Zurück zu Samoa Seepferdchen
GastroGuide-User: hbeermann
hbeermann hat Samoa Seepferdchen in 25980 Sylt bewertet.
vor 7 Jahren
"Im Reich der Meister hohler Phrasen"
Verifiziert

Geschrieben am 28.06.2017 | Aktualisiert am 28.06.2017
Besucht am 27.06.2017 Besuchszeit: Abendessen 2 Personen Rechnungsbetrag: 115 EUR
Nach den Erfahrungen des Vorjahrs hatten wir gewisse positive Erwartungen, zu Unrecht.
Unserem top ausgestatteten Haus in Kampen fehlt leider eines, ein Festnetztelefon. Ich musste also per Handy reservieren, was ich am Montag tat. Mit "wir freuen uns auf Sie" wurde uns ein Tisch für Dienstag, 17:00 Uhr im Wintergarten zugesagt. Dort sitzt man wunderschön hell und luftig neben einer Wand aus Sylter Rosen.
Wir trafen um 16:50 Uhr ein und wurden nach Blick ins Reservierungsbuch mit "wir freuen uns, dass Sie gekommen sind" begrüßt. Die meisten Gäste saßen draußen im Sylter Sonnenschein. Dort wurde uns auch ein Platz angeboten: ein Tisch , ein Stuhl, ein Standkorb, nicht ohne ein oder zwei für empathisch gehaltene Floskeln. Das war uns zu beengt, und wir wiesen auf die Zusage eines Tisches im Wintergarten hin. Der sei noch nicht eingedeckt und werde erst später geöffnet, weil die meisten in der Sonne sitzen wollten. Somit baten wir um einen Tisch im eingefassten Außenbereich mit Außenheizungen und zwei riesigen Sonnenschirmen zum Bedachen bei Regen. Dieser Bereich werde erst um 20:00 Uhr eröffnet, wurde uns beschieden. So blieb uns nur noch der Hauptgastraum. Dort war im Zuge der Gewinnmaximierung das vorhanden alte Mobiliar zusammen gerückt worden, so dass Platz für zwei Zweiertische entstanden war. Zwei Tische aus gekalktem Holz mit je zwei cremefarbenen Cocktailsesseln standen da nun, die Sessel zum Entern schräg gestellt, weil man sonst die Beine nicht unter den Tisch bekommen hätte. Einen dieser beiden Tische wählten wir notgedrungen. Das Gedeck war in Ordnung mit senkrecht stehen Vliesservietten mit Seepferdchenaufdruck, dreieckig gefaltet.
Der Hauptgastraum
Eine junge Dame, die man wohl, wie die meisten im Service, dem Hipster-Milieu zuordnen kann, reichte uns die Speise- und Weinkarten und fragte die Getränkewünsche ab. Das ist ja bekanntermaßen für uns kein Problem. Die beiden Gläser Champagner Alfred Gratien für 11,50/0,1l kamen in schönen Gläsern und gut gekühlt sehr zügig. Eine Flasche Syltquelle classic zu 6,50/0,75l hatten wir auch noch bestellt. Sie kam kalt, aber ohne Kühler, serviert von einem jungen Mann. Nach gefühlten 30 Sekunden stand die junge Dame wieder vor unserem Tisch wegen der Essensbestellung. Mit "Sie suchen noch" drehte sie aber widerstandsarm ab. Nach weiteren fünf Minuten traf uns erneut ihr fragender Blick. Blattsalat und Tuna-Tatar als Vorspeisen, halbe Ente und Garnelenpfanne sollten es sein. Dann tat sich erst einmal nichts. Gegen 17:30 kam die junge Dame wieder und fragte, ob es los gehen solle. Es sollte. Nun war der Hauptgastraum gut gefüllt, und der Außenbereich, in dem wir gern untergekommen wären, wurde mit der ersten Familie belegt. Schade - wir hätten uns gern einen halbe Stunde mit einem Glas Champagner in die Dünen verkrümelt, wenn das Hipstervolk nicht so unflexibel gewesen wäre. Der blondmähnige Servicemann, der uns platziert hatte, wurde von meiner Frau darauf hingewiesen, dass es aber sehr schnell 20:00 Uhr geworden sei. Ja, so sei es, kam als Antwort. Da fühlt man sich rechtschaffen verklapst.
Als Amuse gueule kamen fünf Scheiben eines sehr guten Weißbrotes mit einem Napf Paprikabutter im Korb. Der Eindruck der Massenabfertigung verdichtet sich. Meine Frau orderte ein Glas Pfälzer Spatburgunder (6,80 für 0,2l). Er war trinkbar. Als Autofahrer hatte ich hier eindeutig den Kürzeren gezogen, kein Secco, kein Tomatensaft. Somit nahm ich ein Glas Granini-Orangensaft für 3,20/0,2 l, das mit Eiswürfeln kam. Die Frage nach einem Secco wurde von der jungen Dame damit beantwortet, man habe Prosecco. Da fehlt es einfach an Erfahrung, wenn man nur angelernt und noch so jung ist.

