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Der Ort selbst versucht, so gut wie möglich die Autos draußen zu lassen, was die zentrale Seefelder Straße zu einem Flanierboulevard macht – und zu einem Radschnellweg. Wer nicht bei Drei auf einer Biergartenbank oder einem Caféhausstuhl sitzt, wird gnadenlos angefahren von einem renitenten Mountainbiker, Pedelecfahrer oder Frühpensionär auf Bodenseeumrundung. Da ich bei meinem letzten Besuch Anfang September ausnahmsweise noch etwas fußkrank war, habe ich größtenteils auf das Flanieren verzichtet und mich möglichst schnell in ein nahes Café gerettet.
Das Al Gusto liegt ganz zentral, gerade gegenüber des Yachthafens. Am späten Nachmittag scheint hier die Sonne noch angenehm warm, zudem ist es hier komplett windstill. Die Plätze auf der Sonnenterrasse sind fast alle belegt, aber ich vermute fast, dass dies zu allen Tageszeiten der Fall ist. Glücklicherweise ergattere ich noch einen Katzentisch in der ersten Reihe, mit allerbestem Blick auf den See, den Hafen und den kleinen Stadtpark. Das Al Gusto firmiert gleichermaßen als Café, Bar und Bistro – und natürlich als Eissalon. Eine Speise- oder Getränkekarte suche ich vergeblich auf dem Tisch, obwohl überall um mich herum getrunken, gegessen und Eis geschlotzt wird. Bestellt man hier einfach ins Blinde hinein?
Ziemlich rasch tritt ein Kellner in mein Blickfeld, der mit opernhaftem Italienischauftritt ein frohgemutes „Buon Giorno“ trällert und so geschäftstüchtig seine Dienste anbietet, dass es mir fast etwas zu aufdringlich erscheint. Wirkt alles sehr inszeniert und künstlich aufgesetzt. Aber vielleicht erwartet das hiesige Publikum solche Arien? Mich dimmt das eher etwas runter und ich beschließe, nur einen Kaffee zu bestellen. Einen ganz schlichten. Nein, keinen Cappuccino, keine Latte Macchiato, auch nichts zum Essen dazu, auch kein Szenegetränk… Sichtlich enttäuscht tritt der Kellner ab und zeigt sich auch nicht mehr bei mir. Die Tasse Kaffee wird also von einem Mitarbeiter aus der Kategorie Fußvolk ausgeliefert. Der darf wiederum nicht kassieren und verweist an die Chefin. Die winke ich mir am Ende mühsam herbei. Sie agiert dann auch ausgesprochen freundlich, routiniert und höchst professionell. Naja, so lerne ich wenigstens die ganze Belegschaft kennen ….
Das in der Rechnung als Schümli-Kaffee (2,50 Euro) ausgewiesene Heißgetränk wird mit einem kleinen verpackten Keks serviert und erweist sich als außergewöhnlich säurebetont. Mir wird noch eine zusätzlich angeforderte Kaffeesahne-Portion gewährt; dennoch kriege ich nicht alles runter. Ich genieße noch etwas die langsam untergehende Sonne und suche dann im Inneren des Lokals die Toiletten auf. Schon an der Eingangstür klebt ein Schild: „Toilette 1 Euro“. Gilt wahrscheinlich für Nicht-Gäste. Wie überall am See muss man sich vor auch hier vor ungehobelten Eindringlingen schützen (dabei sind großzügige öffentliche Toilettenanlagen nur wenige Schritte von hier entfernt bis abends um 23 Uhr zugänglich).
Während die Terrasse noch modern und ansprechend ausgestattet und möbliert war, regiert im Innenbereich des Lokals der Charme der 1950er und 1960er Jahre. Ob noch alles original aus der Zeit stammt oder nur nachempfunden ist, konnte ich nicht ermitteln. Wirkt aber eher etwas steif und furnierholzmäßig. Hier säße ich dann doch nicht so gerne … Beim Rausgehen entdecke ich die Blisterverpackung einer Tablette auf dem Boden und hebe sie automatisch auf. „Die ist von der Mamma!“ erfahre ich von der Chefin. Tja, so lerne ich indirekt auch noch die halbe Verwandtschaft kennen. Ist irgendwie nett und sympathisch, auch wenn mir der Kaffee nicht schmeckte. Vielleicht sollte ich beim nächsten Besuch doch einen der beeindruckenden Eisbecher bestellen, die ich am Nachbartisch bestaunen konnte?