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GastroGuide-User: DerBorgfelder
DerBorgfelder hat Se7en Oceans · Gourmetrestaurant · Europa Passage · 2.OG in 20095 Hamburg bewertet.
vor 10 Jahren
"Solide Mittagsleistung von Gourmet-Küche und Service. Gutes PLV."

Geschrieben am 21.01.2015
Besucht am 10.01.2015
Warnung: Das Lesen dieser Kritik kann zu Zeitverlust führen!

Bei Sturmwarnung auf die Bahn zu vertrauen, ist nicht völlig risikolos. Aber eine Einladung zum Geschäftsessen im Restaurant mit Stern lehnt man auch nicht leichtfertig ab.

Das Se7en Oceans liegt etwas ungewöhnlich für die Spitzengastronomie in einer Shopping-Mall, genauer am Kopf der Europapassage. Abgeschirmt durch (Sushi-)Bar und Weinbistro geht der schöne Blick aus dem Restaurant im 2. Stock auf den Jungfernstieg und über die an diesem Tage aufgepeitschte Binnenalster.
Hinter der gewöhnungsbedürftigen Glasschiebetür dominiert schlichte Eleganz in warmen Tönen. Dunkelbraunes Parkett, braun und pastellgrün die für einen Mittagsbesuch noch hinreichend bequemen Stühle. Ein Blickfang die dunkle Wand mit großen, abgesteppten Lederpolstern, in deren Mitte ein großes Logo eingebettet ist. Die Tische weiß eingedeckt, zurückhaltend möbliert, auch Porzellan, Glas und Besteck von schlichter Eleganz. Schon "gemütlich", aber doch mit einem deutlichen Business-Chic. Die Tische, von den Sonnabendmittag nur drei weitere besetzt waren, könnten noch etwas großzügiger gestellt sein. Immerhin wurden Gespräche am Nebentisch von Klaviermusik vom Band weitgehend gedämpft. Allerdings ging mir das immer gleiche süßliche Pop-Geklimper zum Schluss gehörig auf die Nerven. Alles Geschmacksache...
Sehr erfreulich die Toiletten. Auch elegant, Boden und Wände deckenhoch mit großen dunkelgrauen Steinfliesen. Weiße Fugen. Edle Armaturen und frischer Geruch. Nur die Recycling-Papiertücher lassen stutzen.

Ich wurde freundlich an der Glastür von Maitrê Marvin Szikorra empfangen, die Garderobe abgenommen. Er führt mich zum Tisch und wird uns mit der Unterstützung von ein bis zwei Obern die nächsten 2:45 Stunden begleiten. Da die anderen Teilnehmer bereits anwesend sind, gibt es schon Wasser.

Exkurs:
Von der Rechnung hab ich wenig gesehen, aber an die 9,80 Euro für's Wasser erinnere ich mich deutlich.
Egal, ob 1 Liter oder 0,75l (wonach es aussah): Ich schreib's an jede Wand: Ich mach das nicht mehr mit! Quersubventionierung gut und schön, aber irgendeinen wirtschaftlichen Bezug müssen Produkt und Preis noch haben.
Ich glaube, ich werde mal den MWI (Menü-Wasser-Index) einführen. Durchschnittlicher Preis pro Gang im Menü im Verhältnis zum Literpreis. Wo sollte der denn nach eurer Meinung liegen? Ich denke, bei 2. Ab 1,5 beginnt Frechheit und unter 1 ist das Etablissement unter Intonieren von Schmähgesängen sofort zu verlassen. Ende.

Der Service ist freundlich, höflich und aufmerksam. Es wird eine kleine Karte aus weißem Karton mit dem Mittagsmenue geöffnet überreicht. Auch aus der cremefarbenen Abendkarte kann frei gewählt werden. Diese ist geschickt unter einem Lacksiegel gefaltet. Keine Tagesempfehlungen, aber für meinen Gin zum Tonic wird ein Vorschlag gemacht. Dass wir vor dem Bestellen noch arbeiten wollen, ist kein Problem. Wir werden höflich darauf aufmerksam, dass die Küche um 15:00 Uhr mit den Vorbereitungen für den Abend beginnt. Die Wartezeiten sind angenehm, nur vor dem Dessert wird die große Pause eingelegt, ohne, dass das mit uns abgesprochen war. Für uns das deshalb überraschend, weil wir dadurch die Küchenzeit deutlich überzogen; sonst hätten wir früher abgefordert. Annonciert wird weitgehend vollständig, das Wasser zeitnah nachgeschenkt (kein Wunder...). Nur beim Ausheben leerer Flaschen war man nachlässig. Oder verbleiben die aus irgend welchen Gründen auf dem Tisch? Auch meine Bitte, die bei einem Dessert verwendeten roten Bananen einmal im Urzustand zu zeigen, quittierte der junge Mann nur mit einem Lachen. Schade. Die Verabschiedung war persönlich und freundlich. Mit der Garderobe wurde geholfen.

