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Kaum angekommen wurde ich von einer jungen Angestellten bemerkt, die mich nett begrüßte und zum Tisch führte. Den ersten Teil des Abend wird sie mich freundlich und gut ausgebildet begleiten. Es gelingt ihr, eine Beziehung zum Gast aufzubauen. Dabei war sie durchaus sicher in ihren Aussagen. Kleines Manko war, - neben der schnellen Frage nach dem Aperitif, die manche Gäste ja scheinbar erwarten und dem Wasserkühler erst auf meine Bitte - dass sich die junge Servicekraft bei den ersten Gängen nicht schon während des Essens nach meiner Zufriedenheit erkundigt wird. Beim Abräumen wird ehrlich interessiert gefragt, aber da kann ja nicht mehr nachgesteuert werden. Ich führe das auf die zeitliche Beanspruchung durch eine große Gruppe zurück. Bemerkenswert dafür, ob ich etwas Lesestoff wünsche. Soviel Aufmerksamkeit wird dem Einzelgast nicht oft zuteil... Besonders gefallen hat mir, dass klar benannt wurde, wenn sie unsicher war oder etwas nicht wusste; was nur bei einem Cocktail und den Dessertweinen der Fall war. Schnell war Hilfe bei der Juniorchefin Frau Steinheuer geholt, die mich dann im zweiten Teil des Abends umsorgte und vor allem vorzüglich bei den Süßweinen beriet (sowie großzügig probieren ließ). Beim Aufbruch war meine Bitte, noch einen Blick ins Gourmetrestaurant werfen zu dürfen, überhaupt kein Problem. Demnächst bin ich ja wieder in der Nähe...
Der Service insgesamt war tadellos, von bester Qualität, aber nicht steif. Es gelang scheinbar mühelos, den herzlichen Umgang einer familiengeführten Gastronomie mit der Professionalität erster Häuser zu verbinden. Sehr leise Popmusik (mindestens dreimal Imagine) blieb nicht die einzige Unterhaltung.
Ich habe mich rundum wohl gefühlt.
Leider konnte ich nicht in der rustikal, aber hochwertig eingerichteten Gaststube sitzen, da hier eine Jagdgesellschaft bis auf einen kleinen Tisch alle Plätze belegt hatte. Stattdessen wurde ich in einen Nebenraum geführt, der mich spontan an den Begriff Kabinett denken ließ. Vier Zweier- und ein Vierertisch ziemlich eng gestellt auf einer etwas in die Jahre gekommenen weinroten Auslegeware. Die recht tiefe Decke mit indirekter Beleuchtung und eine glatte dunkle Holzverkleidung an den Wänden ließen unwillkürlich Erinnerungen an Chefetagen der 70er Jahre aufkommen. Vielleicht habe ich auch unbewusst an gerade häufig gezeigte Bilder aus der Regierungszeit Helmut Schmidts gedacht. Jedenfalls ein starker Kontrast zu den lebendigen Poststuben. In der die Jagdgesellschaft im Laufe des Abends auch immer lebendiger wurde... Dreimal schallte ein Hallali-Lied nicht schön, aber laut durch die Räume, unterbrochen von mehr oder weniger launigen, aber immer lautstarken Reden auf Strecke, falsche Munition, geschossene Böcke etc. Ich litt im Nebenraum still, aber immerhin voll Galgenhumor mit. Langweilig war's nicht. Und allemal unterhaltsamer, als die langatmige Besserwisserei eines Ministerialbeamten, der Stimmfärbung nach aus dem Württembergischen, der einer alten Bekannten die Welt erklärte; einschließlich seiner bahnbrechenden Rolle bei diversen Gesetzesvorhaben. Dann doch lieber ein lautes Hallali...
Persönlich wollte ich gern das in der Internetkarte noch nicht verzeichnete Herbstmenü zur Strecke bringen. Leider war dies nur für zwei Personen vorgesehen, was die junge Dame jedoch mit einem festen "Das kriegen wir für Sie schon hin!" weg lächelte. So kam es und auch die in der Karte angekündigten zusätzlichen 3€ für Änderungen (gar pro Umstellung?) fanden sich nicht auf der Rechnung.
