Zurück zu Biorestaurant Rose
GastroGuide-User: Minitar
Minitar hat Biorestaurant Rose in 72534 Hayingen bewertet.
vor 5 Jahren
"Rose is a rose is a rose is a rose"
Verifiziert

Geschrieben am 09.04.2019 | Aktualisiert am 09.04.2019
Besucht am 06.04.2019 Besuchszeit: Abendessen 2 Personen Rechnungsbetrag: 111 EUR
Ein Besuch in der Rose in Hayingen-Ehestetten steht seit mehreren Jahren ganz oben auf meiner Wunschliste. Wieso soll man es sich nicht einfach mal mittendrin gönnen, an einem unspektakulären Wochenende zwischen Weihnachten und Ostern, zwischen Dienstjubiläum und rundem Geburtstag, zwischen Hochzeitstag und grossen Ferien? Ein Aufenthalt auf der Schwäbischen Alb bietet immer genügend Aktivitäten, dieses Mal ist es ein Besuch auf der keltischen Heuneburg und ein Vaterunser im Zwiefaltener Münster. Weitere Anregungen hat bereits carpe.diem gegeben.

Ehestetten selbst ist ein eher verschlafenes, vollkommen unspektakuläres Dorf ohne besondere Reize. Das Bio-Hotel Rose samt Restaurant dürfte die Hauptattraktion des Ortes sein. Wer hier eine malerische (Aussichts-)Lage vermutet, wird herb enttäuscht werden. Dies nur zur Einstimmung für alle Genusspilgerer. Zur Geschichte der Rose und der überaus engagierten Familie Tress hat sich bereits carpe.diem umfassend geäussert. Mir ist das Tress´sche Angebot von zahlreichen Messen, wie der SlowFood-Messe in Stuttgart, sowie den Schwärmereien Tübinger Freunde bekannt. Und obwohl sonst ein absoluter Suppenkasper, bin ich grosser Fan der Suppen der Rose-Biomanufaktur und der Küchenbrüder.

Zurück zu meinem Besuch. Das Hotelzimmer spontan am frühen Samstagmorgen gebucht, die Tischreservierung erst am späten Vormittag per Telefon nachgeholt. Während andernorts in geschäftigem Ton ein „Geht in Ordnung“ ertönt, verkündet hier die freundliche Dame am Telefon sehr herzlich und vollkommen glaubwürdig: „Wir freuen uns!“ Na, die (Vor-)Freude liegt ganz bei mir! Als wir abends just in time eintreffen, hat man das Gefühl, die halbe Belegschaft hätte uns schon erwartet. Die Begrüssung ist offen, freundschaftlich, wohlwollend, ohne dass irgendwo Anbiederung oder Routine durchdringen würden.  Man fühlt sich tatsächlich rundum willkommen.

Zum Essen lassen wir uns Zeit – weit über die offizielle Küchenöffnung von 21 Uhr hinaus. Das scheint auch kein Problem zu sein. Zum Durstlöschen erst mal eine Flasche Viva con Aqua (5,90 Euro), das es in den Ausprägungen Laut und Leise gibt. Kleiner Seitenschlenker schon an dieser Stelle: hier agiert man rundherum so stimmig und authentisch, dass man sowohl im Restaurant als auch im Hotel sogar das Klopapier der Wasserinitiative Viva con Aqua vorhält. (Goldeimer Klopapier ist das erste soziale Klopapier Deutschlands. Jeder Kauf unterstützt die Arbeit der Initiative und den Bau von Toiletten weltweit). Als Aperitif wählen wir einen Winzersekt vom Weissburgunder für 5,90 Euro (spritzig, erfrischend und ein bisschen aufputschend), sowie einen ganz erstaunlichen Pflaumencocktail für 6,90 Euro (aromatisch, leicht herb, sämig-fruchtig). Das Studium der Weinkarte macht es einem nicht leicht. Nach langer Diskussion entscheiden wir uns für Big Ben. Dahinter steckt der Junior Benedikt des Weinguts Schmalzried aus Korb. Die Cuvee aus Cabernet Franc, Cabernet Sauvignon, Samtrot, Syrah und Zweigelt  ist rund, schwer, dicht und haut dermassen rein, dass wir uns sehr schnell schon eine zweite Flasche Viva con Aqua bestellen müssen.

Bei den Speisen erfreut uns erst mal ein urig-erdiges Amuse Gueule mit bissfestes gelber Beete und kräftiger Möhre in zweierlei Aggregatzuständen. Dazu wird Brot aus dem eigenen Backhaus und eine sensationelle Bärlauchbutter gereicht. Schwer, sich für einen Hauptgang zu entscheiden. In die engere Wahl kommen: einerseits Braten und Ragout vom Hohensteiner Demeter-Lamm mit Staudensellerie, Pesto von getrockneten Tomaten und Graupen-Risotto (23,90 Euro), andererseits gebratene Leber vom Bioland-Hirsch mit glasierten Äpfeln, Karotten-Lauchgemüse und Rosmarin-Bratkartoffeln (21,90 Euro). Letztendlich verlässt mich doch der Mut und obwohl Leber-Fan, kann ich mir die vom Rothirsch schlecht vorstellen. Also bleibe ich doch eher auf der sicheren Seite. Das Lammfleisch wurde, wie man uns versichert, zwei Stunden lang bei 130 Grad gegart und ist so butterweich, dass man es fast „schlotzen“ könnte (wie der Schwabe sagen würde). Man könnte sich direkt einbilden, noch die Gräser und Kräuter herauszuschmecken, die das Lamm einst als Futter hatte. Das Gemüse dagegen mutet kernig-würzig an. Nicht weniger intensiv ist das sogenannte Suppen-Probiererle (für unglaubliche 6,90 Euro): eine Trilogie von tief aromatischer Selleriesuppe, leichter Kartoffelsuppe mit schaumigen Sahnehäubchen und erdiger Möhrensuppe, der Ingwer eine leichte Zitronennote gibt. Der Salatteller mit Grissini (6,90 Euro) ist vielseitig, vereint verschiedene Konsistenzen, Farben, Geschmackserlebnisse: leichte Blattsalate, knackige Sprossen, geraspelte Möhren- und Sellereischeiben, etwas Linsen und getrocknete Tomate. Einziges Manko für mich: der Kartoffelsalat ist zu fest geraten, hat nicht die sonst für die schwäbische Küche so typische Schlonzigkeit.

Zwischendrin zeigt sich der gut gelaunte Koch Simon Tress, ist offen für Fragen und anerkennende Worte. Und zum Abschluss müssen wir noch einmal seinen Bruder Daniel mit einer Auswahl an Digestiven bemühen. In einem Drahtkorb präsentiert er am Tisch ein halbes Dutzend Flaschen – vom Tresterbrand bis zum Palmischbirnenbrand. Wir wählen letzteren (4,30 Euro): schmeckt fruchtig-duftig und schafft schon etwas Platz für das Frühstück am nächsten Morgen. Das Büffet bietet einen tollen Querschnitt durch die Köstlichkeiten der Region. Sensationell: eine Schwarzwurst, wie ich sie seit meiner Kindheit nicht mehr gegessen habe.  Auch fein: das Birchermüsli mit ganzem Korn. Nur der WMF Kaffee-Vollautomat hat an diesem Morgen seine Schwierigkeiten mit dem Sensor und der Mengendosierung. So stolpern wir alle mit gehörigem Herzbumpern in den neuen Tag. Das kann aber auch von einem tiefen Glücksgefühl herrühren.
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
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Preis/Leistung


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