Wir verwenden Cookies
Wenn Sie unsere Webseiten besuchen, kann Ihre Systemsoftware Informationen in Form von Cookies oder anderen Technologien von uns und unseren Partnern abrufen oder speichern, um z.B. die gewünschte Funktion der Website zu gewährleisten.
Ein Tipp der Einheimischen: zum Verein der Gartenfreunde gehören hier wohl die Lokale „Roter Rettich“ und „Weisser Rettich“ (jedoch nicht miteinander verwandt oder verschwägert, offenbar auch unter gänzlich anderer Leitung und an verschiedenen Orten). Am ersten Abend leider noch auf uns allein gestellt, machen wir uns mit Bus und zu Fuss auf den Weg, nur von Google Maps geleitet und einem vagen Bauchgefühl. Inmitten einer heimeligen Kleingartenanlage wie aus dem Bilderbuch, mit Geräteschuppen, Blumenbeeten und bunten Flaggen, finden wir tatsächlich den Roten Rettich. Alles wirkt ein bisschen wie aus der Zeit gefallen und erinnert uns an unsere Kindheit und Jugend. Unter hohen Eichen und neben dem Hauptgebäude kann man Ende April bei bereits prächtigem Hochsommerwetter auf Gartenstühlen draussen sitzen. Etwas schütter ist die Wiese unter uns allerdings noch, durchsetzt von Kieseln und Löwenzahn. Die Sonnenschirme braucht man noch nicht, aber sie stehen schon bereit. Auf jedem Tisch steht ein Pflänzlein mit rotem Klee. Das Ganze verströmt ein bisschen Campingplatz-Feeling.
Bald ist das junge Servicemädel zur Stelle und bringt die Speisekarten. Die ersten neugierigen Fragen unsererseits kann sie noch nicht beantworten und verweist schüchtern darauf, erst zwei Tage hier angestellt zu sein. Kein Problem: wir versprechen, sie in unsere Recherchen mit einzubeziehen. Die Karte erweist sich als erstaunlich umfangreich: viele Schnitzel und Fleischgerichte, ebenfalls erstaunlich viele Salatvariationen, dazu einiges an Vesper, teilweise Reminiszenzen an das letzte Jahrhundert: Toast Hawaii mit Dosenananas oder Russisch Ei. Die Preise sind human, jedoch nicht immer ganz nachvollziehbar: wieso ein Käsebrot über 10 Euro kostet, können wir nicht ganz verstehen. Aber ein grosses Schnitzel mit Salatteller für 16,70 Euro erscheint uns ganz okay. Für das Weissweinschorle wird ein regionaler Müller-Thurgau verwendet. Das Viertele für 3,40 Euro sucht seinesgleichen. Sowohl das alkfreie Hefeweizen als auch das Cola-Weizen, das wir einer Spontanbekanntschaft vom Nachbartisch spendieren, erscheinen uns mit 4,20 Euro ebenfalls günstig.
Auf Getränke und Essen müssen wir nicht allzu lange warten. Das fettglänzende, knusprig panierte Schnitzel überzeugt mit welliger Panade, ganz comme il faut und wie es sich ganz klassisch für ein Wiener Schnitzel gehört. Und stammen die paar dunklen Stellen in der Panade gar von Kürbiskern? Leider können wir es den Koch nicht fragen – und die kurz an unseren Tisch tretende Patronin scheint heute nicht ihren kommunikativen Tag zu haben. Schade. Zum Schnitzel wird ein sensationeller Salatteller gereicht, der alles hergibt, was wohl an diesem Tag auf dem Markt verfügbar war: verschiedene Blattsalate, fein gehobelte Gurke, Rettich, Möhre und rote Zwiebel, rote Beete in Würfelchen, Sprossen und Oliven, dazu Obst und Früchte jeglicher Couleur (Kiwi, Mango, Erdbeere, Himbeere, Ananas, Pflaume etc.). Die herrlich pikante Salatsauce erhält von allen Bestandteilen drumherum noch zusätzliche Aromen, das ist wirklich gelungen. Als wir der Patronin ungefragt unser Lob aussprechen wollen, meint sie nur: „Sie sind wohl nicht von hier. Wir sind hier nämlich für unser gutes Essen bekannt.“ Okay, das stimmt wohl.
Zum abschliessenden Toilettengang begeben wir uns ins Haupthaus, das innen drin sehr freundlich und gemütlich eingerichtet ist. Selbst die Toilettenräume sind individuell ausgeschmückt und liebevoll gestaltet. Die orange Farbgestaltung verweist eindeutig auf die Herkunftszeit der Anlage. Vor lauter Melancholie könnte man fast feuchte Augen bekommen. Doch noch ist unsere Konzentration gefragt, um wieder per Bus zu unserem Hotel zu finden. Der Ausflug in vergangene Zeiten war auf jeden Fall ein voller Erfolg und eine interessante kulinarische Erfahrung. Als Singener würden wir sicherlich öfter hier herkommen.