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So sieht jemand aus, von dessen Schultern eine Last gefallen ist. In Fischers Fall ist es das ganze Hotel, dem er seit sechseinhalb Jahren vorsteht. Samt Restaurant.
Ende des Monats (Oktober 2015) stellt das Alt-Weimar den Betrieb ein. Vorerst jedenfalls. Das Haus, sagt Fischer, sei sanierungsbedürftig. Und wenn es dann eines Tages nach erfolgter Renovierung als Hotel und Restaurant wieder eröffnet werden sollte, dann wird ein anderer den Hut des Hoteliers und die Mütze des Chefkochs aufhaben.
2007 hatte Sten Fischer, der aus Erfurt stammt und sich seine Sporen auf Sylt und auf den Bermudas verdient hat, zunächst die Küche im Alt-Weimar übernommen. Das Haus selbst lag damals in Gudrun Saackes Händen. Erst 2009 übernahm Fischer den ganzen Laden.
Ende des Jahres läuft nun sein Pachtvertrag mit Udo A. Böttcher und Bernhard Wingking aus – ohne dass er ihn verlängern wird. Von den Eigentümern weiß Fischer, dass sie das Alt-Weimar verkaufen wollen.
Wer in der Gastronomie arbeitet und Verantwortung trägt für zeitweise bis zu 14 Mitarbeiter, hat eine 75-Stunden-Arbeitswoche. Nein, natürlich nicht nur eine: Ein Großteil des Jahres sieht so aus. Und jeder einzelne Tag ist zerrissen in Vormittags- und Abendphasen. Familienleben lässt sich unter den Umständen nicht praktizieren. Fischer aber ist seine Familie wichtig. Seine Töchter sind zwei und fünf Jahre alt. Er will sie aufwachsen sehen – statt sich den Kopf darüber zerbrechen zu müssen, wie ein solcher Betrieb auf dem Niveau, das er sich vorstellt, unter Verzicht auf Saisonkräfte zu halten ist. Allein die Einführung des Mindestlohns habe jährlich ein Loch von 25.000 Euro gerissen.
Würde Weimar das ganze Jahr von Touristen bestürmt, ließe sich das verkraften. Aber die Stadt ist ein Saison-Magnet.
In ein paar Monaten wird Fischer 40. Ein guter Zeitpunkt, das Ruder im Leben nochmal rumzureißen. Die Auszeit muss man sich leisten können, vor allem aber muss man sie wollen. Seine Meriten als Koch hat sich Fischer längst verdient. Wie es nach der kreativen Pause weitergeht, darüber will er entscheiden, wenn er mitten in ihr drin steckt. „Es gibt Angebote aus der Wirtschaft und es gibt Angebote für eine Selbständigkeit.“ Nichts innerhalb von Weimar, nichts außerhalb von Thüringen. Ganz wichtig: „Die Familie entscheidet mit.“
Aktuell hat Sten Fischer neun Mitarbeiter. Er ist sicher: „Keiner von ihnen muss zum Arbeitsamt.“ Kaum eine Branche lechzt so nach gut eingearbeiteten Fachleuten wie die Gastronomie. Fischer ist es ein Anliegen, danke zu sagen „für eine bewegende Zeit“, in der er immer wieder mal zu so etwas wie dem kulinarischen Botschafter Thüringens berufen wurde: 2012 war er Teil einer Delegation der Thüringer Landesregierung in Russland.
Und alle anderen Jahre hindurch durfte er die Thüringer Spitzengastronomie auf der Internationalen Tourismus-Börse repräsentieren.
Sein Dank richtet sich an Gäste, Mitarbeiter, Freunde, Geschäftspartner – mit wem man es eben zu tun bekommt, wenn man ein mit 17 Zimmern und 35 Restaurantplätzen kleines, aber wichtiges Haus leitet.
Unten im Weinkeller lagern noch um die tausend Flaschen. Die will der Noch-Hausherr am 1. November unters Volk bringen, wahrscheinlich bei einer kleinen Versteigerung. Und nun huscht wieder ein Schub von Erleichterung über sein Gesicht. Wenn er die dekorativen Magnumflaschen Schampus überm Bartresen nicht schon vor Jahren geköpft hätte, würde Fischer spätestens jetzt den Sabriersäbel ansetzen.
Sabine Brandt / 15.10.15 / TLZ
http://www.tlz.de/startseite/detail/-/specific/Spitzenkoch-kehrt-Traditionshaus-Alt-Weimar-den-Ruecken-1652510142