Bestellt wurde schließlich:
Feines von der Ente mit Feigen
Ahrtaler Kräutersüppchen (statt Curry-Kürbissüppchen mit Garnele)
Steinpilzrisotto mit Kalbsbäckchen
Rehmedaillons mit Pfeffersauce, Quitten, Maronen, Rosenkohl und Spätzle
Auswahl von Rohmilchkäsen (statt Birnen Beignets mit Walnussparfait und Cassisschaum - da musste ich mit mir kämpfen)
für 62 Euro, was ein gutes PLV bedeutet.
An Getränken schlug der Aperitif mit 10,5€ zu Buche. Ein Madeira Barbeito mit dem Käse kam auf 9,0€ und als krönender Abschluss ein PX Murillo cien años, d.h. abgefüllt 1992, zum Hundertjährigen von Lustau für nicht übertriebene 18,0€. Dafür habe ich mich bei den Gängen mit dem Wasser der örtlichen Quelle beschieden, ebenso wie meine Gastgeber mit den dafür verlangten 6,0€.
Die Tische mit Leinendecke, ein kleines Grablicht und zwei Zierkürbisse als Deko neben dem Fleur de sel-Töpfchen, das einen türkisen Farbflecks setzte. Zweimal Silberbesteck, Wasser- und Weinglas, Brotteller nebst Buttermesser und die schön gefaltete Stoffservietten werten den Tisch auf.
Vorab wurde ein Moscow Mule nach meinen Angaben gemixt. In Berlin hatte mir noch der Ingwer gut gefallen, hier war die Limonade deutlich schwächer, so dass es eher wie ein Wodka-Lemon schmeckte. Ach, zur Not...
Die Küche grüßte mit zweierlei unspektakulärem Schnittbrot, gereicht im Silberkörbchen, dazu französische leicht gesalzene Butter und ein hausgemachtes Gänseschmalz. Das war ein rustikaler Genuss, der für mich allerdings durch die fast flüssige Konsistenz des Fettes getrübt wurde. Je länger in der warmen Stube, desto größer die Kleckergefahr vom Brot aufs Hemd! Später wurde ein drittes, vollkorniges Brot gereicht.
Ein weiteres Amuse folgte nicht.
Die feine Ente kam in dreierlei Gestalt: Eine Leberpraline, in Pumpernickel gewälzt, so dass sie wie ein Trüffel aussah. Dazu passte das leicht bitter-süße Quittenchutney, das durchaus aus eine alkoholische Komponente (Wodka?) gehabt haben könnte, vorzüglich. Letzteres ging auch schön mit der mit verschiedenen Nüssen ergänzten Terrine.
In der Mitte des rechteckigen Tellers Blattsalate in einem nicht zu würzigen Dressing und vielen Nussstückchen. Passte gut zum schieren Entenfleisch in einer intensiven, leicht süß-säuerlichen Sauce, vermutlich versteckten sich dort die angekündigte Feigen. Leider trübte die Trockenheit einiger Stücke aus der Brust den Genuss ein klein wenig. Ansonsten ein überzeugender Auftakt.
Weiter ging's mit der Suppe. Da die im Menü vorgesehene Curry-Kürbissuppe wegen des mitgelieferten Garnelenspießes nicht ganz das Versprechen der Regionalität einzuhalten schien, hatte ich auf das Ahrtaler Kräutersüppchen umdisponiert. Dieses kam sehr heiß in einer Suppentasse, die in der Tat aus dem Schrank der Großmutter stammen könnte. Wunderbar grün und herrlich samtig abgezogen. Nur ein leichter Geschmack nach Kerbel. Das war's denn auch. Keine Deko störte das Auge, keine Einlage den Gaumen. Tadellos gemacht, trotzdem (m)eine falsche Entscheidung, vom kräftigeren Vorschlag im Herbstmenue an dieser Stelle abzuweichen.
