Zurück zu Délice La Brasserie · Hotel Sofitel Bayerpost
GastroGuide-User: DerBorgfelder
DerBorgfelder hat Délice La Brasserie · Hotel Sofitel Bayerpost in 80335 München bewertet.
vor 10 Jahren
"Tolles Ambiente. Sehr netter Service. Durchwachsene Küchenleistung. Unangenehme Überraschung."

Geschrieben am 12.02.2015 | Aktualisiert am 13.02.2015
Besucht am 28.01.2015
Französische Trilogie Part 2

Der geschäftliche Termin hatte sich hingezogen, ein fieser Schneegriesel fegte durch Münchens Straßen und der große Gin-Tonic hatte mich träge gemacht. Also keine große Ausflüge mehr, sondern nur ein paar Schritte ins Sofitel am Hauptbahnhof. Ein französisches 5-Sterne-Hotel weckt natürlich einige Erwartungen. Die Brasserie Delice konnte mich nur teilweise überzeugen und wird leider keine weitere Gelegenheit zur Verbesserung erhalten.

Nach dem Betreten des Restaurants wurde ich erst nicht entdeckt, so dass ich mir an der Garderobe selbst half. Dann wurde ich aber sehr freundlich begrüßt und die junge Dame bot mir zwei Tische im Vorraum an. Och nö. Dann also in den Hauptraum, ein quadratischer hoher Raum wunderbar erleuchtet und voller optischer Wärme in Gold, Bronze und Braun. Schöne Bodenfliesen, hohe Fenster und als Clou eine verspiegelte Decke. Rund um eine Bar in der Mitte recht eng gestellte Tische an den Seiten, fast alle von kleinen lauten Grüppchen besetzt. Als wortkarger Norddeutscher (man denke an meine spartanischen Kritiken...) wollte ich eher meine Ruhe und zog mich doch in den kleineren Raum zurück, in dem bis dato nur noch ein weiterer Tisch besetzt war. Böser Fehler! Zum einen: Kaum hatte ich mich in die Ecke durch die auch hier zu eng gestellten Tische auf die lederbezogenen Bank gezwängt, wurde es hier ebenfalls voller. Zum anderen ließ ich nun erstmals in Ruhe den Blick durch den Raum gleiten und wurde doch frappierend an eine Kellerbar in den 70ern erinnert. Dunkles Holz an Boden,Wänden, Decke. Eine Wand mit Weinflaschen (zugegeben besserer Stoff, als in den Kellerbars gemeinhin konsumiert wurde) und an der niedrigen Decke etliche kleine Glaszylinder, die dem Raum mit rotem Licht eine recht schummrige Atmosphäre vermitteln. Da konnte auch die eine Wand mit kleinsten weißen Fliesen nicht helfen. Vermutlich höchst stylish, oder aber an eine Sanitärzelle erinnernd. Auch das Mobiliar konnte mich nicht überzeugen. Bank und Stühle lederbezogen in Kaffeespezialitätenfarben. Wieder Tische in Holzoptik mit einer eingelassenen Milchglasscheibe darauf die schlabberigen nur scheinbar geflochtenen Plastiksets. Unfassbar, wie im Frühstücksraum eines Kettenhotels. Weiter findet sich ein Wasserglas, eine Blüte, ein Grablicht und eine Pfeffermühle und Fleur de Sel auf dem Tisch. Auf der Stoffservietten das Hepp-Besteck, bei mir jedenfalls mit sichtlichen Kratzern. Die Tischbeine erfordern erhebliche Sortierkünste, bis bequemes Sitzen möglich ist.

Etwas grummelig erwartete ich den Service und erlebte ein Team von jungen Damen, überaus freundlich und gleichzeitig völlig natürlich. Kann man sich auch erlauben, denn es wird absolut professionell agiert. Beispielhaft ist der klassische Weinservice von Frau K., tadellos von der Entfernung der Kapsel über das Dekantieren bis zur Präsentation des Korkens auf einem kleinen Teller. Nur schade, dass die Gruppe amerikanischer Geschäftsleuten (teilweise in kurzen Hosen!) so gar nichts davon zu schätzen wußte. Aber auch die frisch eingedeckte Serviette, die ich nach einem Besuch der Toiletten vorfand, zeigen, dass hier der Gast im Mittelpunkt des Interesses steht. Bester Service und damit meine ich gar nicht einmal fehlerlos. Da wurde schon mal die Herkunft des Olivenöls verwechselt (oder sich schlicht versprochen), ein Besteck falsch eingedeckt (ich saß in der Ecke und so musste "über Kopf" vorgelegt werden - räumliches Vorstellungsvermögen und ein bestimmtes Geschlecht, Ihr wisst schon, Männers...) und auf eine etwas versteckte Kritik an der Küchenleistung erst nicht eingegangen. Als ich das denn doch höflich ansprach, wurde eben "perfekt" reagiert. Frau K. gab mir Recht und entschuldigte sich glaubhaft. Wenig später stand sie erneut vor meinem Tisch und bat, mich mit einer Einladung zum Dessert versöhnen zu dürfen. Das war groß(zügig), zumal nun auch kein riesiger Fauxpas vorgekommen war.
Ich habe mich jedenfalls vom Team überaus gut und herzlich umsorgt gefühlt!

