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GastroGuide-User: Carsten1972
Carsten1972 hat Echtzeit | Café & Brasserie in 48431 Rheine bewertet.
vor 3 Jahren
"Wenn man Maria einfach mal machen lässt......"

Geschrieben am 28.12.2021 | Aktualisiert am 17.01.2022
Besucht am 26.12.2021 Besuchszeit: Abendessen 2 Personen Rechnungsbetrag: 180 EUR
...dann kommt was Feines heraus! Weihnachten 2021 steht wie der Jahreswechsel unter dem Damoklesschwert der Omikron Variante des Corona Virus. Die Zahlen fallen, die Angst vor der neuen Welle steigt. Im Dezember wurde die Chance immer größer, dass es schon vor den Feiertagen wieder in einen Lockdown geht. Wenig hatten wir reserviert für die Feiertage, weil die Situation so unsicher war. Erfreulicherweise haben wir in NRW bis dato keinen neuen Lockdown, mein Geburtstags-Essen im Giverny konnte stattfinden, ebenso die (kleine) Weihnachtsfeier(essen) im Kollegenkreis. Das war Grund für Freude, und meine Frau und ich blickten immer positiver auf den zweiten Weihnachtstag, an dem wir im November einen Tisch im Echtzeit gebucht hatten. 

Der zweite Weihnachtstag gehört meiner Frau und mir allein, wir lassen da die restliche Familie außen vor. Am zweiten Weihnachtstag ist die Gans vom Heiligen Abend auch emotional verdaut und wir gönnen uns einen Abend in gehobener Gastronomie. Normalerweise zieht es uns dann nach Münster, dass Echtzeit gehört nicht in den Kreis der Ziele für einen solchen Abend. Am zweiten Weihnachtstag hat das Echtzeit normalerweise einen sehr umsatzstarken Abend, dann wird der Stephanus gesteinigt. Alle Exil-Rheinenser treffen sich dann am Marktplatz (ohne Familie) und feiern mit den alten Schulfreunden. Das läuft meistens auf sehr intensive Trink-Gelage hinaus. Und demzufolge hat Maria, die Köchin des Echtzeit, nicht so viel Arbeit in ihrer Küche. Nun war es aber schon im November absehbar, dass solche Feierlichkeiten nicht mehr möglich sein würden im Dezember und der Chef überlegte sich eine Alternative. Man bot einen Abend mit einem 5 Gang Menüs aus Marias Küche an, begleitet von Weinen der Vinothek VanWeins aus Osnabrück, die das Echtzeit mit einigen Weinen beliefern. 

Früh wurden wir informiert über diese Pläne und umgehend sagten wir unsere Teilnahme zu. Ein schönes Abendessen ohne maskierte 3 G Anreise per Bahn nach Münster war ganz nach unserem momentanen Geschmack. Der Tag wurde verbummelt mit einem langen Spaziergang und warten am Kamin auf den Abend. Und dann kamen wir in Stress. Wir hatten verstanden, dass das Menü ohne feste Zeit starten sollte. Was mich auch stutzen ließ bei einem solchen Event, aber wir nahmen es hin. Und plötzlich bimmelte in die Sofaruhe ein Anruf vom Serviceteam des Echtzeit, wo wir denn blieben. Oh je! Man wartete nur noch auf uns! Frau legte beim stylen den Turbogang ein, ich beeilte mich ebenso, dann saßen wir auf den Rädern und flitzten an den Marktplatz. Alle schon da! So ein Schiet! Schnell rein, Corona Check und Platz nehmen. 

Gang eins war schon serviert, und die restliche Gästeschar legte eine Pause ein, um uns auf den gleichen Stand zu bringen. Maria begrüßte uns recht zügig nach dem Platz nehmen mit einem Löffel.

Wer gerne tuc tuc Waffeln durch eine Frischkäsecreme zieht und dann nascht kann sich recht gut vorstellen, was wir hier als Küchengruß bekamen. Unten crunchige Bruchstücke eines Waffelgebäcks ergänzt, glaube ich, von Röstzwiebeln. Darauf eine Röstzwiebelcreme, ergänzt um Granatapfel. Und die Kombination auf diesem Löffel war schlicht geil! Fettes dickes Umani in der Creme, Crunch durch das Gebäck, ausgeglichen durch den Granatapfel mit Süße und Säure. So muss Küchengruß, nach diesem Löffel waren unsere Geschmacksnerven gedanklich im Menü. Begleitet wurde dieser Gruß ebenso wie der erste Gang durch einen trockenen Riesling. Maria schickte dann recht schnell auch den Gang eins. 

Thunfischtartar, Miso, Zwiebel, Apfel, Gurke und Kichererbsen-Chip war der in der Karte angekündigt worden. Das Tatar an sich war recht naturell ausgeführt, fein geschnittene sanft süße rote Zwiebel fand sich im Tatar. Ich mag das so sehr gerne, auch die Größe der Schnittstücke war sehr angenehm, nicht zu grob, nicht zu fein. Um das Tatar herum eine Sauce mit sehr deutlichen Aromen von Apfel und Gurke, Miso mag drin gewesen sein, geschmacklich hatte es aber keinen Einfluss in der Sauce. Das war im Großen und Ganzen ein guter Einstieg ins Menü, mir fehlte aber ein scharf-salziges Gegenstück zur Sauce mit ihren frischen und süßen Aromen. Crunch war natürlich da in Form des ungewöhnlichen Chips aus Kichererbse. Das Gericht wurde nach dem Menü noch ausführlich mit Maria besprochen. 