Der Salat meiner Frau (8,50) war leider nicht frisch zubereitet (Schnittkanten braun) und nicht sorgfältig geschnitten/gezupft (viele Strünke). Schlimmer war es, dass der "Blattsalat" mit Paprika verunreinigt war. Dafür war die Menge gewaltig und die Himbeervinaigrette ausgezeichnet. Da meine Frau Paprika, ebenso wie Pilze zu den geschmacksabgebenden Verseuchungsmitteln zählt, war klar, dass ich den Großteil Ihres Salates würde vertilgen müssen. Mein Tuna-Tatar, zum Zylinder geformt, bedeckt mit milder Wasabi-Creme, Kräuter-Sprossen-Topping, Sahnemerretichcreme und Himbermark (16,50)  war weitgehend untadelig und harmonisch. Nur die glattblättrige Petersilie erschlug alles und musste abgesammelt werden. Abserviert wurde von unserer nun dritten Servicekraft, ebenso jung und bärtig, mit der Frage, ob es geschmeckt habe. Meinen Einwand, dass Paprika nicht zu den Blattsalaten zähle, nahm er leidenschaftslos zur Kenntnis.
Tuna Tatar
Recht schnell folgten unsere Hauptgerichte. Meine Black-Tiger-Garnelen (28,00) kamen in einer Schmiedepfanne mit voller Stiellänge. Eigentlich gibt es zum Servieren ja solche mit eingerolltem Stiel. Der Ententeller (22,50) meiner Frau war übervoll, so dass meine Frau mutmaßte, das Tier sei in der Soße ertrunken. Naja, wenn die Tische klein sind, müssen die Teller es auch sein.  Das Gratin wurde separat geliefert. Man wusste nur nicht, wo man einen Löffel davon auf dem Teller unterbringen sollte. Vor den hohen Temperaturen der Behältnisse wurde gewarnt.
halbe Ente
Kartoffelgratin
Die Ente meiner Frau hatte eine knusprige Haut (das wichtigste für sie). Die Keule hatte noch Spuren von Saft in sich, die Brust war staubtrocken. Der Rotkohl wer einfach schlecht, stumpf und mit matschigen Kirschen angereichert. Wenn man jedes Jahr von der Weihnachtsgans noch den Geschmack des Rotkohls von Sternekoch Ekkehard Reimann auf der Zunge hat, fällt ein solches Manko besonders auf. Das Kartoffelgratin war in Ordnung, nur eben nicht passend zu Ente und Rotkohl. Dazu gehören einfach Klöße.
Garnelenpfanne1
Garnelenpfanne2
Garnelen nah
Meine Garnelen waren reichlich bemessen und gut gebraten und verbargen sich unter einer dicken Schicht Schmorgemüse (Zwiebeln, Zucchini, Paprika, Tomaten), das noch gut Biss hatte. Direkt aus einer übervollen 20-CM-Eisenpfanne zu essen, behagt mir nicht sehr. Ein Vorlagenbesteck und ein separater Teller wären besser gewesen. Von dem aufliegenden gerösteten Knoblauchbrot aß ich aus sozialen Gründen nur ein halbe Scheibe.  Den Gemüseberg bewältigte ich wegen der umfangreichen Vorspeisen auch nur zur Hälfte.
Unser Zahlungswunsch wurde umgehend umgesetzt. Die Zahlung mit nur magerem Trinkgeld erfolgte per EC-Karte mit Unterschrift. Die Rechnung war ordentlich.
 
Wir verließen gegen 18:35 leicht verschnupft das Restaurant und trauerten der erfahrenen, fleißigen untätowierten Servicekraft des Vorjahres hinterher, die uns den Aufenthalt so angenehm gemacht hatte. In diesem Jahr war der gesamte Service einfach nur unpersönlich und bar jeder Herzlichkeit, angereichert mit Standardfloskeln.
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


kgsbus und 23 andere finden diese Bewertung hilfreich.

kgsbus und 23 andere finden diese Bewertung gut geschrieben.