Die Leistungen der Küche konnten trotz der guten Bewertungen im Netz nicht mithalten.
Der Crémant rosé für 10,5€ war recht angenehm. Alternativen wäre Champagner von Ruinart für 22-26€ gewesen. Auf der Karte auch ein Schnäppchen zu 19€, für 0,1l, wohlgemerkt.
Für den ersten Hunger kamen in einem blauen Leinensäckchen eine helle Flute und ein kräftiges Ochsenbrot mit einer wunderbaren Kruste. Dazu gesalzene Butter und ein kräftiges Olivenöl aus Molise (der Heimatregion der Familie de Niro, wer wüsste es nicht). Sehr schön.
Das günstigste (!) Wasser wäre auf 11€ den Liter gekommen. Danke, ich verzichte.
Als Vorspeise ein Klassiker, Rindermark, dazu Röstbrot. Letzteres war daneben gegangen, teilweise zu schwach geröstet, teilweise verbrannt. Dafür war das Mark top. Gestockt, und leicht gebräunt. Darüber Kerbelblättchen und etwas Fleur de Sel, mmmh. Serviert wurde in einer gusseisernen Schale, das macht natürlich was her.
Mit 10€ moderat im Preis.
Auch der Hauptgang ein Klassiker, das Boeuf bourguignon, Wurzelgemüse und Schnittlauch-Mousseline für 26,8€.
Das Fleisch fiel nicht gerade vom Knochen, aber doch zart, auch geschmacklich gut. Der Fonds war zu einem glänzenden Lack reduziert, das sah hervorragend aus. Der Geschmack war es nicht. Statt kräftigem Aroma des Burgunderweines nur Salz, Salz, Salz. Der Ausgangsfonds war nicht zurückhaltend genug gesalzen, das potenziert sich dann durch die Reduzierung. Sehr schade, den Lack konnte ich nicht essen. Als Wurzelgemüse Karotte, lasch, und Selleriewürfel, die immerhin in der Pfanne ganz leicht karamellisiert waren. Die Schnittlauch-Mousseline hätte noch etwas cremiger sein können, aber das ist jetzt nölen auf hohem Niveau, das hat schon so geschmeckt, wie es sein soll. Auch der Schnittlauch war reichlich eingearbeitet. Auch hier ein großes gusseisernes Gefäß mit so hohem Rand, dass man das Besteck sehr steil halten musste. Gut gedacht war hier nicht mehr gut gemacht.
Normalerweise hätte ich jetzt mit etwas Käse geliebäugelt, denn Desserts sind eher die Leidenschaft meiner Leidenschaft. Aber mein Blick fiel auf ein interessantes Angebot: Weißbier-Sabayon mit gegrillter Cantaloupe-Melone und Vanille-Eis. Ich liiiiiiebe gegrillte Melone. Und eine Zabaglione auf Weißbiergrundlage? Also ran!
Wäre ich doch beim Käse geblieben...
Der Schaum kam deutlich überbacken daher, dazu eine unscheinbare Nocke Eis. Schließlich nicht angekündigte Waldfrüchte mit etwas Crumble und frischer Minze. Von der Melone war nichts zu sehen. Ich fand sie nach energischem Durchpflügen des Schaums. Schmale Streifen, die nur ganz schwache Grillspuren aufwiesen. Insbesondere aber war die Frucht schlicht nicht reif genug, so dass sie mit der Löffelkante kaum durchtrennt werden konnte. Ich wartete nur darauf, dass ein Stück samt Creme über den Tisch flutschte. Der Geschmack war dementsprechend mau, wäre aber um so notwendiger gewesen, als es die süßeste Sabayon meines Lebens war. Das Experiment mit dem Weißbier ist aus meiner Sicht daneben gegangen, es fehlte die übliche Alkoholnote als Gegenspieler zum Zucker. Da hatte auch das durchschnittliche Eis keine Chance. Die Früchte waren durchaus geschmackvoll, hätten aber deutlich mehr Säure gebraucht. So war das Ganze nur extrem süß.
Der abschließende Espresso war gut, aber mit 4,2€ zu teuer.
Insgesamt war ich etwas enttäuscht.

Die Sauberkeit war tadellos. Die Toiletten sehr angenehm, schick, mit schön gestapelten Frotteehandtüchern.

Bevor ich an der (höflich offen gehaltenen) Tür mit Handschlag verabschiedet wurde, fiel mein Blick von der Garderobe auf den Pass. Ein keineswegs sehr junger Mann (sous-chef?) richtete Kurzgebratenes auf dem Teller an. Anstatt die Finger an seiner Schürze abzuwischen, leckte er sie ab und nahm damit das nächste Stück Fleisch, um sie sich danach wieder in den Mund zu stecken.
Wozu trägt der Mann eine Schürze? Mit allem Sarkasmus: Na, so bleibt das gute Stück wenigstens sauber...
Wenn man dazu im Netz sucht, ist die Meinungsvielfalt groß. Von "Ist das eklig!" bis "Keine übertriebene Hygiene. Fällt schon mal was auf den Boden und kommt dann auf den Teller."
Nun, ich will niemanden missionieren. Aber für mich ist klar: Ich möchte den Speichel eines fremden Menschen nicht auf meinem Essen haben.
Und daher (nach "Küchenreise"): 1 - Sicher nicht wieder.
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


Jens und 30 andere finden diese Bewertung hilfreich.

Ehemalige User und 31 andere finden diese Bewertung gut geschrieben.