Wir waren wieder im "flow" des Menüs, und hatten jetzt Zeit, alle Beteiligten um Verzeihung für unseren Faux pas zu bitten. Zum Glück brachte man uns Verständnis und Verzeihen entgegen. Schön, dass wir nicht allzu viel Probleme angerichtet hatten. Soviel Feingefühl würde man sich auch von Menschen wünschen, die an einem Abend, an dem 50 Personen bekocht werden, eine Stunde vor Menübeginn eine Reservierung für 10 Personen mir nichts, dir nichts canceln, nachdem die Küche seit 10 Uhr morgens mit den Vorbereitungen beschäftigt ist.  Liebe Menschen da draußen, wie würdet ihr euch fühlen, wenn eure Gäste eine Stunde vor eintreffen einfach mal absagen? Man muss sich nicht wundern, dass Gastronomen darauf keine Lust mehr haben und wenn sie es dennoch wagen, so was nur noch gegen Vorkasse ansetzen. Ich war nie ein Freund einer Reservierung mit einer KK Nummer, ich bin da sehr konservativ. Aber selbst ich nehme es inzwischen hin, wenn man Reservierungen nur noch mit KK Nummer bestätigt und klaren AGB mit Schadensersatz im Falle eines no show! Es geht wohl nicht mehr anders in einer Gesellschaft, die sich der Unverbindlichkeit hingibt. So, dass waren Worte die geschrieben werden mussten. Nun weiter mit erfreulicheren Details unseres Abends im Café Echtzeit. Die Chefin hatte die Moderation dieses Abends übernommen und verkündete Gang zwei.

Steinpilz-Tortelloni mit Rotkohl, Parmesan und Lauch. Unten im Teller der Rotkohl, sehr fein, fast wie eine Creme war er das Bett für die Pasta. Maria hat einen ganz eigenen Stil Rotkohl zuzubereiten. Bei ihr dominieren süße Aromen, in Kombination mit weihnachtlichen Gewürzen. Das ist immer ein ganz schön fettes Aroma, dass da im Teller liegt. Trotzdem schaffte es der frittierte Lauch mit intensiver Herzhaftigkeit, und im Verbund mit der Parmesan Sauce ein Gegengewicht zu bilden. Man könnte nun bemängeln, dass in diesem Aromen-Feuerwerk die Steinpilze in den Tortelloni untergehen, aber das hat mich nicht gestört. Dieser Teller ist ein Kondensat der Küche von Maria, die manchmal etwas zu viel des Guten macht bei den Aromen (die unbändige Energie einer jungen Köchin). Aber lieber so, als langweilig! Und schmecken tut es immer! Der Wein dazu war ein Grauburgunder, und selbst der hatte Schwierigkeiten, gegen die fetten Aromen zu bestehen. Das Mikro wurde wieder angeschaltet, Gang drei stand in den Startlöchern, bzw. in der Küche bereit.

Kabeljau, Schinken, Blumenkohl, Himbeere, Basilikum wurde begleitet von einem trockenen Sauvignon blanc aus Baden. Dieser Wein gefiel, weil kein Marlborough Buket in der Nase, gut zum Fisch. Der Blumenkohl war ein roter, deswegen fand sich ein Püree mit entsprechender Färbung am Boden Tellers. Darauf ein Rückenfilet mit einer Kruste, in der Speck geschmacklich dominierte. So weit eine klassische Kombination, welche gut mit dem Püree harmonierte. Die Himbeere fand sich als Klecks auf dem Tellerrand, für den, der sich noch süße Aromen hinzu wünschte. Dieser Teller war harmonisch und völlig ohne Kritik, perfekt um den Fisch kreiert. Lecker! Und ganz klassisch verkündete die Chefin am Mikro, dass es noch ein Sorbet vor dem Fleischgang geben würde. Vive la france, kann man jetzt sagen.

Mango mit Limette, aufgegossen mit einem Secco! Perfektes semi freddo in der Konsistenz war das eine schöne Erfrischung. So ging es dann mit einem spanischen trockenen Garnacha im Glas an den Hauptgang. Lamm, Kartoffel, Kräuter, Pistazie, Orange hatte Maria den Gang überschrieben.

Und erntete nach dem Verzehr des Gangs standing ovations von den Gästen im Raum. Ein Lammkarree aus dem Ofen genommen in nicht besser zu treffender Garstufe, rosig-saftig im Inneren, knusprig außen. Und mit Pistazie und Kräutern aromatisiert. Unten drunter ein ein Püree umgeben von einer fruchtigen, von Orange dominierten Sauce, die das Tüpfelchen auf dem I des Gangs war. Schlicht großartig dieser Gang! Ich war eigentlich schon satt, aber ohne Dolci lässt Maria niemanden nach Hause!

Cannoli, Ricotta, Orange, Zimt, Pistazie fand sich alles beim Verzehr dieser abgrundtiefen Weihnachtssünde! Die Orange hatte Maria selbst kandiert! Sehr gutes Dessert, und ein wahrlicher Abschluss dieses Menüs! Maria, wie immer finde ich deine Küche dann am besten, wenn du dich frei austobst bei deinen Rezepten. Nicht immer bin ich dann in allen Einzelheiten einer kulinarischen Meinung mit dir, aber immer servierst du dann spannende und überraschende Gerichte, die Freude bereiten! Es war wieder mal ein schöner Abend! 

Marias Ehemann Battista hatte sein Serviceteam gut im Griff und so war man auch in diesem Aspekt gut umsorgt und konnten den Abend genießen. Wir schlossen einen wieder schönen Abend im Echtzeit mit einem Gin Tonic von Luca (Bar) ab.

Ich wünsche dem Team des Echtzeit, allen in der Gastronomie Beschäftigten, allen Lesern dieser Kritik, allen Freunden hier bei GG eine wunderschöne Jahreswechselzeit und hoffe, dass Corona in hoffentlich kurzer Zeit kein Grund für weitere Probleme mehr ist!
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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