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GastroGuide-User: marcO74
marcO74 hat Die Küche - Jungbusch in 68159 Mannheim bewertet.
vor 5 Jahren
"Hier war nur der „Roof“ top – auf den Tellern regierte hingegen trendig-urbane Durchschnittskost, die wohl eher den risikoscheuen Redundanzesser erfreut"

Geschrieben am 28.04.2019 | Aktualisiert am 28.04.2019
Besucht am 02.03.2019 Besuchszeit: Abendessen 4 Personen Rechnungsbetrag: 168 EUR
Es war ein kühler Samstag Anfang März und im Mannheimer Luisenpark leuchtete der Winter. Ein spontaner Trip nach „Monnem“ führte uns zusammen mit unseren Freunden (und ihrer kleinen Tochter) in die größte Parkanlage der Quadratestadt. Es war der vorletzte Tag der Veranstaltung „Winterlichter 2019“, die unseren Parkbesuch zu einem ganz besonderen Erlebnis machte. Dafür verzichteten wir sogar auf den geplanten Rundgang durchs Collini-Center mit anschließender Karl Schmucker-Ausstellung zum Thema „Brutalismus – Alles nur Sichtbeton?“.

Unsere Freunde hatten schon im Vorfeld einen Tisch für 5 Personen im Dachgeschoss des Musikparks, dem 2004 gegründeten, ersten Start-Up-Center für die deutsche Musikbranche, reserviert. Im Rooftop-Restaurant des Existenzgründungszentrums sollte uns laut deren Homepage „feines Urban-Cooking“ mit bester Aussicht erwarten. Der Ort gemahnte mich zwar an weniger erbauliche Zeiten meines Privatlebens, aber diese waren ja Gott sei Dank schon eine Weile her. Also warum nicht mal wieder das höchstgelegene Hafenrestaurant Mannheims besuchen?

Die Küche befindet sich im Mannheimer Stadtteil Jungbusch. Früher ein eher heruntergekommener Stadtbezirk mit hoher Sozialproblematik, gilt er heute als Multi-Kulti-Viertel mit Wachstumspotenzial. Da hat die ebenfalls in der Hafenstraße beheimatete Popakademie, die früher so manch bekannten „Sohn“ der Quadratestadt als Gastdozenten duldete, sicher auch ihren Anteil zur Aufwertung des Viertels beigetragen.

Unser Auto stellten wir ganz ungeniert direkt neben dem Gebäudekomplex ab. Der Open-Air-Club „Hafen 49“, Mannheims „durchgeknalltester Hideout“ bzw. „urbaner Wahnsinn in Reinform“ (laut deren Facebookseite) mit Sonnendeck und Electrobeats, befand sich ja noch im offline-Modus äh Winterschlaf. Wir also rein in den Aufzug und hoch in den 5. Stock. Dort war schon richtig was los. Ein bunter Klientelmix sorgte für belegte Tische und leider auch einen erhöhten Geräuschpegel.

Gut, dass wir im Vorfeld reserviert hatten. An einer längeren Tafel, die aus mehreren zusammengeschobenen Holztischen bestand, wurden wir von einer der vielen jungen, stets gut aufgelegten Servicekräfte platziert. Mein Blick fiel gleich auf den offenen Teil der Küche mit angeschlossenem Tresen. Dort wurde eifrig gewokt und gebrutzelt. Die hauptsächliche Küchenarbeit fand jedoch dahinter, in einem nicht einsehbaren, separaten Raum statt.

So wuselig es hinter dem Ausschanktresen zuging, so ausgelassen war auch die Stimmung im Raum. Unsere Tischgespräche bedurften schon einer gewissen Anstrengung. Trotzdem fühlten wir uns hier nicht unwohl, was in erster Linie der angenehmen Beleuchtung geschuldet war. Auch die Einrichtung des Ladens erleichtert uns das Ankommen. Retro-Chic meets urban-chabby: 70er Jahre Kugelleuchten, dezente Deckenspots und Lichttüten auf den derben Holztischen sorgten für ein stimmungsvolles Ambiente.

