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Das Haus hat seit vielen Jahren einen Michelin-Stern - und macht immer noch mittags auf. Und ich gehe gelegentlich dort speisen; dabei war ich stets zufrieden.
Daher war es für mich auch die erste Wahl, als wir einen Ort für unsere unregelmäßigen „Club-Treffen“ suchten. Unser „Genießer-Club“ ist recht klein: Es gibt genau zwei Mitglieder.
Fast immer fahre ich nach Köln, um mit meinem Kumpel einen dieser netten Tage zu verbringen. Dieses Mal brachte er jedoch das „Opfer“ und kam ins Bergische Land - mit dem Bus sogar (Linie 260 Remscheid-Köln Hbf – Fahrzeit: 1h 45 ohne Verspätung). Schließlich wollen wir auch einige gute Tropfen verkosten.
Der Mittelpunkt ist immer ein ausgiebiges Mittagessen – dann können sich ein Kulturbeitrag (Museum, Kirche, Kino, Buchhandlung, Flohmarkt etc.), ein Cafe oder eine Wirtschaft anschließen.
Ambiente
Über die schöne Villa an der Brüderstraße habe ich mich bei vorigen Berichten genügend ausgelassen. Ich finde das Haus immer noch von innen und außen sehr ansprechend.
Sauberkeit
Wie erwartet: ausgezeichnet.
Sanitär
Die Toiletten sind im Keller. Sauber auf jeden Fall; aber vielleicht der Schwachpunkt des Hauses. Eine Aufhübschung würde ich hier persönlich begrüßen.
Service
Die Chefin des Hauses Petra Heldmann und die Sommelière Elisa Piwitt machten wieder einen perfekten Job. Besonders die Getränkeberatung und lockere Art der Kellnerin möchte ich dabei erwähnen. Sie hat uns jede Frage gerne und mit Engagement beantwortet.
Die Karte(n)
Im Zentrum stehen die beiden Seiten mit dem Menü und der Weinbegleitung
» Menü Moritz Böker «
Geräucherte Regenbogen Forelle
Kohlrabi | Bärlauch | Pumpernickel
***
Bretonischer Steinbutt
Grüner Spargel | Kartoffel | Raps
***
Dry Age Short Rib
Mais | Jalapeno | Salatherz
***
Irisches Lamm
Bruchseil Spargel | Möhre | Kräutersetling
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Auswahl gereifter Käse
Weintraube | Schwarze Nüsse | Feigensenf
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Gin Tonic
Zitrone | Wachholder | Gartengurke
Mai Bowle
Waldmeister | Zitronenklee | Himbeere
***
3 Gänge 70/ 5 Gänge 90/ 7 Gänge ohne Schweinepfeffer 100 / 7 Gänge ohne Käse 110
» Weinreise «
2015er Grauburgunder - Salwey, Baden
2013er Graacher Himmelreich Riesling feinherb - Dr. Loosen, Mosel
2014er Bermersheimer Seilgarten Sylvaner - Neef-Emmich, Rheinhessen
2015er Cuvée Légère - Spätburgunder, Portugieser Dornfelder - Deutzerhof, Ahr
2015er Nero d'avola - Cantine Cellaro, Sizilien
2014er Gewürztraminer - Sonnenberg, Pfalz
2013er Zeltinger Sonnenuhr Riesling Auslese - Selbach-Oster, Mosel
Weine glasweise 0.1l und Süßweine 0.05l
2 Gläser 16 | 4 Gläser 30 | 6 Gläser 42
Die verkosteten Speisen
Wir bestellten jeweils fünf Gänge; aber durch die Kombinationen kamen alle oben aufgeführten Gerichte zu uns an den Tisch.
Bei den Getränken haben wir nicht die Weinreise verkostet, sondern aus der umfangreichen Getränkekarte gewählt. Dabei machte uns die fachkundige Sommelière perfekte Vorschläge, was die Entscheidung sehr erleichterte.
Grüße aus der Küche
Ziegenkäsepraline CousCous | Bohnen im Wachholderschinken
Marinierter Fjord-Lachs
Radieschen | Meerrettich
Dreierlei Brot | Butter | Salz
Die beiden Happen auf den Löffeln waren eine schmackhafte Einstimmung. Die Praline hatte feine Käsearomen ohne die Ziege zu sehr in den Vordergrund zu stellen – was ich stets schätze. Die grünen Bohnen mit dem Schinkenmantel waren gut gegart und der gekochte Schinken passte harmonisch dazu.
Die ordentliche Portion Lachs mit Gemüse, Gewürzen und Sud ergänzten sich gegenseitig. Es war schon ein richtig kleiner eigener Gang. Soweit war der Start schon vielversprechend.
