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GastroGuide-User: Huck
Huck hat Restaurant Brauhaus Müritz im Hotel Am Brauhaus in 17192 Waren (Müritz) bewertet.
vor 7 Jahren
"Sub omni canone"
Verifiziert

Geschrieben am 07.06.2017
Besucht am 23.05.2017 Besuchszeit: Abendessen 2 Personen Rechnungsbetrag: 37 EUR
Wer vom lateinkundigen Lehrer mit „sub omni canone“ bedacht wird, hat wohl dem geringsten Anspruch gespottet. Vermutlich haben Latein lernende Bengel in früheren Zeiten die korrekte Übersetzung „unter aller Richtschnur“ in „unter aller Kanone“ verballhornt.

Eine freundlichere Charakterisierung ist mir zur dieser Kritik zum Brauhaus Müritz nicht eingefallen – und wäre auch euphemistisch.

Das Brauhaus Müritz ist uns bei unserer Wanderung um den Tiefwarensee aufgefallen. Aufsteller vor dem Restaurant priesen für Dienstag und Mittwoch Räucherfischtage an. So steht es auch auf den Webseiten: „Dienstag und Mittwoch: Räucherfischtage. An diesen Tagen räuchern wir den Fisch selbst - rauchfrisch und ofenwarm auf den Teller!“

Wie jubilierte die Fischader in mir: Räucherfisch, rauchfrisch und ofenwarm! Meine Frau, weniger dem Räucherfisch zugetan, fand in der Speisekarte am Restauranteingang auch ihr Zusagendes. Also freuten wir uns auf den nächsten Dienstag.

Am 23. Mai war es dann soweit.

Eine schmuckvolle Wandmalerei mit Fenstern und Türen in 3-D-Effekten verziert die Seitenwand des zweieinhalbstöckigen, hellgrauen Hotelgebäudes an der südwestlichen Spitze des Tiefwarensees. Dem Hotelbau angegliedert ist ein rot-braun verkleideter zweistöckiger Restaurantbau. Das Restaurant breitet sich über zwei Etagen aus, in der oberen Etage schließt sich dem Restaurant eine Sonnenterrasse mit gelben Sonnenschirmen an. Die Lage in Steinwurfweite zur Eisenbahnlinie Neustrelitz-Warnemünde und zur B 192, die hier „Schweriner Damm" heißt, ist allerdings nicht so prickelnd.
Brauhaus Müritz – Restaurant
Wir wählen den Restaurantteil in der oberen Etage für unseren Besuch und bleiben  drinnen. Die Terrasse ist noch naß, da es zuvor kurzzeitig geregnet hat.

Hier oben im Restaurant herrscht Brauhausathmosphäre. Helle Holzoptik, ausladende Tische, große Fenster, die viel Licht in den Gastraum lassen.
Brauhaus Müritz – Gastraum
Die Theke paßt sich diesem Stil an.
Brauhaus Müritz – Theke
Hier sitzt man zünftig, urig, halt Bierhausambiente!

Ein junger Mann hantiert hinter der Theke. Als er uns bemerkt,  bringt er die Speisekarten an den Tisch und fragt nach Getränken. Freundlich ist er. Wir bitten um den Blick in die Karte, meine Frau möchte Wein wählen. Sein Verhalten war dann irgendwie flipperkugelartig, kaum abgeblitzt steht er schon wieder an unserem Tisch. Meine Frau bittet noch einmal um Aufschub, ich werde meinen Bierwunsch schon einmal los,
ein halber Liter Warener Original.
Bierangebot
Der offensichtlich noch übende Jungkellner läßt jetzt meiner Liebsten die Zeit für die Weinwahl. Als er  mir die Flüssignahrung aus dem Brauhaus serviert, werden wir die inzwischen getroffene Wahl unserer Speisen und meine Frau ihren Getränkewunsch los. 

Meine Angetraute hat sich für 
Zanderangebot
entschieden. Meine Wahl ist ohnehin klar.
Räucherfischangebot
Beide bitten wir um einen Beilagentausch. Beide möchten wir Bratkartoffeln statt der ausgewiesenen Beilagen. Geht problemlos, aber nicht unentgeltlich: 50 Cent pro Beilagentausch!