Alles ziemlich „casual“ halt, da passte natürlich auch das im Einmachglas aufbewahrte Besteck zur im Klemmbrett gereichten Speisenkarte wie der Zotteldutt zur Hornbrille der Mannheimer Dauerhipster um uns herum. Die Kola mit germanischem „K“ hörte selbstverständlich auf den Vornamen „Fritz“. Das Bier von der Privatbrauerei Welde stammte aus der Region, genauer gesagt aus dem kurpfälzischen, südöstlich von Mannheim gelegenen Örtchen Plankstadt. Natürlich stand auch eine respektable Aperitif- und Cocktail-Auswahl bereit, um sich in die lässig-coole „Küchenlandschaft“ adäquat einzugrooven.

Nach Durchsicht der auf zwei Seiten beschränkten Abendkarte war mir schon klar, dass man hier jedem Geschmack Rechnung tragen wollte, was natürlich zu Lasten einer eindeutigen kulinarischen Handschrift ging. Grundsätzlich habe ich nichts gegen Crossover-Küche, aber ein roter Faden sollte schon vorhanden sein. So kam mir die bunte Speisenpallette eher wie ein willkürlich zusammengebastelter Food-Mix aus verschiedensten Regionen der Erde vor.

Indische Linsensuppe, Rote Bete Hummus, Miso Pot, Pfälzer Pasta, Asia Burger, Schweinebäckchen und Chicken Tikka Masala standen da so einträchtig nebeneinander, als hätte die World Cuisine das 5.Stockwerk eines Mannheimer Hafengebäudes zu ihrem Epizentrum erklärt.
Also gut, probieren geht ja bekanntlich über lamentieren. Wir bestellten dann mal munter drauflos, um uns ein möglichst breites Bild von der Kulinarik des Ladens zu machen. Das komplette Vorspeisenprogramm orderten wir als „Tapas-Variation“ (16,90 Euro) zum Teilen. Ein Lillet Wildberry (7,50 Euro), ein Welde IPA (0,33l für 4,80 Euro), eine Flasche Vöslauer Mineralwasser (0,75l für 6 Euro), eine Fritz-Orangenlimo (0,2l für 2,70 Euro) und ein Pernod mit Eis (und Wasser) machten den Anfang. Später gesellte sich noch eine Flasche Grüner Veltliner namens „Aufwind“ (28 Euro) vom Bad Dürkheimer Weingut Hensel dazu.

Der gemischte Tapas-Teller war mit einer abwechslungsreichen Auswahl an vornehmlich kalten Antipasti belegt. In der Mitte befand sich ein Schälchen mit Hummus. Die rot gefärbte Sesam-Kichererbsen-Paste wurde von gerösteten Sesamkörnern und Olivenöl geschmacklich etwas aufgewertet, blieb aber – ganz entgegen ihrer Farbe – im Vergleich mit orientalischen Vertretern der Gattung Fladenbrotaufstrich ziemlich blass. Die fehlte es doch deutlich an so entscheidenden „Geschmacksboostern“ wie Knoblauch oder Kreuzkümmel.

Die in Orangenöl marinierten Oliven überließ ich gerne meinen Tischkollegen. Bei dem Häuflein gebratener Zucchini bzw. Paprika, das in der Karte als „gebratenes winterliches (?) Gemüse“ angepriesen wurde, hatte man es mit der Dreingabe von Öl etwas übertrieben. Die mit Parmesankäse gratinierten Kürbisspalten wurden am Tisch gelobt. Auch der Parmaschinken und der mit Basilikumpesto und Cocktailtomaten garnierte Büffelmozzarella hatten anständige Qualitäten vorzuweisen. Insgesamt ein netter Einstieg, der keine großen geschmacklichen Ausreißer nach oben und nach unten implizierte.

Unsere Freunde hatten das Chicken Tikka Masala (15,50 Euro) und den Miso Pot (13,50 Euro) gebucht, während wir uns für die gebackene Aubergine (15,90 Euro) und das Entrecôte von der deutschen Färse (23,90 Euro) entschieden hatten. Dem indischen Hähnchenklassiker fehlte es eindeutig an Wumms. Die zusammen mit Duftreis servierte Bowl war leider allzu deutlich auf den deutschen Gaumen gemünzt und kam entsprechend entschärft auf den Tisch. Auch der Miso-Man neben mir hätte sich bei seinem mit Weizen-Pasta, Pak-Choi, Sprossen, Koriander und Sojabrühe gefüllten Pot sicher nicht über eine beherztere Asia-Würze beschwert. Handwerklich war jedoch beides solide zubereitet. Schade nur, dass das große Kino am Gaumen ausblieb.