Als Zwischengang war ich auf das Steinpilzrisotto mit Kalbsbäckchen gespannt. Die Portion war großzügig, der Reis von perfektem Gargrad und Sämigkeit. Reichlich Steinpilze waren als Aromaträger sehr deutlich. Auch das Fleisch, wunderbar zart mit Collagenanteilen, konnte völlig überzeugen. Einzig die reichliche Soße war zu intensiv und überdeckte damit das Risotto, das z. B. erkennbar eine Kräuterkomponente hatte, die geschmacklich nicht zu bestimmen war. Ich habe zuletzt den Reis "um die Sauce herum" gegessen, etwas ist zurück gegangen. Etwas weniger wäre hier der Ausgewogenheit der Bestandteile zugute gekommen.
Weiter ging es mit den. herbstlichen Hauptdarstellern, drei perfekten Rehmedaillons. Rosa, mager und doch saftig, typischer Rehgeschmack, die Pfefferkruste pikant, aber nicht zu scharf. Dazu eine ebenfalls pfeffrige, leicht gebundene Sauce, die hervorragend mit den hausgemachten leicht gedrehten Spätzle schmeckte. (Merke gerade, wie mir das Wasser im Munde zusammen läuft ;-)). Als Begleiter feiner kleiner Rosenkohl ohne alles. Nichts dran auszusetzen, überhaupt keine unangenehmen Bitternoten, aber meins ist das Wintergemüse so nicht. Umso mehr aber geschmorte Maronen und erneut Quitten die zusammen ein vollmundiges Herbstduo gaben. So lecker, dass ich um einen Nachschlag bat, der in und aus einer gusseisernen Kokotte serviert wurde.
Mit großem Bedauern habe ich auf die Birnen Beignets verzichtet.
Um erfreut zur Kenntnis zu nehmen, dass man bei der Käseauswahl zunächst nach eventuellen Vorlieben oder Abneigungen fragte. Da ich verneinte, kamen sechs Stücke von mild bis kräftig, die nicht nach einer Käseuhr ausgerichtet waren, aber Frau Steinheuer lotste mich sicher durch die Sorten, die ich mir namentlich leider nicht gemerkt habe. Mit dem Käse wurde ein recht ordentliches Früchtebrot gereicht, vor allem aber schwarze Walnüsse, Rosinen und ein Feigengelee. Sehr leckere Kombinationen. Erst recht mit den Proben aus dem reichhaltigen Sherry, Port und Madeira-Angebot des Hauses. Ein 5jähriger Madeira aus dem Haus Barbeito hat schließlich das Rennen gemacht. Aber mich auch nachdrücklich erinnert, dass bekanntlich Käse ohne Dessert nur ein halbes Vergnügen ist. Aber ich blieb natürlich standhaft ;-)). Also nur ein Gläschen des wunderbaren, wirklich wunderbaren intensiv fruchtig-süßen, inzwischen fast 25jährigen PX. Wie Motoröl floss er langsam ins Glas... Dazu bat ich nur um etwas dunkle Schokolade, direkt vom Block gehobelt. Überhaupt kein Problem, nachdem ich zuvor das reizende Angebot der Küche, mir vielleicht doch einen kleinen Schokoladenkuchen zu zaubern, dankend abgelehnt hatte (Habe ich eigentlich schon meine Standhaftigkeit gegenüber jeglichem Süßkram erwähnt?). Mindestens genauso nett, die Valrhonastücke außer Berechnung zu lassen.
Es war ein sehr angenehmer, entspannter Aufenthalt. Vom Essen war ich - zunächst - ein klein wenig enttäuscht. Im Nachhinein glaube ich, dass mir doch der Zweisternetempel nebenan zu sehr im Kopf herum ging und für überzogene Erwartungen im Sinne von "Abfärben" sorgte. Tatsächlich war es ein sehr gutes, überwiegend regionales Essen auf hohem Niveau zu einem sehr fairen Preis.