Den Getränkewunsch meiner Frau 
Weinangebot
in der Fünftelliter-Version nimmt der junge Mann mit auf eine Reise ins gefühlte Nirwana. Es tut sich lange, lange Zeit nichts. Der Jungkellner bedient andere wenige Gäste mit Getränken. Kein Wein in Sicht! Er verschwindet die Treppe hinunter.  Er scheint sich jetzt auf die Reise zum Schloß Ludwigshöhe in Edenkoben zu machen.

Nach gefühlter Ewigkeit taucht aus unterem Terrain plötzlich eine – sagen wir – Dame von Statur auf, hantiert am Kassencomputer, und bestätigt dann meiner Frau: „Sie bekommen noch einen Wein!?“

Dann endlich, endlich taucht der Schoppen voller „Saftigkeit, gepaart mit spritziger stahliger Säure und filigraner Frucht“, vor den Augen meiner Frau auf.

Nicht ganz so lange wie auf den Wein warten wir auf unseren Fisch, den uns die Dame serviert. 
Gebratenes Zanderfilet mit Bratkartoffeln
Schon beim Servieren sieht meine Liebste die Öllache unter den Bratkartoffeln. Die Erdäpfel strotzen vor Fett. Wegen des Fettes zeigt auch der Fisch keine Knusprigkeit, die melierte Haut ist matschig. Meine Frau würzt den Fisch nach, mit Genuß ißt sie ihn nicht. Das bunte Gemüse, bestehend aus Möhren, Broccoli und Bohnen sieht ihr nach einer Tiefkühlpackmischung aus. Es ist ungewürzt wie der Fisch. In der Salatdeko liegen Radieschen mit braünlichen Stellen, beim homo sapiens nennt man die Altersflecken. Die Salatdeko ist mit Joghurt-Dressing fingerhutvoll angespritzt.

Als  Räucherfisch „nach Angebot“ liegt eine Forelle auf meinem Teller.
Geräucherte Forelle mit Bratkartoffeln
Ich werde mit „alternative facts“ konfrontiert. Es sei hiermit in die Welt hinausgezwitschert: Der Fisch ist kalt. Von „ofenwarm“ keine Spur. Vom Geschmack her ist der gesprenkelte Wasserbewohner okay. Bei den Bratkartoffeln erlebe ich zwar abgemildert, doch ähnlich, das Leiden meiner Frau: fettig, fettig. Das Dressing für meine Salatbeilage ist wohl mit dem Jungkellner auf die Reise nach Edenkoben gegangen. Und warum sollten meine Radieschen aus einer anderen Altersgeneration wie die auf dem Teller meiner Frau stammen? Auch sie könnten dem Anschein nach Altersteilzeit in Anspruch nehmen.

Wir sind inzwischen allein im Brauhaussaal. Die sechs Gäste, die bei unserem Eintreffen an drei Tischen saßen, sind weg. Verschwunden ist aber auch unsere Dame von Statur nach dem Servieren. Wir zwei bilden eine menschliche Monokultur in dieser Gastraum-Öde. 

Unsere leeren Teller werden nicht abgeräumt. Kein Mensch fragt, ob es geschmeckt habe. Wer vermutet, daß irgendjemand während des Essens gefragt hätte, ob alles recht sei, irrt gewaltig. Unsere Gläser sind leer, keiner fragt nach weiteren Getränkewünschen.

Meine Frau fühlt sich inzwischen in die Rolle des Estragon und ich in die des Wladimir versetzt.  „Komm, wir gehen!“ – „Wir können nicht.“ – „Warum nicht?“ – „Wir warten auf Godot, äh die Kellnerin!“ – „Ah!“.

Da wir den Sinn unseres Lebens nicht darin finden wollen, auf unsere Servicedame lang, sinnlos und vergeblich zu warten, prescht meine Frau in die unteren Restaurantgefilde und findet in dieser unserer Warener Inszenierung unseren „Godot“, parlierend mit einer Kegelrunde. Ein bestimmtes „Wir möchten zahlen!“ ruft dann bei der „Service“kraft die Erinnerung an unseren Tisch wach.

Wir zahlen mit EC-Karte ohne Gebührenaufschlag, kein Trinkgeld, ein knapper Gruß, nichts wie weg.

Die Kanten an unserem Tisch sind klebrig, soviel zur Sauberkeit. Die Toiletten haben wir nicht besucht.

„Unser Brauhaus bietet eine erlebnisreiche Atmosphäre“, heißt es auf der Webseite. Wie wahr!!!
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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