Ich entschied mich für den Business-Lunch in der 4-Gang-Variante mit Aal, Forelle als Zwischengang (im 3-Gang als alternatives Hauptgericht), Lamm und Schokolade für angemessene 55 Euro. Der MWI tendiert jedoch stark in Richtung Aufbruch.
Herr Szikorra suchte auf Wunsch den Wein aus und schlug zu den Fischgängen einen Rheingau-Riesling vor, Großes Gewächs mittags offen, da kann man nicht meckern. Nur nicht mein Riesling-Geschmack. Nach einem großzügigen Probeschluck und einem Wechsel an die Mosel war ich dann sehr zufrieden. Zum Lamm gab's was Gängiges, ich meine Syrah. Sorry, war abgelenkt, die Arbeit schlich immer wieder in den Genuss.

Als erste Amuses werden auf einem wohl extra dafür hergestellten oder bearbeiteten Stein(imitat?) zum einen Lachs-Sashimi mit eigenem Rogen, einem Klacks Mayonaise und, ich denke, einem Estragonblatt serviert. Weiter eine Spitztüte aus grünem Teig mit einer Zandermoussefüllung und drittens in verkorkten Mini-Reagenzgläsern eine Ingwer-Kürbissuppe. Alles drei vorzüglich! Auch die Suppe trug, was selten ist, den Ingwer im Namen zu Recht, die fruchtige Schärfe trat deutlich hervor. Die Gläser empfand ich erst als Spielerei, aber wie soll man sonst die "Menge" eines guten Esslöffels angemessen und kleckerfrei servieren?
Zweites Amuse eine Creme von geräuchertem Ziegenfrischkäse, bei der neben der leicht säuerlichen Note der Rauchgeschmack deutlich hervorkam und so dem süßlich-erdigen Aroma der roten Beete ein vorzüglicher Konterpart war. Senfsaat und Kresse hätte ich nicht gebraucht, aber trotzdem: Bravo!
Dann wurde Brot vom Silbertablett mit Zange gereicht, etwas aus dem Stil des Restaurants fallend, aber nicht störend: In Erinnerung blieb Focaccia mit wunderbarem Thymian, dabei waren noch Kartoffelbrot, Brioches, Lauge und ein dunkler Teig. Teils noch warm konnten alle überzeugen. Die dazu gereichte Nussbutter war abermals geschmacklich eindeutig, aber statt streichfähig leider "krümelig". Es wurde einmal nachgereicht.

Die Vorspeise entpuppte sich als zwei Streifen Räucher- bzw. Speckaal mit Gelee von rotem Apfel und schwarzen Nüssen. Daneben bildeten Miniparisienne vom Apfel, ein für mich leider nicht zu identifizierender Crumble und etwas Blattgrün ein farbenfrohes Potpourri. Für meinen Gaumen jedoch der schwächste Gang. Die deutlich mehr süß, als säuerlichen Komponenten gingen mit dem fetten Aalgeschmack keine positive Verbindung ein. Schade.

Die Forelle als Zwischengang konnte die Scharte auswetzen. Der warme Fisch war saftig, mit einem leicht süßlichen, aber vor allem ausdrucksstarken Eigengeschmack, der sich gut gegen das Topping wohl mit Mandel behaupten konnte. Die Begleiter Kohlrabi, Karotte und Spinat schmackhaft in fester und teils schaumiger/moussiger Form interessant. Die Variante in grüner Schwamm-Ausführung (s. Foto) war zwar nicht so trocken wie das helle Pendant im Münchener Tian, aber weiterhin gewöhnungsbedürftig. Die zugegeben tolle Optik ist mit Nachteilen für das Mundgefühl teuer erkauft. Lediglich der Meerrettichschaum war sehr (d. h. zu) zurückhaltend. Dieser Gang machte optisch am wenigsten her und überzeugte am Gaumen am meisten.

Solide und auch wieder aufwändiger präsentiert der Hauptgang. Das Lammfilet rosa, zart in Struktur und Geschmack. Daher schob sich das (gelungene) Chimichuri gelegentlich in den Vordergrund, weniger davon wäre mehr gewesen. Die Jus war gelungen, die Creme von schwarzen Oliven eher ein Fremdkörper. Aus dem Begleit-Allerlei seien die Stücke Kerbelwurzel lobend erwähnt, des kräftigen, zum Lamm passenden Geschmacks, wie auch der perfekten Garzeit wegen. Alles andere war in Ordnung.

Das abschließende Dessert brachte keine Steigerung. Ein Streifen ge- oder überbackener, recht fester Schokomasse mit Erdnüssen. Schön fluffige Baiser-Krümel, Creme von der Erdnuss und ein wunderbar cremiges mildes grünes Eis, das ich ohne Ansage für Apfel halte. Und halbierte dunkle Weintrauben. Waren wohl noch da.

Zum kräftigen heißen Espresso wurde heißes Wasser zum Verlängern nach Gusto gereicht. Weißer und brauner Zucker. Erst schien ein Praliné zu fehlen, doch mit etwas Verspätung erreichte uns eine Auswahl von Gebäck, aus denen die Macaire (Basilikum!) heraus stachen.

Fazit:
Eine klare Empfehlung. Ich hab mich im Se7en Oceans wohl gefühlt. Das Gesamtsetting ist dem Stern angemessen. Die Küche hat mich einerseits mit deutlichen Aromen eingenommen, andererseits fehlte in den Gängen zu oft der Kick. Eine "typische" Mittagsleistung? Was die weiße Brigade kann, blitzte besonders beim Amuse auf.

Vielen Dank an alle, die durchgehalten haben! Ach ja, die Rückfahrt durch den Sturm hat ein Grieche profund beschrieben: Die Odysee....
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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