Bei meiner als Zwischengang bestellten Linsensuppe (8,50 Euro) war wohl das Garam Masala ausgegangen. Ich dachte wehmütig an die letzten Sommer im Berliner Restaurant „Zaika“ genossene, ebenfalls auf Basis roter Linsen hergestellte Dal und war doch ein wenig enttäuscht. Trotz frischem Koriander on top ließ das feinpürierte Süppchen geschmacklich doch sehr zu wünschen übrig und leider auch jegliche indische Schärfe vermissen. Aromatisch betrachtet erschien mir der nahe Osten ferner denn je.

Hübsch anzusehen, aber auf der Zunge ebenfalls zu sehr auf Mainstream getrimmt, geriet der recht übersichtlich angelegte Hauptgang von der gebackenen Aubergine, die von leicht angeröstetem Blumenkohl, mehreren Klecksen Fetacrème sowie ein paar roten Granatapfeltupfern flankiert wurde, zum kleinsten gemeinsamen Geschmacksnenner für den eingefleischten Redundanzvegetarier. Meine Verlobte genoss ihn trotzdem, auch wenn die ein oder andere Aubergine mehr den stolzen Preis von fast 16 Euro eher gerechtfertigt hätte.

Zu meinem Entrecôte wurde das passende Schneidewerkzeug von Laguiole gereicht. Das schön durchwachsene Zwischenrippenstück (gut gewollte 230 g) mit charakteristischem Fettauge überzeugte mit kräftigem Fleischgeschmack und dem perfekten Gargrad, der wie gewünscht medium-rare ausfiel. Das marmorierte Stück Rind lag auf einem Bett aus Fregola-Pasta, die das klassische Risotto ersetzen sollte. Genauso wie ein Risotto waren die sardischen Kugelnudeln nämlich auch zubereitet. Auch hier hielt man sich mit dem Würzen eher zurück und überließ den Gaumenkitzel lieber den crunchigen Parmesanchips und der dunklen Jus, die das Ensemble stimmig komplettierten. Ein guter Hauptgang zweifellos, der mit mehr Schmackes sogar das Zeug zum glücklich machenden Soulfood gehabt hätte. Dazu hätte es nur ein wenig mehr Risikobereitschaft beim Abschmecken bedurft. In der Summe hat das aber gepasst, zumal ich die Fregola-Kügelchen auf meinen Reisen nach Sardinien in Kombination mit Meeresfrüchten kennen und schätzen gelernt habe.

Auch lobenswert: der „grüne“ Weiße von Hensel, der nach Apfel oder Aprikose oder Birne oder was weiß ich nicht alles roch. Ein eleganter und gleichzeitig fülliger Weißwein, der zudem mit sehr angenehmer Säure ausgestattet war.

Fazit:
In der Küche im Jungbusch möchte man es kulinarisch jedem Gast recht machen und zollt mit einer breit aufgestellten Auswahl an Speisen den unterschiedlichsten Geschmäckern und Küchentrends Tribut. Leider kratzt man hier - was die Aromentiefe betrifft - nur an der Oberfläche. Überraschende Gaumenerlebnisse haben wir genauso vermisst wie eine klare Handschrift des Küchenchefs. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist in Anbetracht der verarbeiteten Produkte und ihrer recht unspektakulären Darbietung als etwas zu hoch einzuordnen, was sich aber mit äußeren Standortfaktoren wie Hafenflair, Jungbuschfeeling und Industrieromantik erklären lässt. Egal, dem Hipster aus der urbanen Mittelschicht wird es hier genauso gefallen wie dem Dozenten von der benachbarten Popakademie. Denn jede Subkultur sehnt sich ab und zu nach Mainstream. Im Dachgeschoss der Hafenstraße hat man dafür sogar den passenden Ausblick.
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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