Das frische Brot wurde stets nachgereicht und konnte uns gute Dienste zum pur verzehren und als Tunkhilfe bei Saucen leisten.
Forelle
Das Filet war sanft geräuchert. Der Kohlrabi war dünn gehobelt worden und so gedünstet, dass er sich falten ließ und so wie eine flache Rolle auf den Fisch drapiert.
Das Gemüse war aber noch bissfest – so wie ich es mag. Zwei „Schinkenblüten“ mit einem Tropfen Bärlauch-Dipp als Fruchtknoten rahmten das Bild ein. Der Pumpernickel war als Brotchip dazwischen gesteckt. Ein Blatt (getrocknete Alge?) und weitere Bärlauchpunkte komplettierten das Bild. Der Teller sah gut aus und die Komponenten schmeckten ebenfalls – alleine oder in Kombination mit den anderen Zutaten.
Steinbutt
Ich liebe es, wenn ein Fischfilet kross gebraten wird und dann innen trotzdem zart und saftig ist. Genauso war der Steinbutt. Der feine Schaum war unter dem Fisch und konnte so den Geschmack bereichern ohne das Fleisch aufzuweichen. Die Punkte waren diesmal auf Rapsbasis hergestellt und gaben weitere Impulse auf der Zunge in Verbindung mit den Hauptzutaten. Die grüne Spargelstange war perfekt gegart, hatte eine kräftige Farbe und auch noch Biss. – Soweit für mich perfekt.
Die Kartoffeln jedoch waren nicht mein Ding: Sie waren zu winzigen Würfeln geschnitten und zu einer Art Curry verarbeitet – und weich. Der Geschmack war völlig in Ordnung. Aber für mich sind Kartoffeln nur in zwei Arten optimal: Als knusprige Bratkartoffeln oder einfache Salzkartoffelstücke, die das Aroma der Sorte verraten und dann ggf. pur oder mit Sauce verputzt werden. Ich mag Gemüse-Currys sogar sehr gerne, aber alles muss noch knackig sein.
Short Rib
Der Teller sah gut aus und schmeckte meinem Freund auch. Ich war aber froh, das Gericht nicht gewählt zu haben; denn ich mag Rinderstücke, die lange weich geschmort sind meist nicht (Bäckchen, pulled beef etc.). Und dann war das Fleisch auch noch komplett in Sauce eingetaucht. Ich habe einen Bissen probiert und habe mich dann sofort meinem Lamm gewidmet.
Lamm
Die beiden Kotelett-Stücke waren genau mein Ding: ordentliche Dicke, außen knusprig innen zart und rosa. Ja! Wenn Sauce unter dem Fleisch ist, habe ich das ebenfalls sehr gerne; denn ich liebe kräftige, dunkle Jus sehr (dann kann auch das Brot am Ende gute Dienste leisten). Die Scheibe Kräuterseitling war auch buttrig aber fest in der Struktur.
Die zwei weißen Spargelstangen ließen auch keine Klagen aufkommen, weil sie prächtig gegart waren. Die Möhre kam wieder als Dipp in Punktform daher – kein Problem für mich. Erbsen sind nicht mein Ding, weil sie eher ins weiche, mehlige gegen können. Aber sie haben mich nicht gestört. Für mich als Ganzes ein wirklich toller Teller.
Käse: Selle-sur-cher, Pont-l'évêque, Munster, Stilton
Zum klassischen Menü gehört einfach Käse. In letzter Zeit habe ich diesen Gang mehrfach mit weiteren Nachspeisen übersprungen. Heute nicht – und das war gut so. Käse ist einfach mein Ding (ich esse ihn oft zu Hause). Im Restaurant will ich aber gerne den Koch arbeiten lassen – guten Käse muss man nur kaufen.
Der Ziegenkäse war dabei schon heftig und bekannte sich offen zu seiner Herkunft. Aber ein kleines Stück geht immer.
Der normannische Kuhkäse war dagegen nur ein mildes Produkt. Diese Sorte schmeckt für mich wie Brie – und den mag ich von jung bis reif. Hier war er für mich eher jung.
Munster – vor diesem Käse haben ich „Achtung“. Wenn er reif ist, dann sind seine Aromen für mich eine Herausforderung. Heute war er ein zahmer Genosse. Epoisses de Bourgogne ist mein absoluter Lieblingsweichkäse. Gut – im Restaurant kann er vielleicht andere Gäste in die Flucht treiben, aber das ist eine andere Geschichte.
