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GastroGuide-User: Minitar
Minitar hat Schönbein's · Gastronomie am Marktplatz in 72555 Metzingen bewertet.
vor 9 Monaten
"Jenseits des Ozonlochs"
Verifiziert

Geschrieben am 10.06.2024
Besucht am 08.06.2024 Besuchszeit: Abendessen 2 Personen Rechnungsbetrag: 40 EUR
Tag 2 in Metzingen. Inzwischen verbieten wir uns das Synonym Outletcity und versuchen uns die Stadt als Weinbaugemeinde und ehemaligen Sitz von Gerbereien und Textilbetrieben vorzustellen, inklusive des alten Ortskerns rund um den Rathausplatz. Dass hier auch Wissenschaftsgeschichte geschrieben wurde, übersieht man gern. Den gastronomischen Link hierzu schlagen wir gleich. Denn man lernt nie aus – und Reisen bildet, auch kulinarisch.
Samstagabends nach 20 Uhr ist die Stadt wie leergefegt, viele Lokale schliessen spätestens um 21 Uhr, nachdem die letzten erschöpften Tagestouristen ihre Schnäppchen verpackt und die Heimreise angetreten haben. Auch wir suchen nur nach etwas Habhaftem im Fusslaufnähe, denn die nächsten Regengüsse haben sich angesagt. Um den Rathausplatz/Marktplatz herum präsentiert sich von April bis Oktober die örtliche Gastronomie mit Outdoor-Angeboten. Trotz aufgestellter Sonnenschirme, die jetzt auch den Regen abhalten sollen, erscheint uns das Draussensitzen zu riskant. Wieso nicht in „Schönbein´s Gastronomie am Marktplatz“ anklopfen? (der sogenannte Deppen-Apostroph bereitet mir immer noch Magenschmerzen, auch wenn man inzwischen offenbar augenzwinkernd darüber hinweggeht)
Ein paar Mutige sitzen noch draussen, doch das trockene Obergeschoss des Lokals ist noch nicht offiziell freigegeben, so dass wir an einen der kleinen Tische im Erdgeschoss, direkt neben der Theke, verfrachtet werden. Hier sitzt man sehr geborgen auf bequemen Lederbänken oder -sesseln und ist nicht weit vom Schuss. An der Fassade und auch an alten Fotografien an den Wänden entdecken wir besagten Schönbein, einen grimmig blickenden, Gehrock tragenden Herrn aus dem vorletzten Jahrhundert, den wir erst für eine Kunstfigur halten. Doch mitnichten!
Das Servicemädel ist rasch zur Stelle, sichtlich bemüht und eifrig bei der Sache. Wir ordern ohne lange nachzudenken „Zwei selbstgemachte Fleischküchle mit Kartoffel- und Blattsalat“ (12,90 Euro), sowie den „Avocado- Salat mit Garnelen“ (17,90 Euro), dazu ein Weissweinschorle unbekannter Provenienz (4,90 Euro) und ein Paulaner Hefeweizen (4,90 Euro). Schnell werden die Getränke serviert und nach einer gefühlten Viertelstunde steht auch schon das Essen auf dem Tisch.
Die Fleischküchle haben eindeutig Metzgerqualität (doch wo ist hier noch einer?) und sind schön resch angebraten. Die dazu servierte sämige Bratensauce kann bestens mit dem Kartoffelsalat aufgeditscht werden, so dass wir das später angebrachte Brötchenangebot dankend ablehnen. Sehr reichhaltig kommt der Acocado-Salat daher, mit frischen Blattsalaten und halbierten Cocktailtomaten und aromatischen Avocados. Nur das allzu aufdringliche Zitronen-Honig-Dressing stört den Genuss. Damit kann man auch nicht über die etwas trockenen Garnelen hinwegtrösten. Satt werden wir auf jeden Fall beide.
Schon beim Abkassieren am Nebentisch haben wir mitgehört: hier ist keine Kartenzahlung möglich, nur Bares wird akzeptiert. Wie schon zu Schönbeins Zeiten. Nicht wenige Gäste werden irritiert sein und den Gang an den nahen Bankomaten antreten müssen. Wie kann man sich das als Gastronom heutzutage noch leisten? Da wir nicht dem Shoppingwahn anheimgefallen sind, ist unser Portemonnaie tatsächlich gut gefüllt und wir dürfen den Bezahlvorgang noch mit einigen neugierigen Fragen krönen. Wer bitteschön war Friedrich Christian Schönbein? Er wurde 1799 in diesem Haus geboren (stolz setze ich mich etwas aufrechter hin) und war – laut Service – der „Erfinder des Ozons“. Naja. Fast so ähnlich. Knapp daneben. Tatsächlich hat er das Ozon entdeckt, die sogenannte Schiessbaumwolle hergestellt und auch das Kollodium. Und als Lehrling in einem pharmazeutischen Betrieb in meinem Wohnort gearbeitet - wer mehr erfahren will, darf gerne Wikipedia bemühen. Eine Büste vor dem Gebäude weist heute noch auf den Chemiker und Physiker hin.
Etwas müde und erschöpft verzichten wir darauf, die Toiletten, die sich ebenfalls ebenerdig befinden aufzusuchen, behalten jedoch den ansprechenden Marktplatz mit seiner Outdoor-Gastronomie im Sinn. Den werden wir am nächsten Morgen noch einmal aufsuchen. Denn Metzingen hat auch seine angenehmen Seiten. Heute vermerken wir: Schönbeins Geburtshaus hat mit Ausnahme des heiligen Sonntags täglich bis 23 Uhr geöffnet und bietet eine Vielzahl von wohlschmeckenden, mainstreamtauglichen Gerichten zu vernünftigen Preisen.
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


AndiHa und 7 andere finden diese Bewertung hilfreich.

Carsten1972 und 7 andere finden diese Bewertung gut geschrieben.