabei manchmal etwas zu prägnante Spitzen hatten, werte ich mehr als persönliche Vorliebe als Fehler bei der Zubereitung.
Am Boden der rötlichen verbargen sich dann die erwähnten weiteren Zutaten.
Die Kichererbsen hatten noch schönen Biss. Das Lammfleisch war natürlich nicht zart wie ein rosa gebratenes Filet, aber trotzdem keineswegs zäh und zudem geschmacklich nicht von den Gewürzen der Brühe übertüncht.
Ich war froh, diese Wahl getroffen zu haben, denn es war kulinarisch wirklich ein gelungener, abwechslungsreicher Einschlag, der bei schlechtem Abschmecken und Zubereitung sicherlich keine Freude gemacht hätte. Sehr gerne habe ich die Schale also bis zum letzten Rest ausgeschlürft.
Unterm Strich hat das "Jawed's Remise" also schon bei diesem ersten Besuch meine gespannte Vorfreude rechtfertigen können.
Das Ambiente wäre der einzige Punkt mit wirklichem Punktabzug, da etwas mehr Authentizität und eigener Charakter gerade bei dieser orientalischen Ausrichtung einfach fehlen.
Der Service bleibt mir hingegen durchweg positiv mit natürlicher Freundlichkeit und Kommunikativität in Erinnerung.
Auch mein erster Ausflug in diese kulinarische Region mit der afghanischen Suppe konnte auf gute Weise überraschen.
Nur beim Preis-Leistungs-Verhältnis kann ich für mich dabei keine volle Punktzahl vergeben, da für so eine kleinere Eintopf-Portion 8,5 € einen Tick zu hoch im Vergleich zu meinen bisherigen Erfahrungen in anderen Gastronomien angesetzt sind. Bestellen würde ich aber trotzdem gerne wieder.
Das ergibt zusammen für mich auf jeden Fall mehr als genug Gründe, um abermals einzukehren und dann auch einmal eine der ebenso spannend klingenden Hauptgerichte zu probieren.