Stilton ist für mich einer der besten Schimmelkäse überhaupt – daher eine große Freude für mich ihn hier zu verkosten.
Gin Tonic
Mein Genießer-Genosse wählte diese Nachspeise. Das Zitronen-Mousse gefiel ihm sehr gut. Die „Glibber-Würfel“ aus dem gestockten Gin waren nicht unbedingt sein Ding. Ich habe davon probiert und muss gestehen, dass die Geschmackskombination von Gin-Gelatine und Gurke für mich durchaus einen Reiz hatte. Das Gemüse ist ja längs bei den Nachspeisen angekommen. Ich war trotzdem mit meiner Dessert-Wahl glücklicher.
Mai Bowle
Die Waldmeister-Aromen waren deutlich als Komponente zu schmecken, was sicher so beabsichtig war. Die Bowle war als solche ein kleiner See in der Tellermitte. Das „Ufer“ darum herum bestand aus Himbeeren, Rhabarber, Erdbeere und Kerbelblättchen.
Das sah wiederum ansprechend aus und schmeckte noch besser. Die Zitronen- fand ich in der hellen, die Beeren- in der roten und die krautigen Noten in der grünen Mousse.
Alles zusammen köstlich.
Petit Fours
Auch die kleinen Abschluss-Grüße waren schmackhaft – meine Teile sogar ohne Hasel und Mandel.
Damit ging der erste Teil der „Remscheid-Reise“ auch zu Ende.
Getränke
2014er Grauer Burgunder S – Poss – Nahe (Flasche 40,00 €)
Leichte Mineralität, hintergründige Holznoten und feine Fruchtnoten machten den Burgunder zu einem guten Fischbegleiter.
2014er Crianza – Bodega Izadi (1/2 Flasche 20,00 €)
Der Tempranillo-Rioja passte mit seinen nicht zu kräftigen Holznoten besonders gut zum Lamm aber auch zum Beef.
2012er Siegerrebe Beerenauslese - Neef-Emmich – Rheinhessen (0,05 l – 9,00 €)
2013er Riesling Auslese – Selbach-Oster – Mosel (0,05 l – 9,00 €)
Beide Süßweine fanden wir passend zum Käse. Wobei uns der Riesling kräftiger als die Siegerrebe erschien. Ich bin bei Käse und Dessert absolut ein Fan der süßen Ausgaben.
Cossmann-Hehle Riesling Sekt Brut – Deutzerhof – Ahr (0,1 l – 10,00 €)
Trockene Schaumweine werden gerne zum Nachtisch gereicht und gelten auch als besonders passend. Meine Vorliebe ist es nicht. Aber ich gebe dem Sekt immer wieder eine Chance. Doch wirkliche Freunde werden Deutzerhof und ich wahrscheinlich nicht mehr (ich bin auch bei den Rotweinen aus diesem Weingut oft nicht begeistert und bevorzuge im Zweifel lieber einem Mitbewerber wie etwa Kreuzberg).
Roth Hausbrennerei - Rösrath
Marille (0,04 l – 6,00 €)
Kräuterbitter (0,04 l – 6,00 €)
Bei Heldmann gibt es in der „Schnaps-Abteilung“ erfreulicherweise immer regionale Produkte zur Auswahl. Zuletzt habe ich Frantzen-Destillate aus Remscheid probiert. Dieses Mal waren Digestifs aus Rösrath an der Reihe. Auch sie waren so gut, dass ich sie im Auge behalten werde.
Selters medium (7,00 €)
Kaffee (3,00 €)
Die Bohnen kommen auch aus Remscheid (Rösterei Rigano).
Fazit
5 – sicher wieder
Es mag sicher Leute geben, die hier Kreativität oder Innovation vermissen. Aber – muss ich darauf antworten – mir schmeckt es hier: prächtige Zutaten werden zu schönen Gerichten verarbeitet. Und der Service macht auch eine hervorragende Arbeit. Ulrich Heldmann vergleicht einen Restaurantbesuch mit einem Theaterbesuch: Eintreten und mit allen Sinnen genießen. Das Ziel wurde in meinen Augen erreicht und daher bin ich einfach voll zufrieden. Oder noch das „Bild“ des Kollegen „Tischnotizen“ aus einem Bericht: Henze- oder Verdi-Oper. Keins von beiden. Ein deutsches Singspiel. Und: Ich liebe Mozart.
(1 – sicher nicht wieder, 2 – kaum wieder, 3 – wenn es sich ergibt wieder, 4 – gerne wieder, 5 – unbedingt wieder – nach „Kuechenreise“)
Datum des Besuchs: 02.05.2017 – mittags – 2 Personen